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Eröffnung Freitag, 5. September 2003, 19 Uhr Eröffnung durch Wilfriede Hribar, Abgeordnete zum Tiroler Landtag Zur Ausstellung spricht Angelika Nollert, Siemens Arts Program

Die Ausstellung "Gegeben sind... Konstruktion und Situation" bildet den Auftakt der fünfteiligen Ausstellungsreihe Performative Installation, eine Initiative des Siemens Arts Program in Kooperation mit der Galerie im Taxispalais in Innsbruck, dem Museum Ludwig in Köln, dem Museum für Gegenwartskunst Siegen, der Secession, Wien, und der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Alle Stationen behandeln das gemeinsame Thema unter jeweils verschiedenen Gesichtspunkten: Konstruktion & Situation, Erzählung, Kommunikation, Körper & Ökonomie sowie Architektur.

Im Mittelpunkt der Ausstellung "Gegeben sind... Konstruktion und Situation" stehen konstruierte Situationen, in denen Wirklichkeit "inszeniert" wird. Bereits die Titel der künstlerischen Arbeiten sprechen direkt oder vermittelt das an, was zu den strukturellen Gegebenheiten ihrer Konzeption gehört: der Bezug auf einen Raum - einen Ort -, der in der Ausstellung als reales Szenario und zugleich als symbolisches Konstrukt funktioniert, um das Publikum in ständiger Verschränkung zwischen Fiktivem und Realem zu verorten. In diesen "konstruierten Situationen" werden die BetrachterInnen gezielt auf eine interaktive und zugleich reflexive Ebene versetzt, um sich in filmischen, psychischen, narrativen, virtuellen und anderen Szenarios wieder zu finden, deren Bewertungsparameter sich ständig verschieben. Die inszenierten Räume stehen in ganz konkreter Beziehung zu einem vorgegebenen gesellschaftlichen Sachverhalt sowie zu privaten wie öffentlichen Alltagserfahrungen mit unterschiedlichen politischen und kulturellen Kontexten.

Bei Emmanuelle Antilles "Training Lounge" (1997) ist es ein Büroraum, in dessen "Normalität" tagtraumartig eine andere Realität eindringt, über Video eingespielte Sequenzen aus einem Wohnraum einer verstörten jungen Frau. Die Protagonistin der Training Lounge von Antille wirkt gerade dadurch so irritierend, weil ihr Film-Raum - in dem sie scheinbar ganz privat und unbeobachtet mit sich beschäftigt ist - in den realen Raum erweitert wird. Das Telefon, das dort auf dem Schreibtisch klingelt, hat jedoch keinen Adressaten; es kann die Frau im Film nicht erreichen und macht dem/der Einzelnen im Publikum klar, dass er/sie ebenfalls ausgeschlossen, isoliert ist - eine Paraphrase für eine Versuchsanordnung in einer kontrollierten Mediengesellschaft.

Janet Cardiff & George Bures Miller entwickelten für "The Muriel Lake Incident" (1999) ein Kinotheater in verkleinertem Maßstab, in welches das Publikum (maximal drei Personen gleichzeitig) hineinsehen kann. Der bild- und tontechnische Illusionismus dieses Kinos ist so perfekt, dass die mit Kopfhörern ausgestatteten BetrachterInnen an der eigenen Wahrnehmung zu zweifeln beginnen. Der Bruch mit dem Maßstab bei dem Miniaturkino von Cardiff & Miller verwandelt die Menschen, die dieses Kino besuchen, in Swift'sche Riesen, die sich an der Nahtstelle zwischen Illusions- und Realraum wieder finden. Es gibt hier keine Geborgenheit des Kinosaales sondern ein ausgesetzt Sein, sowohl gegenüber dem Außen, in der Position des Gesehen-Werdens als auch gegenüber dem Innen, in der Position des Beobachters. Genau hier etabliert sich die nicht auslotbare Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, deren Bereiche sich ineinander schieben und jede Annäherung wie auch Distanzierung schwierig machen.

