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In den späten 1960er Jahren war weithin bekannt, dass die New Yorker Kunstwelt ein aufregender Ort war. Neue Medien wie Performance und Video Art wurden entdeckt und die Plastik entwickelte sich rasant in verschiedenste Richtungen. Experimentelle abstrakte Malerei, die das Medium an seine Grenzen gebracht hatte, spielte zu diesem Zeitpunkt eine große Rolle. Mit dieser Ausstellung gelingt es, die damalige Lebhaftigkeit und Dringlichkeit einzufangen. Dies alles geschah vor dem Hintergrund einer turbulenten politischen Situation, in der die Künstler neue Rechte und geklärte Verhältnisse zu den Institutionen verlangten. Bürgerrechte, Studentenaktionen, Proteste gegen den Krieg und die beginnende Emanzipation führten zu Veränderungen in der gesamten Kunstwelt. Die Malerei ist normalerweise das eine Element, das aus diesem komplexen Erzählprozess herausfällt und an das man sich nur als eine regressive Folie für diverse neue Medien erinnert. Diese Version ist jedoch eine starke Vereinfachung der Situation und spielt die Malerei herunter, die, entsprechend der radikalen Ästhetik und Politik der Zeit, einen Platz unter den experimentellsten Arbeiten verdient hat.

Diese turbulente Periode wird mit High Times, Hard Times: New York Painting 1965–1975 eingefangen. Die Ausstellung bringt etwa fünfundvierzig Arbeiten von vierzig in New York lebenden und arbeitenden Künstlern zusammen. Sie teilt sich in verschiedene Arbeitsbereiche auf und beginnt mit einer üppigen "Flower-Power"-Abstraktion von ca. 1968. Diese Bilder verfügen über starke Farbgebung und wilde Expressivität. In den zentralen Abschnitten der Ausstellung verlässt die Malerei die Wand und greift über auf Installationen, Performancekunst und Video. Somit fließen auch neue Medien und der sich durch die Stadt bewegende Geist der Befreiung mit ein. Am Ende der Ausstellung werden diese Innovationen wieder in das konventionellere Malereimedium integriert. Wie das politische Erbe der "Sechziger" sind diese Experimente nie ganz verschwunden sondern beeinflussten weiterhin die Art und Weise, wie Künstler arbeiten und über das Malen reflektieren.

Unter den Künstlern dieser Ausstellung rangieren namhafte Vertreter wie Elizabeth Murray, Mel Bochner, Yayoi Kusama, Blinky Palermo und Richard Tuttle ebenso wie heute weniger bekannte Namen wie Dan Christensen, Harmony Hammond, Ree Morton und Alan Shields, die damals sehr bedeutend waren und starken Einfluss auf andere Künstler hatten. High Times, Hard Times erinnert an die aufregenden Neuerungen ebenso wie den sozialen Kontext der damaligen Zeit. Die Hälfte der eingebundenen Künstler sind Frauen und viele sind Afroamerikaner (Al Loving, Joe Overstreet, Howardena Pindell und Jack Whitten). Das ist kein Zufall, sondern essentiell für die Erfassung der Möglichkeiten dieser Zeit. (Und vielleicht auch ein Grund dafür, warum diese Malerei nicht in den Geschichtsbüchern erfasst ist. Nachfolgende Malerei-Revivals waren schließlich beinhart männlich. Joan Snyder äußerte sich folgendermaßen über das machistisch geprägte, plötzliche Neoexpressionismus-Revival der Malerei: "Das war nicht 'neo' für uns.") Ganz ähnlich bei Künstlern aus anderen Ländern, die eine Weile in New York lebten (Yayoi Kusama, Blinky Palermo, Cesar Paternosto): Sie wurden entweder damals nicht anerkannt, oder umgekehrt später aus der anerkannten Geschichte der Malerei ausgeschlossen.

Die erste Gruppe von Arbeiten in High Times, Hard Times aus den späten 1960er Jahren sind an der Wand aufgehängte, großformatige, rechteckig gespannte Leinwände (Konventionen, die in dieser Ausstellung provoziert und dann auf neue Weise präsentiert werden). Diese Arbeiten locken die euphorische und optimistische Stimmung hervor, die die Sechzigerjahre in so großem Ausmaß bestimmte. Die psychedelischen Farben der Arbeiten und ihre tripartig anmutenden visuellen Effekte (Dan Christensen, Ralph Humphrey, Ken Showell, Peter Young und Mary Corse) evozieren dieses Gefühl am deutlichsten.

In der zweiten Gruppe wird deutlich, dass hier Künstler das Medium Malerei richtiggehend zerlegen. Die Werke sind oft hauchdünn oder aus weichem, losem Stoff gefertigt (Richard Tuttle, Louise Fishman, Howardena Pindell, Mary Heilmann). Manche lösen sich vollkommen von der Wand und dringen in den Raum selbst vor (Al Loving, Lee Lozano), sitzen auf dem Boden (Lynda Benglis, Harmony Hammond) oder hängen von der Decke herab (Manny Farber, Alan Shields). In dieser wilden Anordnung von Strukturen und Formaten nimmt man sich mit dem Medium Malerei Freiheiten heraus, die eine Herausforderung für seine Geschichte darstellen und seine weitere Entfaltung in der Zukunft möglich machen. Die Energie der Künstler und ihrer Arbeiten kommt besonders gut zur Geltung, wenn die Arbeiten in der Ausstellung eng zusammen gehängt werden, wie dies ursprünglich der Fall war.

