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Impressionen aus dem Niemandsland Ina Webers Arbeiten kreisen um die Erfahrungswelt des Alltäglichen, um das vom Menschen erschaffene und gestaltete Umfeld, das die Künstlerin in Hinsicht auf seine formal-ästhetischen wie auch auf seine sozio-kulturellen Bedingungen befragt. Die Flüchtigkeit und Dynamik, den Irrwitz und die absonderliche Schönheit urbaner Stadtlandschaften nimmt sie wahr mit dem Auge des Flaneurs, des unentwegt Umherziehenden, mit einem dabei oftmals geradezu »automobilisierten« Blick.

In ihren Zeichnungen ebenso wie in ihren Skulpturen entzieht Ina Weber dem Betrachter objektivierbare Standorte und Blickpunkte. Indem sie die Topologie weitgehend ausblendet, relativiert und entkräftet sie vorschnell vorausgesetzte Perspektiven und Ortsvalenzen – seien sie physischer oder psychischer Natur.

Die Skulptur, die im Zentrum der aktuellen Ausstellung steht, erscheint zunächst wie das maßstäblich verkleinerte Modell einer realen Tankstelle aus den 50er Jahren. Scheinbar deplaziert, dabei überaus präsent, scheinbar verlassen, aber nicht entseelt, scheinbar altbacken und ruinös, strahlt sie dennoch eine zeitlose, fast weihevolle Hoheit aus. Die Tankstelle in all ihrer Banalität spricht auch von dem Abenteuer, das die unbegrenzte Mobilität einstmals verhieß, von Fortschrittsoptimismus und menschlicher Zivilisation inmitten bedrohlicher Einöde. Die surreale Stimmung und Erfahrungswelt des ziellos Drauflosfahrenden hat in diesem erfundenen Konstrukt aus denkbaren Tankstellen-Typologien scheinbar ihre Kultstätte und ihr Denkmal gefunden.

Ina Weber wählte dabei einen Maßstab, der den Betrachter zutiefst desorientiert. Das ebenerdig plazierte Objekt ist zu klein, um es wirklich zu betreten, andererseits zu groß, um nur als Entwurf für eine künftige, anspruchsvollere Ausführung begriffen zu werden. In seiner Unberührbarkeit und der gleichzeitigen Strenge und Überschaubarkeit seiner Einzelformen entfaltet es eine Monumentalität, die den metaphorischen Charakter des Modells nur umso deutlicher spüren läßt. Gleichwohl bringt die Künstlerin im Rahmen der überaus »realistischen« Ausstattung aller Gebäudeteile auch den Reiz und die konkrete Materialität der verwandten Werkstoffe zum Sprechen. Der Gedanke an Alice und Gulliver, das Oszillieren zwischen Traumbild und Abbild erhält vor allem hieraus seine Nahrung.

Die monumentale Wandarbeit »Splosh« lebt aus der irritierenden Interaktion von Form, Material und Motiv. Der populäre Klecks-Aufkleber, der jahrelang zur obligatorischen Deko-Ausstattung des gemeinen Autobesitzers zählte, wird hier zum Gegenstand eines wuchtigen Beton-Reliefs. Innerhalb des buchstäblich flächendeckenden Ensembles roher Gussplatten erhebt sich hier und da die poppig stilisierte Gestalt des Spritzers, zuweilen in nackter Steinoptik, zuweilen kunstvoll mit farbigen Mosaikfliesen überzogen. Die Materialästhetik erinnert an die bescheidenen Freizeitparks der 60er Jahre, ihr penetrantes Motiv aber entstammt deutlich einer späteren Generation. Zugleich treten die minutiöse Verfliesung der »sploshs« und das prachtvolle Funkeln ihrer filigranen Glassplitter zu der brutalen Rohheit und Masse des schlierig-grauen Betons in einen unauflösbaren Widerspruch. Fast scheint es, als gäbe die Künstlerin zugleich einen augenzwinkernden Kommentar zu den Monstrositäten, die unter dem Motto »Kunst am Bau« in den vergangenen Jahrzehnten in die Welt gesetzt wurden.

In ihren »Architekturzeichnungen« setzt Ina Weber eigene fotografische Schnappschüsse von urbanen Ensembles in großformatige Darstellungen um. Es sind selektive Impressionen des sich bietenden Straßenbildes, aus allem Kontext isoliert, ausgerichtet an schwankenden Achsen, ohne erkennbare Ortung am Grund. Die von ihr wahrgenommenen Funktionsbauten, zumeist von kurioser bis wahnwitziger Machart, stilisiert die Künstlerin zu Ikonen von emblematischer Wirkmacht. Der Eindruck ihres unstatischen Schwebens, ja Schwimmens wird maßgeblich verstärkt durch die Wahl des Bildträgers: Das sachliche, transparente Entwurfspapier offenbart seine spröde Materialität gerade im Verbund mit den üppig lasierenden Schichten der Tusche und Aquarellfarbe, die es abweist, gegen die es sich sperrt und sträubt wie gegen die hintersinnige, jeder funktionalen Berechenbarkeit Hohn sprechende Subjektivität und Ironie der Vision. Kathrin Elvers-Svamberk (Pressetext)

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Ina Weber »ARMLEUCHTEN«