press release only in german

GONN MOSNY
15.07.2017 – 02.09.2017

Die Malerei im Werk von Gonn Mosny ist nicht gegenständlich und ist Ausdruck seiner Vorstellung von Metaphysik. Der 1930 in Hamburg gebo-rene Künstler gehört zu den letzten lebenden Schülern von Willi Baumeis-ter und lebt seit 2005 in Tirol. 1952 wurde er an der Kunstakademie Stutt-gart in die Baumeister-Klasse aufgenommen und studierte fortan intensiv bis zu dessen Tod 1955 seine Auffassung von Malerei. Zeitlebens beein-flusste Gonn Mosny Baumeisters spezielle Bildauffassung, die sich durch ein spirituelles Erleben gänzlich von einem Kunstwollen befreit und im Sinne des Zen-Buddhismus die Praxis der Malerei neu definiert. Baumeis-ter veröffentlichte diesbezüglich 1947 das Buch „Das Unbekannte in der Kunst“, in dem er auf die Verwandtschaft zwischen dem Unbekannten und den Naturkräften hinweist. Er ist der Meinung, dass das Schaffen eines Kunstwerks das Handlungsvermögen des Menschen übersteigt und Teil von Prozessen in der Natur ist. Auch Eugen Herrigels Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ aus dem Jahr 1948 ist bis heute ein maßgeb-licher Einfluss für seine Kunstauffassung geblieben.

Dank an die Familie Mosny für die Unterstützung der Ausstellung.
Karin Pernegger, Kuratorin, Kunstraum Innsbruck

LAUDATIO VON MARK GISBOURNE
ZUM WERK VON GONN MOSNY

Wenn ich dies als das Hier und Jetzt nehme, dann sind es beinahe dreißig Jahre, seit ich einen Aufsatz vorbereitet habe für ein Buch mit dem Titel GONN MOSNY Atmen und Malen (Kohlhammer Verlag, 1989). Es ist mir im Rückblick völlig klar, dass ich damals erst am Anfang einer lebenslan-gen Verbindung und engen Freundschaft stand und, im weiteren Sinne, am Beginn der Erfahrung eines sinnlichen Eintauchens in die Bilderwelten dieses Künstlers. Und ich gebrauche das Wort Eintauchen mit Bedacht, nicht nur um einen bloßen geistigen Zustand der Beschäftigung anzudeu-ten, sondern eine viel bedeutungsvollere und affektivere Ebene von trans-formativer Immanenz. Denn das Immanente ist das, was unserer täglichen Existenz eingeschrieben und ihr inhärent ist, es ist, was uns nährt, und nicht etwas außerhalb unserer gelebten Erfahrung. Gonn Mosnys Bilder drehen sich deshalb nicht um eine vage Vorstellung von etwas, das au-ßerhalb unserer selbst liegt. Sie drehen sich nicht um Transzendenz, um etwas, das üblicherweise der informellen abstrakten Malerei zugespro-chen wurde (bei allem Respekt für Mark Rothko). Sie beschäftigen sich vielmehr mit sinnlichen Impulsen und kontrollierten Sinneswahrnehmun-gen, die sich auf das menschliche Innenleben beziehen. Im Fall von Gonn Mosny ist dies ein Leben expressiver gestischer Momente der Intensität, des kreativen Ausdrucks und gleichzeitiger Widerstände, von Auftrag und Löschung, Addition und Subtraktion, schlussendlich jedoch eine andau-ernde und dabei höchst persönliche Suche nach einer expressiven Spra-che, die ein Gefühl von kreativer Lösung erzeugt. Das ist der Grund, wa-rum Mosny in der Vergangenheit an vielen seiner Bilder manchmal jahre-lang arbeitete, bevor er damit zufrieden war und einen notwendigen Zu-stand der Re-Präsentation gefunden hatte.

