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„Alle Arbeiten Harald Brauns“ – auch und vor allem die Zeichnungen, die in der Villa Merkel erstmals als einer der Schwerpunkte der Ausstellung in den Fokus rücken – „durchzieht die Denkfigur der „ungerichteten Assoziation“ als vitalistisches Prinzip. Diese wohnt auch der surrealistischen „écriture automatique“ inne. Mit den Mitteln von Grenzüberschreitung und Verunreinigung, Neukombination und Verschiebungen erfasst diese auch rational schwer zugängliche Bereiche. Der Künstler, das Medium und seine Arbeiten werden Teil einer sich unendlich generierenden Kette von permanenten semantischen Manifestationen und darauf immer wieder folgenden Auflösungen. Denken, Sprechen, Schreiben, Machen und Formen fallen als dynamische Prinzipien von Sein und – gerade hier – exemplarisch künstlerischer Selbstentäußerung in eins.“ (Rolf Bier im Katalog zur Ausstellung)

Am Anfang stand der Tabubruch. Als Harald Braun begann, dem Beton seiner Gewichtsplastiken ausgesuchte Stoffe und Fotografien einzuverleiben, mögen manchem herkömmlichen Bildhauer die Haare zu Berge gestanden sein. Dabei war das Konzept doch so übersichtlich, so stringent: Die Vorgabe bestand einzig im Gewicht des plastischen Gebildes; wurde es erreicht, so war die Vorgabe erfüllt. Bildhauerei auf den Punkt gebracht, der sie vor allen anderen Gattungen zuallererst auszeichnet: die Schwere des Materials. Das Formenrepertoire konnte durchaus den Direktiven der Minimal Art zur Ehre gereichen: einfache, überschaubare stereometrische Körper, die lediglich ab und zu durch eingelassene Griffe den puristischen Impetus verfehlten. Doch als schließlich Pförtnerdecken, Kleidungsstücke, Kunstfell und Fotografien aus dem groben Baumaterial und der gesetzten Form hervortraten, wurde unübersehbar, dass die Ästhetik der Konstruktion nicht aufging, dass sie niemals intendiert war, dass der geneigte Betrachter vielmehr einem falschen Augenschein verfallen war.

Seither hat Harald Braun seine Ars combinatoria in jeder Richtung vorangetrieben. Seit 1993 entwickelt er die in situ gehaltene Rede als eigenständige Kunstform. Ansichts- und Kunstpostkarten, Textilien, Zeichnungen, Diagramme, Fotos, Fernsehaufzeichnungen, Alltagsgegenstände: Was immer in den Gesichts- und Gedankenhorizont des Künstlers rückt, kann jetzt einer kurzweiligen und überraschenden Verknüpfung der Worte anheimfallen. Es ist schon prächtig, wie Braun von Boxerhandschuhen zu Geschmacksfragen, von diesen zum Renaissancekünstler Luca Cambiaso, von dort zum Kubismus und zu Balzac übergeht, um schließlich — im Sinne einer Rückführung zum Thema — dessen strohfarbene Glacehandschuhe in den Parcours der Rede einzuflechten. Aus solcher Kombinatorik entstehen fortan seine Großbilddrucke, die wiederum mit diversen Textilien interagieren. Zweifellos spielen dabei sowohl Geschmacksfragen als auch die Ikonographie der Stoffmuster eine entscheidende Rolle, wenn auch die Lesarten durchaus multivalent sind: Bilder ohne Worte, die zu halsbrecherischen intellektuellen Spekulationen Anlass geben können. Aus der Verbindung von Stoffen und Drucken gehen schließlich ganze Redenräume hervor. Jene zwieträchtige Eintracht, die bei den Betonikonen zu handfester Form geronnen ist, erscheint nunmehr aufgefaltet, um sich in architektonischen Dimensionen, auf den Ort abgestimmt und diesen zugleich unterlaufend, gleichsam zügellos die Bahn zu brechen.

Pressetext

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Harald Braun - Spolien, Zeichnung, Rübenfeld
Villa Merkel