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Das Kunstmuseum Bern ist das älteste Museum der Schweiz mit einer permanenten Sammlung. In diesem Herbst können 166 Meisterwerke aus dem Bestand dieses Hauses in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München gezeigt werden. Ausgewählt wurden Gemälde, Papierarbeiten und Skulpturen von 62 Schweizer Künstlern. Die Auswahl repräsentiert also nicht nur die Sammlung des Kunstmuseums, sondern spiegelt auch die Entwicklung der Kunst unseres Nachbarlandes.

Lässt sich mit einem Blick über die Jahrhunderte etwas spezifisch Schweizerisches feststellen? Können bestimmte Sujets oder Formensprachen für ein Land aus der Summe seiner Kunstwerke herausgefiltert werden? Wie definiert man eine nationale, eine Schweizer Kunst? Sind es Werke von Künstlern, die in Schweizer Kantonen geboren wurden, auch wenn sie an ganz anderen Orten lebten und außerhalb ihrer Heimat Ruhm erwarben? Müssten nicht auch solche Arbeiten gezeigt werden, deren Schöpfer in der Schweiz wirkten und dort Schule machten, selbst wenn sie keinen eidgenössischen Pass erhielten? Die Ausstellung stellt sich bewusst diesen Fragen und erlaubt jedem Besucher, anhand einer Vielzahl von Meisterwerken einen neuen Blick auf die »Schweizer Kunst« zu werfen.

Die Ausstellung beginnt mit einer Altartafel aus dem Jahr 1505, kurz nachdem die Eidgenossenschaft als vom Heiligen Römischen Reich unabhängig anerkannt wurde. Porträts aus dem 16. bis 18. Jahrhundert (darunter von Joseph Heintz d. Ä. und Jean Étienne Liotard) zeigen, wie stark der Protestantismus die Bildkunst der Alpenrepublik beeinflusste. Majestätische Bergpanoramen (Caspar Wolf bis Alexandre Calame) reflektieren die Idee eines Nationalstaats, wie ihn Schillers »Wilhelm Tell« (1804) verklärt und wie er seit 1848 auch völkerrechtlich anerkannt wurde.

Künstlerräume von Albert Anker und Karl Stauffer-Bern über Giovanni Segantini und Arnold Böcklin bis zu Ferdinand Hodler und Félix Vallotton verdeutlichen eine unabhängige künstlerische Entwicklung, die auch außerhalb der Kantonsgrenzen an Bedeutung gewinnt. Von Hodler allein sind 13 Gemälde zu sehen, darunter seine symbolistischen Hauptwerke Der Tag und Die Nacht sowie Der Auserwählte und Eurythmie. Schon diese außergewöhnliche Hodler-Präsentation lohnt einen Ausstellungsbesuch.

Mit der Familie Giacometti – den Vettern Augusto und Giovanni (dem Vater Albertos) – und Cuno Amiet wird die Schweizer Auseinandersetzung mit dem Neoimpressionismus verdeutlicht. Louis-René Moilliet und Johannes Itten vertreten als Mitglieder des Blauen Reiter beziehungsweise des Bauhauses weitere künstlerische Entwicklungslinien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Ersten Weltkrieg findet Ernst Ludwig Kirchner in Davos die Ruhe, seine zweite Karriere aufzubauen. Mit seinem Spätstil prägt er die Schweizer Kunst.

Mitte der 1920er Jahre begründet der Kreis um André Breton in Paris eine neue Geisteshaltung. Der Surrealismus öffnet der Kunst die Welt des Unterbewussten und gibt Außenseitern wie Adolf Wölfli eine Plattform. Berühmtester Bildhauer des Surrealismus wird der junge Schweizer Alberto Giacometti, der nach der Krise des Zweiten Weltkriegs jedoch eine unabhängige Entwicklung einschlägt. Ebenso ein Einzelgänger ist Paul Klee, der mit 16 Arbeiten in dieser Ausstellung vertreten ist, was die besondere Bedeutung dieses in Bern geborenen Künstlers in seiner Heimatstadt hervorhebt.

Werkgruppen von Sophie Taeuber-Arp und Meret Oppenheim zeigen, welch wichtige Rolle in der Schweizer Kunst auch Frauen spielen. Eine Tradition, auf die die international gefeierte Pipilotti Rist aufbaut.

Parallel zu den gegenständlichen Versuchen, die Kunst zu erneuern, entwickeln sich ab 1910 auch überall abstrakte Avantgarden, wie die Konstruktivisten in der Sowjetunion oder De Stijl in Holland. Ziel der Konkreten Kunst ist es, den Bildinhalt vom rein Gegenständlichen, Erzählerischen zu befreien und in eine Darstellung von Struktur zu überführen. Hier zeigen sich die Schweizer Künstler wie Max Bill als Zeitgenossen einer Europäischen Moderne. Spätestens jetzt kann man nicht mehr von einer Schweizer Kunst sprechen, sondern von einer internationalen Moderne.

»… [es scheint] fast, die Schweiz wäre von Gott für die Moderne vorbestimmt gewesen. Das Saubere, Sachliche und Berechenbare – die gediegene Seite der Avantgarde – scheint in die Schweizer Mentalität eingeflösst seit der Erschaffung der Alpen.« Beat Wyss

Die Kehrseite dieser Schweizer Ordentlichkeit ist das Existentiell-Abgründige. Künstler wie Daniel Spoerri, Jean Tinguely und Dieter Roth verdeutlichen helvetische Doppelbödigkeit. Sie loten in der Nachfolge von DaDa im prozesshaften Erfahren von Wirklichkeit den Kunstbegriff aus und verwandeln Banales, ja Abstoßendes wie Müll oder Exkremente in Kunst. An internationalen Bewegungen wie Nouveau Réalisme, Eat Art, Fluxus und Happening sind so auch stets Schweizer beteiligt.

Parallel wird in den 1960er Jahren die Darstellung einer gegenständlichen Welt für viele Künstler wieder interessant. Sie bestimmen das Verhältnis von Fotografie und Malerei neu und auch hier zeigt sich mit Franz Gertsch der internationale Bezug zum amerikanischen Fotorealismus, der mit der Pop Art den Abstrakten Expressionismus ablöst.

Die Auswahl der Werke für diese Ausstellung wurde von Roger Diederen (Kurator der Kunsthalle), Matthias Frehner (Direktor des Kunstmuseums) und Christiane Lange (Direktorin der Kunsthalle) getroffen. Im Anschluss an die Präsentation in München zeigt das Kunstmuseum Bern im kommenden Frühjahr diese Zusammenstellung auch im eigenen Haus. Ab September 2011 wird die Schau dann in konzentrierter Form noch im Nasjonalmuseet for kunst, arkitektur og design in Oslo gezeigt.

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...Giacometti, Hodler, Klee...
Höhepunkte der Schweiz aus sieben Jahrhunderten
Kuratoren: Roger Diederen, Matthias Frehner, Christiane Lange

Künstler: Jean-Etienne Liotard, Giovanni Segantini, Arnold Böcklin, Ferdinand Hodler, Félix Vallotton, Cuno Amiet, Louis Moilliet, Johannes Itten, Ernst Ludwig Kirchner...

Stationen:
17.09.2010 - 09.01.2011 Hypo-Kunsthalle
01.04.2011 - 26.06.2011 Kunstmuseum Bern
ab 09.2011 National Museum of Art, Architecture and Design, Oslo