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Hannah Perry. Rage Fluids
30.06.2018 - 26.08.2018
Eröffnung & Performance: 29.06.2018 18:00

In „Rage Fluids“ (Verflüssigungen von Zorn), ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung, setzt sich die britische Künstlerin Hannah Perry mit der Verarbeitung von Schmerz und Verlust, aber auch von Euphorie und Ekstase vor dem Hintergrund aktueller Formen der Kommunikation und tradierter Geschlechtervorstellungen auseinander. Perry zählt zu einer Generation junger Künstlerinnen und Künstler, deren Sozialisation mit den technologischen Entwicklungen und digitalen Medien sich in der künstlerischen Praxis niederschlägt. Ihre Arbeiten entstehen aus Bruchteilen unmittelbarer, selbst erlebter Ereignisse, registriert von der Kamera ihres iPhones oder festgehalten durch rasch eingetippte Texte. Die Künstlerin nutzt diese Aufzeichnungen als Rohmaterial, um sie mit eigenen Gedanken und Empfindungen im Spannungsfeld zwischen Begehren und Wut, sowie zwischen eigenen Bedürfnissen und als überholt empfundenen Konventionen weiter zu bearbeiten.

Für „Rage Fluids“ hat Perry einen umfangreichen Parcours aus eigens für die Ausstellung angefertigten Neuproduktionen entwickelt: In der zentralen Ausstellungshalle präsentiert sie eine raumgreifende, schwebende Installation, deren reflektierender Folienüberzug vom Bass der Lautsprecher in Vibration versetzt und so zum sound-mächtigen Gegenüber wird. Die Arbeit basiert auf einem technischen Verfahren, das Perry bereits 2014 in ihrer in der Abschlussausstellung an den Royal Academy Schools in London gezeigten Wandarbeit „Feeling it“ einsetzte und in der Folgezeit auf freistehende Skulpturen übertrug. Raumfüllend eingenommen wird auch die Apsis im Künstlerhaus: In einem dort gezeigten, von Perry jüngst fertiggestellten 360°-Film können die Betrachterinnen und Betrachter zwischen schwebende und fließende Körperteile unterschiedlicher Geschlechter eintauchen. Das Voiceover reflektiert die Veränderungen des Selbst nach einer traumatischen Erfahrung, die Reaktionen darauf – wie Trauer und Wut – sowie unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Satzteile und Wortfetzen aus dem 360°-Film finden sich in Perrys Druckarbeiten, gezeigt im Seitenraum der Ausstellungshalle, wieder. Auf den Aluminiumtafeln überlagern sich Siebdrucke mit Ausschnitten aus dem Bildarchiv der Künstlerin – etwa von aufgerissenen Mündern oder demolierten Fahrzeugen – mit schnell hingeworfenen Farbspuren, rasch aufgeklebte Folien wurden teilweise ruckartig wieder entfernt. In der für die Eröffnung der Ausstellung von Perry zusammen mit Tänzerinnen und Tänzern konzipierten Performance wird die Spannung von Anziehung und Abstoßung, von Subjekt und Masse, von Schockstarre und Zorn abermals aufgegriffen.

„Rage Fluids“ reflektiert persönliche Erfahrungen in unterschiedlichen Medien und setzt diese insbesondere zu klischeebehafteten Vorstellungen von Männlichkeit in Beziehung. Die Arbeiten tragen emotionale Reaktionen nicht nur in unterschiedlichen Intensitäten nach Außen, sondern erzeugen diese auch bei den Betrachterinnen und Betrachtern. Insbesondere die installativen Arbeiten in der Ausstellung greifen auf den Körper über, gehen mitunter über die Beeinflussung der sensorischen Wahrnehmung hinaus. Hannah Perry arbeitet sich ab an den alltäglichen Herausforder-ungen zwischen „echtem Leben“ und der Repräsentation von Eindrücken und Emotionen über die unterschiedlichen, nach Außen gerichteten Kanäle.

„Hannah Perry zählt zu den international interessantesten jungen künstlerischen Positionen, in deren Arbeiten sich persönliche Erinnerungen und Emotionen im Verhältnis zur gegenwärtigen Medialisierung des Privaten, wie sie vor allem in den digitalen Medien und den sozialen Netzwerken in Erscheinung tritt, niederschlagen. Ihre Auseinandersetzung mit den wunderschönen Räumlichkeiten des Grazer Künstlerhauses, mit der hängenden Soundinstallation in der Haupthalle und der Premiere ihres ersten 360°-Films in der Apsis sowie die inhaltlichen Komponenten ihrer Arbeiten fügen sich optimal in die Programmatik der Halle für Kunst & Medien ein“, gibt Jürgen Dehm, Kurator der Ausstellung, an.

Hannah Perry (*1984 Chester) lebt und arbeitet in London. Sie studierte in London am Goldsmiths College (BA 2009) und an den Royal Academy Schools (Abschluss 2014). Einzelausstellungen u.a.: “Viruses Worth Spreading”, Arsenal Contemporary, New York (2017); “100 Problems”, CFA, Berlin (2016); “Mercury Retrograde”, Seventeen, London (2015); “You’re gonna be great”, Jeanine Hofland, Amsterdam (2015); “Hannah Perry”, Zabludowicz Collection, London (2012). Group exhibitions i.a.: “I feel we think bad”, Arsenal Contemporary, Montreal (2016); “Private Settings: Art After the Internet”, MOMA Warsaw (2014); “New Order II”, Saatchi Gallery, London (2014); “Stedelijk at Trouw: Contemporary Art Club – DATA”, Stedelijk Museum, Amsterdam (2013). Performances u.a. in der Serpentine Gallery, London (2014); Barbican Gallery, London (2013); V22, London (2012).

Video- und Textbeiträge erscheinen während der Laufzeit der Ausstellung im KM–Online Journal: journal.km-k.at