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Krisen evozieren Gewalt. Aber nicht nur Naturkatastrophen und schwere soziale Konflikte führen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Gewalt ist in jeder Gesellschaft latent vorhanden und kann durch wachsende soziale Ungleichheit geschürt werden. Finanzspekulation, Rückbau des Sozialstaates und prekäre Lebensverhältnisse lassen die Krise in weiten Teilen der Gesellschaft dauerhaft werden und erzeugen für kommende Generationen einen beispiellosen sozialen Sprengstoff. Aber nicht nur soziale Prozesse spielen in dieser Ausstellung eine Rolle. Die Exponate behandeln ein Phänomen, das mit dem Wesen des Menschen prinzipiell, seine Verletzbarkeit und seine Fähigkeit zu Leiden, aber auch mit seiner Aggression und seinem Zerstörungstrieb in Verbindung steht.

Visualisierungen von Gewalt erschrecken, beunruhigen und faszinieren zugleich – was nicht nur für dokumentarische Aufnahmen sondern auch für Kunstwerke über Gewalt gilt. Der Betrachter wird von diesen Bildern sowohl angezogen als auch abgestoßen. Aufgrund dieser ästhetisch reizvollen Ambivalenz ist Gewalt schon seit Jahrhunderten ein wichtiges Thema der bildenden Kunst. Ein häufig gemachter Fehlschluss besteht darin, die Repräsentation von Gewalt mit der Bejahung von Gewalt durch die Bildproduzenten gleichzusetzen. Häufig ist es genau das gegenteilige Interesse, das Künstler motiviert, Gewalt bildnerisch in Szene zu setzen. Bisweilen ist es gerade das Entsetzen gegenüber gewalttätigen Vorgängen in der Gesellschaft, das die Künstler dazu veranlasst, Gewalt mit künstlerischen Mitteln zu thematisieren. Meist sind es nur Nuancen, die verdeutlichen, dass es sich um keine Verherrlichung von Gewalt sondern um eine kritische Beschäftigung mit diesem Phänomen handelt. Reine Gewaltdarstellungen ohne bestimmte inhaltliche Konnotationen und ohne symbolische Ebene, wie wir sie von bestimmten Spielfilmen oder Computergames kennen, laufen dagegen Gefahr, als Vergnügen an Brutalität gesehen zu werden.

Anders die Künstler der Ausstellung Gewalt, sie registrieren gewalttätiges Verhalten und Gewaltverhältnisse an den unterschiedlichsten Schauplätzen und gesellschaftlichen Feldern. Sie zeigen auf, wie Gewalt entsteht. Sie reagieren auf medial oder unmittelbar erlebte Gewalt und aggressives Auftreten mit ihren spezifischen bildnerischen Mitteln. Sie thematisieren die Werkzeuge der Gewalt, das Arsenal der Waffen. Sie lassen Gewaltausbrüche zur visuellen Analyse noch einmal stattfinden und thematisieren die Sublimierung von Gewalt in Jugend- und Subkulturen. Sie setzen sich mit der Gewalttätigkeit im Akt des filmischen oder fotografischen Bildermachens auseinander. Oder sie schlüpfen für die künstlerische Arbeit selbst in die Rolle des Opfers von Gewalt – ein Selbstversuch, der sowohl für den Betrachter als auch den Künstler/Akteur als schmerzhafte Erfahrung erlebbar wird.

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Gewalt
Kurator: Justin Hoffmann

Künstler: Dennis Graef, Anna Jermolaewa, Mark Lewis, Anna McCarthy, Alex McQuilkin, Jeremy Shaw