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HERBERT BRANDL Koralm Killaz

Hinführung Über Herbert Brandl ist viel gesagt und geschrieben worden. Er war Teilnehmer der 20. Biennale von Sao Paulo, der Documenta IX in Kassel und hat Österreich bei der 52. Biennale von Venedig vertreten. Seine Einzelausstellungen im In- und Ausland sind Legion, ganz zu schweigen von den unzähligen Beteiligungen an Gruppenausstellungen. Robert Fleck, der immer wieder beklagt hat, dass es keine Theorie (mehr) zur zeitgenössischen Malerei gibt, hat in seinem aktuellen Buch, das einen ersten Versuch in diese Richtung darstellt, die Frage des französischen Philosophen Michel Onfray aufgegriffen, wer es schaffen würde, sich vom 20. Jahrhundert zu lösen und ein Künstler des 21. Jahrhunderts zu werden, und Herbert Brandl als „eine zentrale Position der Malerei“ in Stellung gebracht. In der Galerie Gölles präsentiert Herbert Brandl unter dem Titel „Koralm Killaz“ neben einigen älteren Blättern neue Gemälde und Monotypien, die, in für ihn ungewöhnlicher Weise, ein spezifisches Thema zum Inhalt zu haben scheinen. Herbert Brandl, der in der Koralm-Region aufgewachsen ist und für den die Wildnis der Schwarzen Sulm Kindheitserinnerung und künstlerische Inspiration zugleich ist, engagiert sich im Widerstand gegen diese Naturverbauungen und hat wie als Reflex Motive der Au und der Koralm in seinen neuen Werken aufgegriffen.

Ausführung Die Gemälde von Herbert Brandl sind auf den ersten Blick reine Farbe, bei der meist ein einziger Ton die Grundstimmung vorgibt und mit verwandten Klangfarben eine Harmonie bildet. Die spezifische Spannung im Bild entsteht durch den Widerstreit von Farbe und Licht, bei dem das Weiß der grundierten Leinwand durch die darüber liegenden Buntfarben leuchtet und sich in vielfältigen Korrelationen behauptet oder als eigene Farbe kontrastierend und erhellend eingesetzt wird. Obwohl es sich um reine Farbe in ausgewogenen Konstellationen und Konfrontationen handelt, imaginieren wir Sonnenstrahlen, die in den Gemälden der Ausstellung durch das Grün der Blätter leuchten und das fließende Gewässer in gleißende Kaskaden aus Licht verwandeln. Damit ist ein weiteres Charakteristikum von Brandls Malerei angesprochen: das Oszillieren zwischen Landschaft und Abstraktion. Dieses Hin- und Hergleiten zwischen zwei verschiedenen malerischen Realitäten ist nicht nur Intention, sondern liegt wohl auch wesentlich in der Malweise des Künstlers begründet. Brandls Arbeitsprozess ist stets unmittelbar, intuitiv, ohne feststehendes Konzept und rasch in der Ausführung. Es gibt die Idee eines Bildes, die aber durch die Dynamik des Malprozesses und das Erfahrungswissen des Künstlers im Akt der Ausführung selbst eine Verwandlung und Erweiterung erfährt. Auch die größten Leinwandformate werden in einer Sitzung ohne Vorzeichnung direkt auf die Leinwand gemalt. Erst zum Schluss wird das Bild entweder ins Ungegenständliche gewendet oder mit einer figuralen Ahnung versehen.