Ayşe Erkmen bezieht sich in ihrer Installation "Stoned" (2003) auf die Architektur des Ausstellungsraumes, deren fragilsten Teil sie aufgreift, nämlich das transparente Glasdach der Halle im Untergeschoss, um gerade hier das Unerwartete, Bedrohliche zu inszenieren: Ein Felsbrocken, den Erkmen in einem konstruktiv-poetischen Kraftakt wie ein Damoklesschwert über dem Glasdach schweben lässt, verwandelt den Ausstellungsraum in einen scheinbar gefährlichen Ort. Sie vollzieht damit die Kurzschließung der architektonischen und kulturellen Geschichte Innsbrucks mit der Tiroler Gebirgslandschaft, deren Topografie, deren Bodenschätze wie Silber und Salz und deren spätere touristische Nutzung den ökonomischen und kulturellen Reichtum Tirols mit hervorgebracht haben.

Während das Narrative bei diesen drei Arbeiten mit Fiktivem verknüpft ist, erzählen Maja Bajević und Emanuel Licha eine reale Geschichte. In der Videoinstallation "Green, Green Grass of Home" (2002) verstricken sie das Publikum in ihre emotionale Erinnerungsarbeit, die sich wie ein Nachbild des Kriegsgeschehens in Sarajevo in den Köpfen des Publikums festzusetzen beginnt: Bajević steht alleine inmitten einer grünen Wiese und erzählt. Sie rekonstruiert ihre durch den Krieg in Sarajevo verloren gegangene Wohnung, die sie nie mehr betreten konnte. Licha zeichnete dann ihrer Beschreibung folgend einen Grundriss und baute ein Modell, in dem beide stehend gerade Platz finden.

Das "Studio" (2000) von Karl-Heinz Klopf/Sigrid Kurz und das Projekt von Andreas Fogarasi mit dem Arbeitstitel "Innsbruck, Tyrol, Austria" (2003) haben ihre Referenzpunkte in institutionellen Feldern. Das "Studio" ist eine weiße Box, in der über den Computer die filmisch animierte Rekonstruktion des Wiener Ateliers von Klopf/Kurz als wandgroße Projektion zu sehen ist. Die losen Koordinaten dieses Studios verändern sich ständig wie in einem Videospiel, während sich zugleich die Außenwelt über anonyme, urbane Fragen abhandelnde Botschaften aus dem Internet einschreibt, eine Allegorie für die instabile Verortung in der globalisierten, elektronisch vernetzten Welt.

Andreas Fogarasi beschäftigt sich mit den institutionellen Vorgaben eines geografischen Ortes im sowohl inhaltlichen als auch materiellen, objektbezogenen Sinn. Seine Reflexion auf kulturpolitische und ästhetische Vorgaben im Ausstellungsbetrieb oder in der Tourismuswerbung findet ihren Niederschlag im Setting seines Ausstellungsraumes selbst, der diese Vorgaben spiegelt und zugleich auch transformiert. Mit der Übernahme von Displayformen aus der Wirtschaft verweist er auf die Tatsache, dass auch der Ausstellungsbetrieb ein Teil der Kulturindustrie ist. Fogarasis Kritik gilt nicht zuletzt der "ambient art", die von der Politik erwünscht und auf die Unterhaltung des Publikums ausgerichtet, touristische Kategorien auch in den Ausstellungsraum zu überführen sucht.

KünstlerInnen Emmanuelle Antille (CH), Maja Bajević (BH) und Emanuel Licha (F/CAN), Janet Cardiff & Georges Bures Miller (CAN), Ayşe Erkmen (TR), Andreas Fogarasi (A), Karlheinz Klopf / Sigrid Kurz (A).

KuratorInnen: Silvia Eiblmayr (Galerie im Taxispalais), Angelika Nollert (Siemens Arts Program) Kooperationspartner Galerie im Taxispalais, Innsbruck mit Siemens Arts Program

Katalog Performative Installation Hg. Angelika Nollert Beiträge von Silvia Eiblmayr, Barbara Engelbach, Kasper König, Christine Litz, Angelika Nollert, Michael Roßnagl, Eva Maria Stadler, Barbara Steiner (dt./engl.) Snoeck Verlagsgesellschaft mbH, Köln 2003 256 Seiten, 184 Abb. ISBN 3-936859-05-1

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Performative Installation # 1
Gegeben sind... Konstruktion und Situation
KuratorInnen: Silvia Eiblmayr, Angelika Nollert
Kooperationspartner: Galerie im Taxispalais, Innsbruck mit Siemens Arts Program

KünstlerInnen: Emmanuelle Antille, Maja Bajevic und Emanuel Licha, Janet Cardiff & George Bures Miller, Ayse Erkmen, Andreas Fogarasi, Karlheinz Klopf / Sigrid Kurz