Als Freunde trafen wir uns, ein englischer Kunsthistoriker und ein deut-scher Maler, auf neutralem Boden, in Gordes, in der Provence im Süden Frankreichs (Mont Ventoux, Region Luberon). Es waren die Mittachtziger und wir verstanden uns auf Anhieb. Was mich selbst betrifft, so arbeitete ich in jenen Jahren an meiner Dissertation am Courtauld Institute of Art, University of London, nachdem ich das religiöse Leben als Franziskaner-mönch im Jahr 1981 hinter mir gelassen hatte. Und vielleicht war Letzte-res der Grund, warum ich in der Folge so fasziniert war von Gonn Mosnys eigenem meditativem und höchst introspektivem Ansatz in der Malerei. Damals unterrichtete ich jeden Sommer an der Ecole des Arts in Lacoste, im nahen Luberon (dem Dorf des Marquis de Sade, mit seiner Schlossrui-ne und seinen weit zurückreichenden Bezügen zu den Surrealisten). Als Freund lernte ich seine Familie kennen, seine mittlerweile verstorbene Frau Barbara und seine Kinder Birte, Dierk und Kerstin und auch die Mut-ter des Künstlers, die in Hamburg lebte, dem Ort seiner Geburt (sie starb in ihren späten Neunzigern). Ich bin versucht anzunehmen, dass sie die genetische Quelle für seine eigene Stärke und aktive Langlebigkeit als kreativer Künstler war. Dazu kommen sein Hintergrund als Lithograf in Hamburg (der Ursprung einer gewissen Vorstellung von Grafismus und Farbe) und später sein Studium an der Stuttgarter Kunstakademie (von 1952 bis 1957) unter Willi Baumeister, der zweifellos Mosnys philosophi-sche Weltsicht geformt und in neue Bahnen gelenkt hat, sie geöffnet hat in Richtung eines meditativen und dabei strukturierteren Ansatzes. Mit sei-nem Buch Das Unbekannte in der Kunst (geschrieben 1943 bis 1944, erschienen 1947) und seiner Beteiligung an der Gründung der Künstler-gruppe Gegenstandslose, mit ihrer ersten Ausstellung ZEN 49 im Jahr 1950, verteidigte Baumeister neue Formen abstrakter Kunst nach dem Krieg (siehe auch die ersten Darmstädter Gespräche 1950). Mosny tauch-te ein in Baumeisters Praxis und seine Praktiken und war besonders an-getan von dem zeitgemäßen Interesse an und dem Fokus auf Zen-Meditation. Seit jener Zeit übte auch Eugen Herrigels Buch Zen in der Kunst des Bogenschießens großen Einfluss auf den Künstler aus, als In-spiration auf der Suche nach innerer Stille und kreativer Bereitschaft. Ein weiteres Mal möchte ich hier auch die Rolle der Phänomenologie und Wahrnehmung hervorheben, als grundlegende philosophische Ansätze der Fünfziger (von Husserl bis Merleau Ponty), deren Prämissen ein Ein-klammern der Welt (Epoche) und die Schaffung eines Zustands tiefer Int-rospektion waren.

„Und folglich meint er mit der „Kunst“ des Bogenschießens nicht die Fähigkeit des Sportlers, die kontrolliert werden kann, mehr o-der weniger, durch körperliche Übung, sondern eine Fähigkeit, de-ren Ursprung in spirituellen Übungen zu suchen ist und deren Zweck darin besteht, ein spirituelles Ziel zu treffen, sodass der Schütze im Grunde auf sich selbst zielt und es vielleicht sogar schafft, sich selbst zu treffen.“ (aus: Zen in der Kunst des Bogen-schießens (1953), Teil I)

Und das ist der Grund, warum Atmen und Malen im Fokus der Monografie aus dem Jahr 1989 standen und warum Atmen und Malen auch der Titel meines Aufsatzes ist. Die Rolle der Atmung und des Bei-sich-Seins be-steht darin, in einen meditativen Kontakt mit dem Inneren zu treten, im Sinne der sogenannten „spirituellen Übungen“. Durch Training wird daraus eine autonome interne und persönliche Sprache, etwas, das ich als Kunsthistoriker als Sprache des Zeichens zu betrachten geneigt bin … nicht als STIL im herkömmlichen kunsthistorischen Sinn, sondern als eine persönliche und autonome Sprache des Zeichenmachens, wie ein Voka-bular, wenn man so will, des Innenlebens. Und es ist auch diese Zei-chenmachsprache, die schließlich zu Mosnys Werkzeug der Selbstver-wirklichung werden sollte. Ich verwende das Wort Werkzeug hier in einem Wittgenstein’schen Sinn, denn „wie alles Metaphysische ist die Harmonie zwischen Gedanken und Realität in der Grammatik der Sprache zu fin-den“. Mosny hatte seine künstlerische Sprache gefunden. Und so sehr er versuchte, seine inneren Neigungen auszudrücken, so war sie und ist sie weiterhin von Widerstand gekennzeichnet, von Stadien der Akzeptanz und der Verweigerung. Um ein weiteres Mal mit den Worten von Zen in der Kunst des Bogenschießens zu sprechen …

