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1929 war das Jahr der Weltwirtschaftskrise. Die Weimarer Republik bekam die Rechnung für die labile Neuordnung ihrer Wirtschaft: Massenarbeitslosigkeit, sinkender Lebensstandard, politische Radikalisierung und Millionen Menschen in großer finanzieller Not. Erinnerungen an die bitteren Nachkriegsjahre wurden wach und die "Goldenen Zwanziger"– die Phase des Aufschwunges und der Konsolidierung – lagen nun in der Vergangenheit.

Die "Neue Frau", die bis dahin vor allem in Berlin das Gesellschaftsbild bestimmte und sich vergnügt über tradierte Vorstellungen hinwegsetzte, war ein Novum in der Geschichte. Frauen waren nun berufstätig und wollten sich in kurzen Kleidern mit weiten Taillen ungehindert bewegen können. Sie schienen selbstbestimmt zu leben und befreit zu sein von alten Zwängen und bürgerlichen Wertvorstellungen: die Emanzipation erreichte einen ersten, wenn auch kurzen Höhepunkt.

Aus heutiger Sicht stellt sich die Frau der späten Weimarer Republik um einiges konservativer dar, als die "Neue Frau" der frühen und mittleren Zwanziger Jahre. Auf den ersten Blick scheint sie sogar den pervertierten Frauenidealen der Nationalsozialisten nicht mehr besonders fern zu stehen. Allerdings greifen beide Erklärungsansätze zu kurz: die in Mode gekommene "Dame" war nicht bloß ein Signum für die gescheiterten Emanzipationsversuche des aus der Puste gekommenen "Girls", das sich ruhigere Zeiten wünschte. Sie war auch nicht zwingend die Vorstufe zur heimatverbundenen Mutter, die sich die Nazis als Musterbild auserkoren hatten. Die "Dame" der späten Zwanziger und frühen Dreißiger Jahre wurde vielmehr in den Filmstudios von Hollywood erschaffen und in den Pariser Haute Couture- Salons eingekleidet: sie war im wahrsten Sinne Trägerin einer Mode, die – und das muss betont werden – eine internationale und weltläufige war.

Vor allem das Aussehen und das Auftreten der Hollywood- und Ufa-Stars prägten das neue Weiblichkeitsbild der Zeit um 1930. Die Verbesserung der Filmtechnik veränderte auch die optische Wirkungsmöglichkeit der Darsteller; durch stärkere Konturen und Tiefenschärfe wirkten sie auf der Leinwand natürlicher und gleichzeitig ausdrucksvoller. Die mittels künstlicher Beleuchtung fein nuancierte Modellierung des Gesichtes – und damit seine Ästhetisierung – wurde beispielsweise von Joseph von Sternberg und seiner Entdeckung Marlene Dietrich immer weiter perfektioniert. Das Kino mit seinen Rekord - Besucherzahlen war zum absoluten Massenmedium geworden, man entfloh dem Alltag und träumte vielleicht selbst von einer Karriere beim Film. Der Einfluss der Schauspielerinnen auf den allgemeinen Zeitgeschmack war immens: kein anderer Bereich des gesellschaftlichen Lebens konnte dem Publikum so viele Identifikationsfiguren bieten.

Marlene Dietrich wurde in diesen Jahren zum Weltstar. Auf die Mode nahm sie ebenso großen Einfluss wie die bislang populärste Filmschauspielerin dieser Zeit, Greta Garbo. Deren verhaltene Mimik und Beherrschtheit, die ihr die Beinamen "Die Göttliche" und "Schwedische Sphinx" bescherten, aber auch die Art sich zu kleiden und zu schminken, wurden von Tausenden kopiert.

Neben Dietrich und Garbo waren in Deutschland Schauspielerinnen wie Lil Dagover, Lilian Harvey, Elisabeth Bergner oder Brigitte Helm bewunderte Vorbilder für Mode, Make-up und Habitus. Dem Bild dieser Frauen haben sich nicht nur die Fotografen der Filmstudios, sondern auch Künstler gewidmet. Ernesto de Fiori porträtierte Marlene Dietrich in einer lebensnahen Büste und Leo von König malte Lil Dagover ganz in der Pose einer glamourösen Filmdiva. Beide Werke können in der Ausstellung gezeigt werden.

