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Gianni Motti macht seine Ausstellung bei Johnen + Schöttle zu einem Monument für die 558 Gefangenen, die laut einer kürzlich veröffentlichten Liste sowie den Verhör-protokollen des amerikanischen Verteidigungsministeriums im Internierungslager von Guantanamo inhaftiert waren bzw. es noch sind. Derzeit sollen sich noch 490 Ge-fangene in Guantanamo befinden, 140 Personen seien bereits entlassen gewesen, bevor mit der Aufzeichnung der Verhöre begonnen worden sei. In welchem Verhält-nis die 558 Namen zu der Gesamtzahl der noch Inhaftierten und der angeblich Ent-lassenen stehen, bleibt in der Berichterstattung weiterhin unklar.

Aufgrund einer Klage der Nachrichtenagentur AP war das Pentagon von einem US-amerikanischen Bundesrichter dazu verpflichtet worden, die Protokolle zu ver-öffentlichen, ohne dass die Namen der Befragten geschwärzt sind, eine Praxis die die Behörde unter Berufung auf die Sicherheit der Angehörigen bisher bei der Ver-öffentlichung der Protokolle angewandt hatte.

In einer nüchternen Präsentation verleiht Gianni Motti diesen Namen nun eine eklatante Anschaulichkeit. Auf sechs Metalltafeln sind sämtlich 558 Namen in alphabetischer Ordnung eingraviert. Die anonyme Masse wird quantifiziert, die einzelne Person identifiziert.

Die Zuschreibung einer individuellen Identität ist erste Voraussetzung für die Aner-kennung – und damit für das Gewähren – universeller Menschenrechte, eine Be-handlung, die den Guantanamo-Gefangenen bisher von der US-Regierung verwehrt worden war. Allein die Existenz eines solchen Abhängigkeitsverhältnisses, basierend auf einem entsprechenden Machtgefälle, das die Gültigkeit eines Menschenrechts zur Frage eines willkürlichen Zugeständnisses macht, impliziert den Bruch mit ethischen Grundsätzen der westlichen Zivilisation.

Ohne dass den einzelnen Namen eine individuelle Geschichte zugeschrieben werden kann, macht ihre Präsenz doch deutlich, in welchem Umfang internationales Recht auf der einen Seite missachtet und bewusst gebrochen wird, dass dies andererseits aber von der Allgemeinheit auch wissentlich hingenommen wird. Zeitnah zum Medienereignis schafft er eine Gedenkstätte für Personen, die zwar am Leben sind, deren existenziellen Grundrechte aber dermaßen kategorisch in Frage gestellt werden, dass von humanem Dasein nicht die Rede sein kann.

Insofern widmet sich Gianni Motti in seiner Installation erneut der Aufdeckung moralischer Widersprüche innerhalb der globalen Gesellschaft, und zwar unter ge-schickter Nutzung zeitgenössischer Medienmechanismen und dem hierfür außer-ordentlich relevanten Aspekt der Aktualität.

Die Virulenz des Themas griff Gianni Motti dementsprechend bereits mit einer Performance im Jahr 2003 auf, als er 60 Araber mit verhüllten Köpfen und an Händen und Füssen gefesselt auf dem Boden sitzen ließ. Ferner gibt es die Guantanamo-Initiative, in der Gianni Motti zusammen mit Christoph Büchel einen begehbaren Container mit den Schecks des amerikanischen Finanzministeriums für die Nutzung des Guantanamo-Geländes auf Kuba bestückte, die jedoch von der kubanischen Regierung nie eingelöst wurden. Die inhärenten Paradoxien zeitgenössischer Medienwirklichkeit werden hier auf eine historische Ebene transponiert, die sie zu einem wesentlichen Kriterium für die Bedeutung ethischer Kategorien, ihre Beachtung und Anwendung werden lässt.

Pressetext

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Gianni Motti