„Um einige Ausdrücke zu verwenden, die dem Herzen der Meister am nächsten sind, ist es notwendig für den Bogenschützen, trotz seiner selbst zu einem unbewegten Zentrum zu werden. Dann tritt das höchste und ultimative Wunder ein: Kunst wird kunstlos, Schießen wird zu Nicht-Schießen, zu einem Schießen ohne Bogen und Pfeil; der Lehrer wird wieder zum Schüler, der Meister zum Anfänger, das Ende ein Anfang und der Anfang Perfektion.“ (aus: Zen in der Kunst des Bogenschießens (1953), Teil I)

Ob als Lektor oder Administrator (als Rektor der Fachhochschule für Ge-staltung in Pforzheim von 1971 bis 1977), oder aber im Laufe der unter-brochenen Arbeitsphasen als Vollzeitmaler, war der intellektuelle Fokus auf die innere Sprache der Malerei (Zielerfassung) zu allen Zeiten die zentrale Motivation seines kreativen Lebens. Und das ungeachtet der un-geheuren Menge von Designaufträgen im Rahmen von Architekturprojek-ten und Projekten für den öffentlichen Raum in den Jahren bis 1981, als er zu seiner Vollzeitbeschäftigung als Maler und Zeichner zurückkehrte. Vor diesem Hintergrund könnten wir die Arbeiten in der gegenwärtigen Aus-stellung als Summation der ständig sich entwickelnden Sprache von Gonn Mosnys täglicher Praxis betrachten. Sie repräsentiert sein Vokabular der Zeichen und der erworbenen intuitiven, aber nicht-kompositorischen Pro-zesse, die die Sprache seiner Kunst bilden. Es ist nicht-kompositorisch insofern, als die Oberfläche, fein gewobene Leinwand, an die Wand ge-heftet und zum Spielfeld des Künstlers wird. Und das ist ein charakteristi-scher Aspekt, da des Künstlers Gebrauch von präzisen Materialien (Port-rätleinen, Farben von Rowney, vorgegebene Zeichenutensilien etc.) mit der inneren Spontaneität kontrastiert, die sich in den Werken ausdrückt. Es ist, als müssten externe Ablenkungen beseitigt werden, um das ex-pressive Selbst im Inneren zu befreien. Nachdem die weißen Leinwände und die gesso-grundierten Oberflächen vorbereitet sind, machen wir uns auf zu einer Reise in die Auflösung von Wort und Bild, in Text als Bild, Bild als Text, und zur Frage nach den stets variablen Grenzen zwischen Bild, Ideogramm, Piktogramm, Zahl und expressivem Zeichen. Mosnys Interes-se an Schriftzeichen, Symbolen und Zahlen trat in den frühen Achtzigern stark in den Vordergrund, als er sich wieder voll und ganz der Malerei widmete. Es ist dieser Kontext, in dem „der sich entfaltende Tag“, wie ich es in jenen Tagen nannte, stattfindet, dieses Streben nach dem Loslassen und seiner Wahrnehmung, dieser Eintritt in das Dasein, das persönliche Dasein als innerer Prozess.

