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Eröffnung: Dienstag, 25. September 2012, 19 Uhr Begrüßung: Matthias Flügge, Guardini Galerie Grußworte: Prof. Aldo Venturelli, Italienisches Kulturinstitut Berlin Einführung: Klaudia Ruschkowski, Kuratorin Giuseppe Zigaina und Peter Kammerer im Dialog Öffnungszeiten: Di–Fr 14–19 Uhr

Die Guardini-Galerie zeigt vom 26. September bis zum 7. Dezember 2012 Zeichnungen und Mischtechniken von Giuseppe Zigaina und Pier Paolo Pasolini. Der Maler Zigaina und der Dichter Pasolini lernten sich 1946 anlässlich einer Ausstellung Zigainas im Friaul kennen, einer Landschaft, die Leben und Ausdruck beider geprägt hat. So, wie bei Pasolini alles im friulanischen Dialekt gründet und ihn transzendiert, um im Laufe der Jahre zu einer kinematographischen Schöpfung von universeller Bedeutung zu kommen, gilt gleiches für das Œuvre von Zigaina, der seine Motive einem „dialektalen“ Friaul entnimmt. Diese Motive haben sich im Laufe der Jahre zu bestimmten Themenkreisen gruppiert und zeigen sich in Form einer Welt, die ihren eigenen Gesetzen folgt: Landschaften als Anatomien – oder, umgekehrt, Anatomien (physische wie psychische) als Landschaften. Zigaina und Pasolini verband eine künstlerisch-existentielle Freundschaft, die Pasolini als „ontologisch“ beschrieb. Sie waren beide „anders“: Pasolini als Homosexueller, Zigaina wegen des Traumas, das er als Kind durch den Verlust des rechten Armes erlebt hat. „Zwischen seinem und meinem Anders-Sein kam es zu einer Art von Symbiose“, so Zigaina. „Wir brauchten keine Worte, um uns zu verstehen.“ Der junge Zigaina, der Maler, musste den geheimnisvollen Zusammenhang zwischen Hand und Hirn, zwischen der einen ihm verbliebenen Hand und den zwei Gehirnhälften begreifen und die unendlich vielen Zeichen seiner Welt neu ordnen, sie als Sprache neu strukturieren, auf der Fläche, im Raum des Bildes. Pasolini, der Dichter, ordnet die Unendlichkeit der Zeichen auf linguistisch-semiotischer Ebene, wobei er von Beginn an auf das ultimative Zeichen zielt, das „Zeichen für die Ewigkeit“, das sich für ihn durch die „Sprache der Handlung“ ausdrückt. Beide haben auf ihre Art kraftvolle Sprachen der lebendigen Zeichen entwickelt, Malerei und Dichtung in engstem Austausch, eines erst vollständig durch das andere. Zum graphisch-malerischen Werk Pasolinis bemerkt Zigaina: „Pasolini hat immer als Dichter gemalt … selten habe ich ihn traditionelle Ölfarben oder Tempera verwenden sehen… er experimentierte mit den seltsamsten malerischen Techniken, mit den seltsamsten Materialien, die er während des Malens vermengte … als Grün benutzte er ein krautiges Gras oder zerquetschte Trauben ... die Rosatöne erzeugte er mithilfe einer Pflanze, die man in der Lagune ‚Fiur di Tapo‘ nennt … um bestimmte Rotschattierungen herzustellen, verrührte er Weinessig und Kalk …“ Zur Malerei Zigainas schrieb Pasolini: „Das Delirium seiner graphischen und farblichen Inspiration ist eo ipso von Bedeutung, nicht nur in Verbindung mit dem praktischen Leben … niemand, der so malt wie er, lebt wie er, und niemand, der so lebt wie er, malt wie er … er malt mit einem Farbenprunk, der die beinahe psychotische Verzweiflung nicht auslöscht (wenigstens jene nicht, die wir jede Nacht erleben, wenn wir träumen).“ Der Ausstellung „Zwei Flüsse“ in der Guardini-Galerie ging die von Giuseppe Zigaina über den Jahreswechsel in Casarsa kuratierte Ausstellung „Das Überschreiten organisieren. Pier Paolo Pasolini – Urchrist oder moderner Gnostiker“ voran: Zigainas Dechiffrierung der „Überschreitung“ Pasolinis, ausgedrückt in dessen „Freiheit, den Tod zu wählen“, realisiert durch sein Martyrium am Strand von Ostia im Morgengrauen des 2. November 1975. „Zwei Flüsse“ schließt an Pasolinis Gedicht I Reca: Er und Zigaina zwei Ströme, die schließlich zu einem einzigen, dem Timavo, zusammenfließen.

Giuseppe Zigaina Geboren 1924 in Cervignano del Friuli. Maler und Essayist. Zwischen 1948 und 1982 mehrmalige Teilnahme an der Biennale von Venedig: 1950 Auszeichnung mit dem “Premio Fontanesi”, 1960 mit dem “Premio Ginori”, 1966 Einzelausstellung. Arbeiten in zahlreichen Museen und Sammlungen in Europa und Amerika. Mitarbeit bei Pasolinis Filmen “Teorema”, “Il Decameron” und “Medea”. Im Verlag Marsilio, Venedig, erschienen von ihm u.a. Pasolini e la morte (Pasolini und der Tod) 1987, Pasolini tra enigma e profezia (Pasolini zwischen Rätsel und Prophetie) 1990, Pasolini e l’abiura (Pasolini und die Abschwörung) 1993. Herausgeber der Zeichnungen Pasolinis in der Edition Scheiwiller, Mailand, und im Verlag Balance Rief, Basel. Zahlreiche Übersetzungen seiner Bücher und Essays.

Pier Paolo Pasolini Geboren 1922 in Bologna. Dichter, Filmregisseur, Publizist und Kritiker. Lebte in Casarsa (Friaul), wird 1949 wegen „moralischer und politischer Verkommenheit“ aus dem PCI (Kommunistische Partei Italiens) ausgeschlossen, verliert seine Stelle als Lehrer und zog 1950 nach Rom. Zu seinen wichtigsten Filmen gehören »Accattone – Wer nie sein Brot mit tränen aß« (1961), »Das 1. Evangelium – Matthäus« (1964), »Medea« (1969) und »Die 120 Tage von Sodom«; zu seinen bedeutendsten Büchern zählen der Roman »Ragazzi di vita« (1955), die »Freibeuterschriften« (1975) sowie »Petrolio« (postum 1992). Am 2. November 1975, in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen, wird er ermordet in Ostia aufgefunden.

Peter Kammerer Geboren 1938 in Offenburg, lebt seit 1962 in Italien. Soziologe, Autor und Übersetzer u.a. von Gramsci und Pasolini. Professor em. für Soziologie an der Universität von Urbino.

Klaudia Ruschkowski Geboren 1959 in Dortmund. Dramaturgin, Autorin, Übersetzerin und Kuratorin. Seit 1992 Konzeption und Leitung internationaler Kunst-, Kultur- und Theaterprojekte. Lebt in Volterra (PI) und Berlin.

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Giuseppe Zigaina / Pier Paolo Pasolini
Kuratoren: Giuseppe Zigaina
in Zusammenarbeit mit Klaudia Ruschkowski und Peter Kammerer