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Das Künstlerpaar Beate Geissler und Oliver Sann beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Verhältnis von Gewalt und Machtverhältnissen und der Simulation von Wirklichkeit. Sie haben sich intensiv mit Simulationstechniken von Computerspielen, der Schaffung von Avataren sowie der Überformung von Landschaften als Gefechtsgebiete beschäftigt. Seit geraumer Zeit haben sie ihre Studien auf die „Übung für den Ernstfall“ ausgeweitet und untersuchen militärische Manöver und simulierte Gefechte. Bei ihren offiziellen Besuchen in Manövergebieten Europas brachten sie Leopard-Panzer zum Tanzen und beobachteten das Verhalten von Soldaten in der Zeit zwischen den Schießübungen. Für die Ausstellung in der NGBK werden Geissler & Sann ein neues Projekt konzipieren, das auf die Räumlichkeit der NGBK zugeschnitten ist. Daneben werden auch weitere Arbeiten zum gleichen Thema zu sehen sein.

Beate Geissler und Oliver Sann thematisieren in einer komplexen Ausstellung die gegenwärtige Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Gezeigt wird eine neue, eigens für diese Ausstellung konzipierte Installation, die mit Arbeiten aus drei früheren Werkkomplexen kombiniert wird.

 „Volatile Smile“ – das Flüchtige, Unbeständige, das Unberechenbare, gar Explosive eines Lächelns beschreibend – ist auch eine pointierte Abwandlung eines Ausdrucks aus der Finanzwelt, des „Volatility Smile“. Es handelt sich dabei um die aus verschiedenen Berechnungen zu Kursschwankungen resultierende Gesamteinschätzung des Marktpreises einer Option oder eines Derivates an der Börse, die sich als nach oben offener Halbkreis einer Kurve abbilden lässt. In all ihrer Unberechenbarkeit und den mittlerweile extrem verfeinerten Versuchen diese Kurve zu überwinden kann sie als „Grinsen“ interpretiert werden.

„Volatile Smile“, 2011:  Für die Ausstellung haben sich Geissler und Sann mit dem Territorium der Handels- und Finanzwirtschaft befasst. Sie untersuchten verschiedene Trading Companies in Chicago, dokumentierten fotografisch Arbeitssituationen und führten umfangreiche Interviews mit Tradern, Programmierern und Wirtschaftsfachleuten durch. Diese Recherche über die in ihrer Schroffheit und Massivität imponierenden wie beängstigenden Schau- und Spielplätze alltäglicher Geldbewegungen mündete in eine eindrucksvolle Installation.

Das Geflimmer der sich ständig verändernden Zahlenkolonnen, die gleichzeitig über die Screens laufen und die Märkte der Welt wie auch die Rohstoffbörsen der Kontinente parallelisieren, sowie die sie auslösenden Milliarden von Rechenoperationen, die den automatisierten Handel nach nur Insidern vertrauten Algorithmen steuern, sind verloschen, sie bleiben unsichtbar. Charts, Churns und Clearing House sind abgeschaltet. Dieser Moment ist der eigentliche dystopische Augenblick für den Trader.

„the real estate“, 2008: Beate Geissler und Oliver Sann sahen sich bei ihrem Umzug nach Chicago mit dem kollabierenden Wohnungs- und Häusermarkt konfrontiert. Der seinerzeit als „Immobilienkrise“ bezeichnete Absturz des internationalen Handels mit Derivaten des Immobilenmarktes befand sich 2008 auf seinem Höhepunkt. Geissler und Sann begannen im selben Jahr damit, eine umfangreiche fotografische Serie zu erarbeiten, die Innenräume der zur Zwangsversteigerung stehenden Häuser in Chicago zeigt. Die präzise fotografierten Räume entwohnter Privathäuser können als Visualisierungen konkreter Auswirkungen der Krise und als Rückkopplung aus der Virtualität der Rechentransaktionen großer Finanz- und Wirtschaftsunternehmen in die Wirklichkeit gelesen werden.

„Rhinocerus, Nürnberg“, 2004: Die Fotografie eines Panzernashorns aus dem Nürnberger Zoo scheint auf den ersten Blick aus der Konstellation der anderen Installationskomponenten herauszufallen. Aber verweist die monumentale Ansicht eines archaischen Tieres nicht auf eine viel größere Geschichte, in der selbst der Börsen-Crash letztendlich nur Ereignis ist?

Seit längerer Zeit thematisieren Geissler und Sann in ihren Arbeiten die Simulation von Wirklichkeit im Zusammenhang von Gewaltausübung und Machtstrukturen, sei es im Computer- oder im Kinderspiel, im Musikvideo oder beim militärischen Manöver.

Die Fotografie „SY-MAN, 98“, 2001, ist ein Porträt aus der Serie „shooter“, das den Teilnehmer einer LAN-Party zeigt, abgelichtet im Moment des Tötens im virtuellen Raum eines Ego-Shooter-Games. Sein Gesichtsausdruck zeigt ein etwas angespanntes, gleichwohl aufgeregtes, aber dennoch uneindeutiges Lächeln.

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Beate Geissler / Oliver Sann
volatile smile - Ein uneinschätzbares Lächeln
RealismusStudio