Eine Malerin, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sein wird, ist Tamara de Lempicka. Ihre Bilder stehen formal und inhaltlich ganz im Zeichen des "Hollywood- Glamours". Die Konsequenz in der Umsetzung und der hohe ästhetische Reiz machen Lempickas Kunst zu etwas Singulärem in dieser Zeit. Generell befindet sich die bildende Kunst der späten Zwanziger und frühen Dreißiger Jahre in einer Phase des Stillstandes, die keine wirklich bedeutende Malerei oder Bildhauerei hervorzubringen schien. Natürlich entstehen auch jetzt Kunstwerke von Rang, die großen Innovationen werden aber nicht erreicht. Was in diesen Jahren für Architektur, Mode, Fotografie und Design gilt, dass diese nämlich auf formaler Ebene einen Gipfelpunkt erreicht und dem modernen, eleganten Zeitgeist Ausdruck verliehen haben, kann für die Kunst nur bedingt konstatiert werden. Tamara de Lempicka wagt als eine der wenigen aus dem Geist der Zeit heraus etwas Neues und stellt in ihren mondänen und unterkühlten Frauenporträts die "Dame" mit bis dahin für die Malerei unbekannten Stilmitteln dar.

"Die Dame" ist auch der Titel der deutschen Modezeitschrift, die auf die Pariser Künstlerin aufmerksam wurde und ihr die Möglichkeit bot, in der Zeit um 1930 mehrere ihrer Titelblätter zu gestalten. Die wie emailliert wirkenden Frauendarstellungen Lempickas trugen so auch in Deutschland zum neuen Verständnis von moderner Eleganz bei und haben das Bild der Frau als "Dame" mit geprägt. Auch die "Elegante Welt" gehörte neben anderen zu den großen Modezeitschriften, die sich durch hochwertige Aufmachung, qualitätvolle Beiträge und einer hohen Anzahl von Fotografien auszeichneten. Die Modefotografie dieser Zeit – als "Glamourfotografie" ein eigenständiger Begriff – setzte mit raffinierten Licht- und Schattenspielen ihre Modelle in Szene. In den Magazinen und der Werbung erreichte die Fotografie nun einen ähnlichen Stellenwert wie die Gebrauchsgrafik und erlebte damit ihren ersten Boom. Aber auch Modezeichnerinnen wie Anni Offterdinger, Jeanne Mammen oder Lieselotte Friedlaender arbeiteten auf höchstem Niveau für Modezeitschriften und brauchten den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Die Ausstellung wird eine ganze Reihe ihrer Originalzeichnungen präsentieren können.

Die Mode in den Jahren um 1930 war spektakulär: Fließende Stoffe und raffinierte Schnitte hoben die feminine Seite der Frau hervor; im Gegensatz zu den früheren Zwanziger Jahren waren die Kleider wieder länger und sehr körperbetont. Eleganz war das Leitwort und der neue Stil zeichnete sich durch zurückhaltenden Luxus sowie Raffinesse im Detail aus. Die Pariser Haute Couture, an der man sich weiterhin stark orientierte, war in dieser Zeit unter anderem von der griechischen Antike inspiriert, was sich in den klassischen und auf das Wesentliche reduzierten Entwürfen deutlich zeigte.

Natürlich verlangten diese hautengen Kreationen eine Trägerin, die ihren Körper sportlich geformt hatte: schlanke und geschmeidige Glieder waren die Voraussetzung für ihre optimale Wirkung. Schlank zu sein und Sport zu treiben drückte zu dieser Zeit ein allgemeingültiges Lebensgefühl aus, das Gesundheit, Beweglichkeit, Schönheit und Anmut ins Zentrum rückte.

So wird sich ein Ausstellungsbereich dem Thema Sport widmen. Erfolgreiche Sportlerinnen wurden wie zuvor bewundert und standen im Blickpunkt des gesellschaftlichen Interesses. In der späten Weimarer Republik erlangten dann insbesondere jene Frauen Popularität, die in den "eleganteren" Sportarten Tennis, Fechten, Segeln, Golf oder Bogenschießen glänzen konnten: Ideale wie Grazie und Konzentration lösten hier die Eigenschaften Mut oder Kraft ab. Selbst im Bereich des Sports ging es jetzt im Allgemeinen etwas "damenhafter" zu.

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Glamour! Das Girl wird feine Dame
Frauendarstellungen in der späten Weimarer Republik

mit Ernesto de Fiori, Leo von König, Tamara de Lempicka, Anni Offterdinger, Jeanne Mammen, Lieselotte Friedlaender, Christian Schad, Yva  ...