„Wenn du anfängst zu arbeiten, dann sind sie alle in deinem Ate-lier, die Vergangenheit, deine Freunde, Feinde, die Kunstwelt und vor allem deine eigenen Ideen. Sie sind alle da. Aber während zu weitermalst, beginnen sie wegzugehen, einer nach dem anderen, und du bleibst völlig allein zurück. Und dann, wenn du Glück hast, gehst sogar du.“ (John Cage)

Und während wir auf diese Bilder um uns blicken, gut dreißig Jahre später, nehmen wir teil an der ungewöhnlichen kreativen Reise, die hier vonstat-tengegangen ist. Ich sprach von Willi Baumeister und gerade eben habe ich John Cage zitiert. Beide sind wichtige Einflüsse für Mosny. Aber es gibt einen dritten, nämlich den amerikanischen Künstler Cy Twombly. Mosny gesteht seine künstlerische Schuld bei dem großen Zeichenma-cher offen ein, bei jemandem, der vielleicht maßgeblichen Einfluss hatte auf das, was wir heute hier sehen. Doch während ich diesen Einfluss sehe und anerkenne, fühle ich auch, dass Mosnys Bilder weniger von literari-schen Aspekten des Grafismus geprägt sind, oder dass sie nicht von den mythologischen Anspielungen des Amerikaners und seinem Sinn für das Narrative beeinflusst sind, sondern vielmehr von der künstlerischen poie-sis einer unmittelbaren Präsenz. Das Wort und Konzept poiesis entstammt Platons Symposium und meint „die Aktivität, in der eine Person etwas erschafft, das vorher nicht existiert hat“. Die Priesterin Diotima beschreibt, wie Sterbliche im Zusammenhang mit poiesis nach Unsterblichkeit stre-ben. Jedem Akt, der Schönheit erzeugt, wohnt eine Art von Schöpfung oder poiesis inne. Oder, um es in etwas jüngeren Begriffen, in den Worten von Martin Heidegger, zu fassen, ein „Hervorbringen“. Es ist ein Zustand des Übergangs, eine Schwelle, ein Moment potenzieller ecstasis (eine Entfernung an einen anderen Ort, ein veränderter Bewusstseinszustand), wenn ein Gegenstand seine bisherige Funktion aufgibt und zu einem an-deren Gegenstand wird. Wenn die gewöhnlichen Materialien der Kunst zur Natur der Kunst selbst werden. Dies ist der Ursprung der Poesie und da-her der Idee einer kreativen Sprache. Es ist, wie der römische Dichter Horaz formulierte: ut pictura poesis, was wörtlich übersetzt bedeutet: „wie ein Bild sei das Gedicht“.

Was ist nun Mosnys malerische Sprache?
Ein Zeichen, im Sinne einer offenen Expressivität, kann definiert werden als Gekritzel, Geschmiere, Fleck, Klecks etc., eigentlich als jede Markie-rung, die der deskriptiven Bildsprache dient, die benötigt wird, um dank ihrer visuellen Realisation als gelebte und wahrgenommene Erfahrung einen onomatopoetischen Zweck zu erfüllen. Sie repräsentiert die kreative Flugbahn des inneren kreativen Lebens des Künstlers. Und dies sind die vier Polaritäten, die Gonn Mosnys Bilder und Zeichnungen ausmachen: ein phänomenologischer Pfad der Introspektion, die Disziplin des Zen, die Vorahnung von Immanenz und ihre anschließende materielle Realisation von Präsenz. In seinem achtundachtzigsten Jahr ist er nach wie vor höchst produktiv und durchdrungen von der kreativen Leidenschaft, die ihn zeitlebens angetrieben hat. Wir sind Zeugen einer außergewöhnlichen Errungenschaft. Es bleibt uns nur, zutiefst dankbar dafür zu sein.

Mark Gisbourne
Kurator, Kunsthistoriker und Kunstkritiker

VERANSTALTUNGSHINWEIS

ERÖFFNUNG
FR 14.7. 19 Uhr Begrüßung Lothar Tirala, Vorsitzender des Kunstraum Innsbruck und GRin ao. Univ.-Prof.in Dr.in Patrizia Moser, Vorsitzende des städtischen Kulturausschusses Einführung Prof. Dr. Mark Gisbourne, International Curator, Art Histori-an and Critic (in engl. Sprache)

KÜNSTLERGESPRÄCH
FR 01.09. 19 Uhr zwischen Gonn Mosny und Karin Pernegger, Leiterin Kunstraum Innsbruck und Kuratorin der Ausstellung

RENT A MUSICIAN
SO 03.09. 18 Uhr Klangspuren Schwaz zu Gast im Kunstraum Innsbruck