Die nun folgende Auswahl an Arbeiten konzentriert sich besonders auf Installation und Performance und dehnt so die elastische Definition des Mediums Malerei noch weiter aus. Künstler erforschen hier die Zwänge und Chancen neuer Medien wie Installations- und Performancekunst und nutzen gezielt ihre eigenen Körper sowie den Raum rund um ihre physischen Projekte, um den Betrachter in das Umfeld ihrer Arbeiten mit einzubeziehen. Unter diesen Installationen befinden sich große Bodenarbeiten (Mel Bochner, Dorothea Rockburne), die sich von der Wand schälen und sich im Raum ausbreiten und in ihm aufleben. Die Performancearbeiten werden durch Fotografien oder Videoaufnahmen dokumentiert (Carolee Schneemann, Yayoi Kusama, Franz-Erhard Walther), und in manchen Fällen werden die Originalarbeiten entsprechend den Anweisungen des jeweiligen Künstlers nachgebildet. Hier werden die Grenzen der Malerei ausgelotet – diese Werke strahlen eine Intensität und Expansion aus, die sich aus dem Willen ergeben, das Wesen der Malerei grundlegend in Frage zu stellen.

Film und Video verfügten in den frühen Siebzigerjahren ebenfalls über eine starke Anziehungskraft und viele, wenn nicht sogar die meisten Avantgardekünstler, experimentierten mit diesen neuen Medien. Die vierte Gruppe von Arbeiten beinhaltet Werke, die diesen Trend widerspiegeln. Unter Einsatz unüblicher Techniken wie Sprayen, Irisierung oder visueller Interferenz wurden Oberflächen geschaffen, die Filmeffekte wie Geschwindigkeit, Geflimmer oder Verzerrung simulieren (Roy Colmer, Lawrence Stafford, Michael Venezia, Jack Whitten). Viele dieser Künstler arbeiteten auch direkt mit Film und Video und dieser Abschnitt enthält ebenfalls Arbeiten dieser Art (Roy Colmer, Lynda Benglis), die durch das von ihnen vermittelte Gefühl von Farbe und Bewegung in enger Verbindung mit den Gemälden stehen.

Es wäre wohl keine künstlerische Kultur imstande gewesen, der totalen Wahlfreiheit oder dem intensiven Infragestellen der frühen Siebzigerjahre unbegrenzt standzuhalten. Mitte der Siebzigerjahre waren die Künstler zu traditionelleren Formaten mit gespannten Leinwänden zurückgekehrt; allerdings ohne innovative Konzepte wie Dekonstruktion, Performance- und Videokunst gänzlich zurückzulassen. Einige der Arbeiten in diesem letzten Abschnitt lassen ganz offensichtlich eine gewisse Elegie erkennen (Joan Snyder): Sie stellen das Ende einer Periode der grenzenlosen Möglichkeiten dar. Andere Werke sind von kühnen Farbgebungen geprägt (Mary Heilmann), zelebrieren die physischen Eigenschaften von Farbe (Guy Goodwin, Elizabeth Murray, Ralph Humphrey) oder sogar das Konzept des Bildes an sich (Pat Steir). Das Ende der Ausstellung repräsentiert zwar eine "Rückkehr" zur Malerei, spiegelt aber gleichzeitig die durch die vorhergehende Experimentierfreude gemachten Entdeckungen wider, sowie den gewaltigen Öffnungsprozess, den die Malerei in den Siebzigerjahren durchlief.

High Times, Hard Times entdeckt ein verschollenes Stück Geschichte neu und schafft gleichzeitig einen breiten, aber detaillierten Kontext für die monographischen Abrisse, die gegenwärtig in den wichtigsten amerikanischen Museen zu sehen sind oder sich in Vorbereitung befinden, und die Künstler wie Lee Lozano, Manny Farber, Joan Snyder, Elizabeth Murray, Mary Heilmann und Richard Tuttle präsentieren. Die Ausstellung spricht auch Probleme der Gegenwart an: Die Frage, die sich Al Loving und Richard Tuttle anno 1968 stellten – Wie kann Malerei in einer so turbulenten Welt eine Rolle spielen? – ist dieselbe, die auch heute zahlreiche junge Künstler beschäftigt. Die Werke in dieser Ausstellung verbinden so unsere Gegenwart mit einer reichhaltigen, faszinierenden Vergangenheit, die auch heute noch ihren Nachhall findet.

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High Times, Hard Times: New York Painting 1967-1975

High Times, Hard Times: New York Painting 1967-1975 is a traveling exhibition organized and circulated by iCI (Independent Curators International). The guest curator is Katy Siegel, with David Reed as advisor. The exhibition, tour, and catalogue are made possible, in part, with support from the Peter Norton Family Foundation, the Dedalus Foundation, Inc., the iCI International Associates, and the iCI Exhibition Partners, Kenneth S. Kuchin, and Gerrit and Sydie Lansing.