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Eröffnung: 27. November, 20 Uhr

Der Mensch ist in der Bewegung, er geht um zu gehen, aber auch, um einen Ort zu finden, er bricht auf, um nicht bleiben zu müssen, er möchte bleiben, um nicht in die Fremdheit zu fallen, er entscheidet sich für ein Unterwegssein ohne Ziel und will doch ankommen. Der Mensch geht aus vielfältigen Gründen, er ist Entdecker, Forscher, Eroberer, er ist Siedler, Pilger, Missionar, schließlich Tourist, er geht, um die Welt zu verstehen, zu vermessen, zu besitzen, zu verändern, zu genießen. Er geht in der Hoffnung auf Einsicht, Verwandlung, Zukunft, aus Gier, Verzweiflung, Lust, er weicht der Gewalt, er wird vertrieben. In allen Kulturen und Religionen spielen die Bilder von Aufbruch, Unterwegssein, Rückkehr eine wichtige Rolle. Auch unser Leben ist von der Sehnsucht bestimmt, einfach loszugehen, der Sehnsucht nach Ferne, und zugleich wünschen wir uns die Sicherheit, heimkommen zu können, eine Bleibe zu haben.

Die Ausstellung gehen bleiben im Kunstmuseum Bonn umfasst über 80 Installationen, Objekte, Videos, Dokumentationen von Performances, Wandbilder, Fotos, Zeichnungen von 37 internationalen Künstlerinnen und Künstlern aus den sechziger Jahren bis heute, die von der Bewegung sprechen und von Orten, an denen die Bewegung anhält. Sie zeigen das Gehen und das Bleiben als unmittelbare, freie oder erzwungene Erfahrungen, die an den Körper gebunden sind und damit auch Erfahrungen von Identität vermitteln, so rudimentär diese erscheinen mag. Sie befragen prinzipielle Möglichkeiten der Selbstwahrnehmung und Selbstvergewisserung, der Beziehung zu Raum, Ort, Zeit, formulieren im Gehen und Bleiben aber auch historische, gesellschaftliche und biographische Erfahrungen. Sie entwerfen Modelle für andere Möglichkeiten zu leben und sehen im Gehen ebenso eine Metapher für das Transitorische und Flüchtige, das Vergehen der menschlichen Existenz. So umspannt die Ausstellung die verwirrende Gleichzeitigkeit der Empfindung, die Gehen und Leben, Bleiben und Erstarrung in eins setzt, andererseits im Gehen ein nomadisch ruheloses Umherirren, im Bleiben ein Ankommen bei sich selbst erkennt.

Einer zunehmend globalen und mobilen Gesellschaft erscheint das Nomadische heute geradezu als adäquate und authentische Lebensform der Ungebundenheit. Die Rückseite dieser Ansicht von Mobilität ist die nicht frei gewählte, sondern von politischen, ökonomischen und anderen Gründen aufgezwungene Migration, die ebenso zur gegenwärtigen Diskussion gehört. Im Zeitalter elektronischer Medien sind wir auch in anderer Hinsicht unterwegs, in Datennetzen und Simulationen, die dem Körper und dem Raum ihre Bedeutung nehmen, in einer entgrenzten Kommunikation, die uns überall und nirgends zu Hause sein lässt. Die Ausstellung handelt aber nicht von der Beschleunigung und Auflösung in eine virtuelle entkörperlichte Mobilität, nicht von digitaler, sondern von analoger Bewegung, von physischer Erfahrung, auf dem Weg und am Ort zu sein. Sie stellt auch nicht sozialkritische Fragen zur Migration in den Mittelpunkt und umfasst doch Werke, die zeigen, dass der Künstler, heute selbst ein überall in der Welt arbeitender Nomade, Teil und Prototyp einer Gesellschaft ist, die das Instabile, das Dazwischen, den Übergang als Realität angenommen hat und zugleich als Entfremdung und als kulturelle Entwurzelung erleidet.

Die Kunst der Gegenwart hat für die Erfahrungen zwischen Bewegen und Verharren, Weg und Ziel vielfältige Bilder gefunden. Sie umschließen die grundsätzliche Thematisierung des Gehens, im Atelier, in der Stadt, in der Landschaft, bis zur äußersten physischen Grenze. Sie formulieren die Macht sozialer Deformation und politischer Gewalt, entwerfen aber auch utopische Visionen der Veränderung. Sie zeigen vom Leben besetzte Objekte und Räume, Türen, Betten, mobile Orte des Wohnens, Zeichen der Ankunft, Erwartung und Passage, die vom schwankenden Sinn des Gehens wie des Bleibens sprechen.

Es erscheint ein Katalog mit Abbildungen der ausgestellten Werke und Texten der beteiligten Künstler und Künstlerinnen: Marina Abramović/Ulay, Absalon, Pilar Albarracín, Helena Almeida, Darren Almond, Ulf Aminde, Janine Antoni, Samuel Beckett, Joseph Beuys, David Claerbout, Willie Doherty, Olafur Eliasson, Hamish Fulton, Regina Josè Galindo, Mona Hatoum, William Kentridge, Krištof Kintera, Sigalit Landau, Richard Long, Kris Martin, Bruce Nauman, Astrid Nippoldt, Julia Oschatz, Tony Oursler, Paul Ramírez Jonas, Pipilotti Rist, Michal Rovner, Seifollah Samadian, Kimsooja, Nancy Spero, Jan Verbeek, Bill Viola, Kateřina Vincourová, Franz Erhard Walther, Rachel Whiteread, Andrea Zittel.

Kurator: Dr. Volker Adolphs

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GEHEN BLEIBEN
Bewegung, Körper, Ort in der Kunst der Gegenwart
Kurator: Volker Adolphs

mit Marina Abramovic / Ulay , Absalon , Pilar Albarracin, Helena Almeida, Darren Almond, Ulf Aminde, Janine Antoni, Samuel Beckett, Joseph Beuys, David Claerbout, Willie Doherty, Olafur Eliasson, Hamish Fulton, Regina Jose Galindo, Mona Hatoum, William Kentridge, Kristof Kintera, Sigalit Landau, Richard Long, Kris Martin, Bruce Nauman, Astrid Nippoldt, Julia Oschatz, Tony Oursler, Paul Ramirez-Jonas, Pipilotti Rist, Michal Rovner, Seifollah Samadian, Kim Sooja, Nancy Spero, Jan Verbeek, Bill Viola, Katerina Vincourova, Franz Erhard Walther, Rachel Whiteread, Andrea Zittel