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Grand Opening Reception ist ein Projekt der Kuratoren Elisa R. Linn und Lennart Wolff, das sich im Neuen Aachener Kunstverein der Eventisierung kultureller Produktion als Form lokaler Identitätsbildung widmet.

Das Projekt entsteht in Zusammenarbeit mit dem Kuwaiter Architekten und Künstler Aziz Al Qatami, der eine Ausstellungsarchitektur für die Präsentation künstlerischer Arbeiten von Renaud Jerez, Kaspar Müller, Peter Friedl, Cooper Jacoby, Carey Young, George Rippon, Christian von Borries, Dena Yago, Julien Ceccaldi und Stewart Uoo konzipieren wird.

Es gibt global 2,7 Millionen Kleinstädte, 3000 Großstädte und 455 Metropolen-Regionen. Mit der voranschreitenden weltweiten Urbanisierung und einer Vielzahl von geplanten neuen Städten ist abzusehen, dass die Anzahl und Bedeutung städtischer Zentren weiter anwachsen wird. Um sich im globalen Wettbewerb der Metropolen um Touristen, Unternehmen und Investitionen behaupten zu können, bekommen Vermarktungsstrategien eine immer größere Relevanz und transformieren Städte zu internationalen „Marken“.

Dieser Prozess des “City Branding” als postmoderne Form der Identitätsbildung steht in einer intensiven Wechselbeziehung mit der lokalen, kulturellen und vor allem künstlerischen Produktion. Dabei nimmt die Kunstinstitution eine für zukünftige Entwicklungen entscheidende Rolle ein, generiert sie doch kulturelle Diskurse, die über einen regionalen Rahmen hinausgehen und zur Formung der Identität einer Stadt in der Außenwahrnehmung beitragen.

Man denke zum Beispiel an den viel beschworenen Bilbao-Effekt, bei dem, Dank der Errichtung des spektakulären Guggenheimmuseums vom Stararchitekten Frank O. Gehry, die Stadt Bilbao wieder in das Licht der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt ist und damit auch positive Auswirkungen auf die Ökonomie vor Ort zur Folge hatte.

Neben jener extravaganten Museumsarchitektur sind auch kurzlebige Ereignisse zum Katalysator der Aufwertung und Gentrifzierung post-industrieller Städten geworden. Als identitätstiftender Prozess bildet diese Form der “Eventisierung” eine flüchtige Gemeinschaft mit minimaler Verpflichtung und bricht alltägliche Routinen durch einen kurzen, ästhetisch und emotional verdichteten Zeitraum auf.

Die Wahrnehmung eines Ortes wird durch diese intensiven Zusammenkünfte erheblich mitdefiniert, teils sogar in der globalen Medienpräsenz verzerrt.In einer Erlebnisgesellschaft, wo Dienstleistungen, Finanzinvestitonen und Konsum sich fortwährend verstricken, geraten auch immer stärker Kunstausstellung in den Kanon kommerzialisierter städtischer Kulturveranstaltungen und beeinflussen sowohl die Rahmenbedingungen als auch das Selbstverständnis einer Institution wie dem Kunstverein. Das Verlangen nach Unterhaltung wird längst nicht mehr nur auf Biennalen und Kunstmessen, sondern auch in regionalen Kunstinstitutionen zunehmend mit Ausstellungen gestillt, die die Wahrnehmung von Kunst in einen unvergesslichen Erlebnisvorgang umwandeln.

Lässt sich die Ausstellung als inszeniertes Erlebnis, das flüchtige Formen der Gruppenpraxis mit Amusement zu verbinden versucht, heute mit dem Selbstverständnis und Kulturauftrag der Kunstinstitution vereinbaren? Welche Widersprüchlichkeiten werden dadurch in die Kunstpräsentation in Ausstellungen inkorperiert?

Was für Auswirkungen hat die globale Orientierung der Kunstinstitution auf deren reale Verortung, wenn der lokale Kontext (auch hinsichtlich einer Verschiebung des Fokus auf international repräsentative Künstler) zugunsten einer weitreichenden medialen Repräsentation zunehmend in den Hintergrund rückt und nur das im Netz zirkulierende Bild bleibt?

Das Ausstellungsprojekt “The Grand Opening Reception” widmet sich diesen Fragen und versammelt im Neuen Aachener Kunstverein internationale künstlerische Positionen, die sich mit unterschiedlichen Ansätzen der eigenen Rolle des Künstlers und der institutionellen Ausstellungshäuser bei der heutigen Konstruktion urbaner Identität widmen und untersuchen, inwieweit Gemeinschaft eigentlich nur noch durch ihre Ästhetisierung und Kommerzialisierung erfahrbar ist.

Die mit dem Kuwaiter Architekten Aziz Al Qatami gemeinsam entwickelte Ausstellungsarchitektur bedient sich funktionaler sowie dekorativer Elemente, die einer allgegenwärtigen Veranstaltungsökonomie in Kultur, Politik und Wirtschaft entlehnt sind. Ein aus Stehtischen arrangiertes Display bietet den Rahmen für die teils spezifisch für das Display angefertigten Arbeiten der Künstler Renaud Jerez, Kaspar Müller, George Rippon, Julien Ceccaldi u.a. und wird zugleich zu einer vom Besucher nutzbaren Infrastruktur für ein gemeinschaftlich erfahrbares Event während der Eröffnung sowie der Ausstellungsdauer.

Die Künstler konfrontieren sich und ihre Arbeiten mit einer möglichen Instrumentalisierung durch Eventisierung und Architektur und antworten mit Gesten des Entziehens, der Ironisierung oder der Bemächtigung der existierenden Ausstellungsbedingungen.