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Hängung #11: Konstruktives Widersprechen. Der Titel der elften Ausstellung im KUNSTWERK - Sammlung Alison und Peter W. Klein wird beim ersten Hören oder Lesen irritieren. Was verbirgt sich hinter dem Titel, was ist damit gemeint? Vielleicht denkt man beim "Widersprechen" zuerst an den Widerspruch als kategorisches "Nein", das sich dem bisher Geäußerten entgegen stellt und keine weitere Debatte zulässt. Aber: Das Widersprechen kann auch eine Gegenrede sein, die einen fruchtbaren Dialog in Gang setzt. Im Hin und Her der Argumente klären sich die Dinge; im gegenseitigen Schlagabtausch geht man einer Sache auf den Grund. Die Werke und Werkgruppen aus der Sammlung Alison und Peter W. Klein, die für die Ausstellung ausgewählt wurden, führen künstlerische Auseinandersetzungen vor Augen, die aus dem Prinzip von Rede und Gegenrede Spannungsfelder entwickeln und diese auch für die Betrachter erfahrbar machen.

Kunsthistorisch geprägt ist die Vorstellung vom Individualstil eines Künstlers, der sich in einer besonderen, nur ihm allein zuzuschreibenden Ausprägung äußert und als solche wiedererkennbar ist. Man neigt dazu, Namen von Künstlerinnen und Künstlern mit durchgängig wiedererkennbaren künstlerischen Handschriften zu verbinden. Die Werke, die im ersten Abschnitt der Ausstellung vorgestellt werden, widersetzen sich der Vorstellung stilistischer Kohärenz. Gleich am Anfang der Ausstellung spiegeln zwei Werke von Chris Succo unterschiedliche Ergebnisse der Auseinandersetzung des Künstlers mit den von ihm gewählten Materialien und Verfahren. Die Gemälde von Franziska Holstein im ersten Geschoss des KUNSTWERKs reflektieren ihre Entwicklung im Spannungsfeld von gegenständlich-figürlichem und konstruktiv-abstraktem Arbeiten. Wandinstallationen mit Fadenzeichnungen, kleinformatige Tuschearbeiten und Werke größeren Formats markieren im Erscheinungsbild divergierende Eckpunkte des zeichnerischen Erkundungsraums von Carolin Jörg.

Tatsächlich als Gegenrede und sich dem politischen Rahmen künstlerischen Schaffens widersetzend, repräsentiert eine Reihe von Werken im zweiten Obergeschoss Positionen staatlich nicht konformer Kunst in der DDR und in der UdSSR. In der Ablehnung der von Partei und Staat vorgegebenen ideologischen und ästhetischen Richtlinien waren die Künstler in beiden Ländern von den offiziellen Wegen der Kunstförderung und Kunstvermittlung ausgeschlossen. Beispiele der nonkonformistischen Kunst in der DDR sind in der Ausstellung Gemälde von Michael Morgner, Hermann Glöckner und Max Uhlig, die in einer Reihe mit druckgrafischen Werken von Gerhard Altenbourg, Carlfriedrich Claus, Eberhard Göschel, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke und Claus Wei-densdorfer präsentiert werden. An der Wand gegenüber sind Werke wichtiger Vertreter der inoffiziellen Kunst in der UdSSR zu sehen. Die Arbeiten von Ivan Chuikov und Dimitrij Prigov verweisen dabei auf den "Moskauer Konzeptualismus". Leonid Sokov und Alexander Kosolapov gelten als wichtige Positionen der "Soz-Art".

Im obersten Geschoss eröffnet der junge, in Mühlacker lebende Künstler Manuel Knapp mit seiner Installation "Spacebox No. 1" das dritte Kapitel der Ausstellung "Spannungsfelder – mit Fäden gespannt". Mit schwarzen Fäden erzeugt er einen Raumkörper, der sich dem Lot des realen Raums widersetzt und die Wahrnehmung der Betrachter in ein Spannungsfeld zwischen Räumlichkeit und Scheinräumlichkeit bringt. Verschiebt sich bereits bei Manuel Knapp das scheinbar Widersprüchliche auf das Verhältnis von objektiver Gegebenheit und subjektiver Wahrnehmung, führen die Werke der aus Japan stammenden und in Berlin lebenden Künstlerin Chiharu Shiota sowie die Fotografien von Jyrki Paratainen aus Finnland in eine innere Welt, in der widerstreitende Kräfte in existenzieller und emotionaler Weise wirken. Eingrenzung, Bindung und Gebundenheit sind die großen menschlichen Themen, die diese Werke anklingen lassen.