press release only in german

Der zweite Teil der Ausstellung "in flagranti" konfrontiert die künstlerischen Positionen von Marc Lüders ("Fotopicturen"), Wim Bosch (digitale Fotografie)und Doris Frohnapfel (Fotoprojektion).

Mit Marc Lüders wird ein Künstler gezeigt, der malerische Techniken unmittelbar in das fotografische Bild einbringt, um experimentell eine Verschmelzung herbeizuführen. Sobald die Divergenz der Darstellungsebenen wahrgenommen wird, stellt sich auch die Verschiebung in der Wertigkeit des Bildes dar. In den Randzonen jenseits der Stadt stehen sie und warten: einzelne Männer und Frauen im Niemandsland von Brach- und Wiesengelände, vor menschenleeren Spielplätzen, Baustellen, fernen Fabrikanlagen und auf einsamer Landstraße. Mit verschränkten Armen oder den Händen in den Hosentaschen, mit akkuratem Schlips oder salopp über den Schultern drapiertem Pullover, den Blick auf nichts Bestimmtes gerichtet, treten diese Alltagsgestalten unauffällig und zugleich störend in Erscheinung. Seltsam teilnahmslos und gedankenverloren, erwecken sie den Eindruck, in einer eigenen, unsichtbaren Sphäre eingesponnen zu sein. Sie sind tatsächlich „displaced persons“ - entortete Personen -, die aus einem anderen topografischen und temporalen Raum in die anonymen Umgebungen hinein versetzt wurden. Marc Lüders hat sie aus dem geschäftigen Businesszentrum der Großstadt in die Stille der suburbanen Peripherie transplantiert, wo sie als gemalte Figuren in photographisch fest gehaltenem Environment ausharren, eingefroren in einen dauerhaften Ruhezustand, aber immer auf dem Sprung, kurz bevor wieder Bewegung einsetzt.

Dabei sind die subtilen Einbrüche der Malerei in den Bildraum der Photographie oftmals erst bei genauerer Betrachtung überhaupt vom photographischen Abbild differenzierbar. Lüders arbeitet mit dem dialektischen Spannungsverhältnis, das sich aus den gegensätzlichen Eigenschaften speist, die den Disziplinen Malerei und Photographie zugeschrieben werden: subjektiver Ausdruck versus objektive Repräsentation, Erfindung versus „Dokument" von Realität und so weiter. An der Schwelle, wo sich die Divergenzen auflösen oder in ihr jeweiliges Gegenteil umschlagen, entfalten Lüders' „Photopicturen" ihre leise, subversive Dynamik.

Wim Bosch komponiert seine Bilder auf digitalem Wege aus verschiedenen selbst aufgenommenen Fotos und anderen Abbildungen z.B. aus Wohnmagazinen oder dem Internet. Wie in der malerischen Arbeit bildet die weiße, leere Fläche den Ausgangspunkt für die Illusion einer fotografisch wiedergegebenen Wirklichkeit aus in erster Linie selbstständigen Bildelementen. Zwar fügen sich die einzelnen Bestandteile in eine kohärente Ordnung. Doch durch die jeweiligen Blickwinkel, Licht- und Schattenwirkungen und Farbakzente entsteht eine Atmosphäre von Unwirklichkeit und Künstlichkeit, die durchaus fotorealistischen Wirkungen nahe kommt. Durch einige wenige Details – ein fehlender Schatten, perspektivische Brüche oder nicht ganz logische räumliche Bezüge – offenbart sich die Konstruiertheit des Bildzusammenhangs, der gleichwohl durch eine homogene Oberfläche, im Sinne einer „Außenhaut“ abgeschlossen und zusammen gehalten wird.

Wim Bosch konstruiert Interieurs, die durch ihr Mobiliar und die räumlichen Accessoires eher gewöhnlich und alltäglich wirken. Doch die im Raum verteilten Dinge, eine abseits oder durch die Bildgrenzen abrupt angeschnittene Gestalt vermitteln den Eindruck, hier habe gerade ein außergewöhnliches Ereignis stattgefunden. Wie an einem Tatort, scheint sich ein Geschehen zu verdichten, dem der Betrachter nun nachzuspüren sucht, ohne jedoch hinreichend Indizien hierzu auffinden zu können. Ein Handlungszusammenhang lässt sich gleichwohl kaum erstellen. Sichtbar wird eher ein strukturelles Ordnungsgefüge im Wechselspiel unterschiedlicher ornamentaler Strukturen, perspektivischer Situationen und bildhafter Analogien. Es geht folglich weniger darum, die Bildwelten mit einer äußeren Wirklichkeit zu verknüpfen, als vielmehr innerhalb des Bildes Bezüge und Gegensätze aufzudecken.

Die Diaprojektion von Doris Frohnapfel „Border Horizons“ besteht aus 295 Aufnahmen von Grenzarchitekturen und Grenzlandschaften, die die Fotografin aus einem Konvolut von über 5.000 ihrer Bilder ausgewählt hat. Über mehrere Jahre hinweg hat Doris Frohnapfel zwischenstaatliche Grenzen, meist EU-Außengrenzen und Schengengrenzen fotografiert. Die Bilder reichen von Istanbul und Ceuta als südlichste Orte bis hin zu Raja-Jooseppi, einer der nördlichsten Posten zwischen Finnland und Russland. Die Betrachter sind durch diese Bilder auch mit der Grenze der eigenen Wahrnehmung konfrontiert. Man wird auf einer bestimmten Distanz zur Grenze gehalten – auf jenem Sicherheitsabstand, den Frohnapfel selbst einnehmen musste, um nicht zu riskieren, die Grauzone des Verbotenen zu übertreten.

Pressetext

only in german

in flagranti II
Schnittstellen von Fotografie, Videokunst und Malerei

mit Marc Lüders, Wim Bosch, Doris Frohnapfel