Weiterführung Zur Technik der Monotypie hat Herbert Brandl gefunden, weil er laut eigenen Aussagen immer ein Problem mit den hohen Auflagen von Druckgrafiken hatte und die Monotypie den Vorteil eines einmaligen Umdrucks von Platte auf Papier besaß. Bei der Monotypie wird gemeinhin eine Glasplatte bemalt oder bezeichnet und während die Farben noch feucht sind auf Papier abgedruckt. Sie ist als Technik ideal für die malerischen Intentionen des Künstlers, da sie ihm eine ähnlich dynamische Arbeitsweise wie in der Malerei erlaubt. „Es ist ein pulsierender Prozess zwischen dem Auftragen und dem Wegwischen von Farbe. Dabei entstehen Licht und Raum, Horizonte, Berge und Messer, landschaftliche Strukturen. Der prozessartige Farbauftrag in einem Flow basiert auf den Erfahrungen in der Malerei.“ Mittlerweile arbeitet Brandl mit einer speziellen Ölfarbe auf zwei Acrylplatten, die nach dem Druckprozess nicht mehr gereinigt werden, sondern die Darstellung des Vordrucks als Schatten in das nächste Bild mitziehen. Durch diesen Phantomdruck steht jedes Blatt gewissermaßen in einem direkten Bezug zum vorangegangenen. Doch gilt es nicht nur die Schatten der Vergangenheit mitzudenken, sondern auch den Umdruck an sich, bei dem die Darstellung seitenverkehrt wiedergegeben wird und die oberste Farbschicht auf der Platte die unterste auf dem Papier ist. Jedes Blatt ist somit eine komplexe Komposition aus Licht und Schatten, Spur und Erinnerung, Eindruck und Abdruck und somit Landschaft und Abstraktion.

Gedankenexperiment Da es angesichts der Fülle an Katalogen und Texten kaum mehr möglich ist in dieser kurzen Form etwas Neues zum Werk von Brandl zu schreiben, und auch angesichts der Tatsache, dass der Künstler in den zahlreichen Interviews selbst am profundesten Auskunft über sein Werk gegeben hat, soll hier ein Gedankenexperiment gewagt werden, um gewisse Aspekte seines Œuvres nochmals zu schärfen. Es soll zur Annäherung an Brandls Werk ein Philosoph herangezogen werden, den man niemals mit dem Maler in Verbindung bringen würde, noch dazu mit einer These, die im ersten Moment nicht weiter entfernt vom Schaffen des Künstlers ein könnte. Die Rede ist von Giorgio Agamben und seinen Überlegungen zum ersten Brief des Paulus. Agamben entwickelt ausgehend vom ersten Satz des Römerbriefes eine Kategorie des Messianischen, die in der paulinischen Formel des „Als-ob-nicht“ (hōs mē) wurzelt. „Was bleibt, ist, damit die Frauen Habende als ob nicht Habende seien und die Weinenden als ob nicht Weinende und die sich Freuenden als ob nicht Freuende und die Kaufenden als ob nicht Behaltende und die die Welt Nutzenden als ob nicht Nutzende. Es vergeht nämlich die Gestalt der Welt.“ Es ist die paulinische Formel des „Als-ob-nicht“, die einen Berg für Brandl niemals zu einem spezifischen Berg werden lässt, sondern immer nur als Idee, als Form eines Berges existieren lässt. Oder um den Künstler nochmals selbst zu Wort kommen zu lassen: „Es sind Bergbilder ohne Titel. Das heißt, mich interessiert nicht, wie der Berg benannt wird, sondern eher das Wesenhafte der Form des Berges.“ Die paulinische Figur des „Als ob nicht“ wird dabei nicht im Sinne einer Negation verstanden, sondern als Nicht-Identität, und in Bezug auf Brandls Malerei vielleicht als einer Rest-Identität oder Noch-Nicht-Identität. Und es ist diese Figur des „Als-ob-nicht“, die auch die einzige mögliche Verwendung des Mediums Fotografie für seine Malerei erklärt: er verwendet die Fotografie als ob er sie nicht verwenden würde, nämlich nur als mentales Bild der Erinnerung. In den Werken von Brandl erfährt die Zeit eine derartige Verdichtung, ist sie im „messianischen“ Sinne zusammengedrängt, und als innehaltender Betrachter kann man dieser Unmittelbarkeit gewahr werden und eine Ahnung vom unerschöpflichen Zusammenhang von Farbe und Erinnerung erfahren.

Roman Grabner, 2013 (gekürzter Katalogtext), Copyright Galerie Gölles

Eröffnung: Samstag, 28. September, 17:00 Zur Eröffnung spricht Roman Grabner, Universalmuseum Joanneum Graz. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

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HERBERT BRANDL
Koralm Killaz

Künstler:
Herbert Brandl

Kuratoren:
Roman Grabner