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Begeben wir uns nun in die versiegelte und geschichtsblinde Welt der Mode, um deren schöne Oberfläche einzuschmutzen.

Vom 15. Oktober 2016 – 15. Januar 2017 nimmt der Württembergische Kunstverein im Rahmen der Ausstellung Ines Doujak. Not Dressed For Conquering (Zum Erobern falsch gekleidet) die Gestalt eines Fashion Stores – genauer: einer Ansammlung diverser Pop-Up Stores – an.

Die Ausstellung basiert auf dem langjährigen Projekt Webschiffe / Kriegspfade der österreichischen Künstlerin Ines Doujak (*1959), das in unterschiedlichen Formen und Formaten den Verschränkungen zwischen Textilien, Mode, Kolonialismus, Gewalt und globalisierten Produktionsverhältnissen nachgeht. Es umfasst Doujaks „exzentrisches Archiv“, das der Geschichte der Globalisierung anhand von Textilien aus dem andinen Raum nachgeht; eine offene Reihe von Skulpturen, Performances, Texten und Videoarbeiten sowie diverse, sich ständig weiterentwickelnde Modekollektionen.

Die Ausstellung Not Dressed For Conquering greift eine Auswahl aus all diesen Elementen auf, reorganisiert und erweitert sie. Im Vordergrund stehen dabei acht Modekollektionen, die in den eigens dafür gestalteten Pop-Up-Stores präsentiert werden und jeweils unterschiedlichen Themen und Motiven folgen.

Es geht um das Feuer brennender Fabriken und das – auch im wörtlichen Sinne – Burnout von NiedriglohnarbeiterInnen, um Tier- und Menschenhäute, Karneval und Maskerade, Drogen und Krieg und den Teufel höchstpersönlich. Verhandelt werden die von Strichcodes über automatisierte Kräne und Container bis zu Riesenschiffen straff organisierten Lieferketten des globalen Handels oder die lange Geschichte der Degradierung von ArbeiterInnen zu „intelligenten Affen“.

Die Kollektionen bestehen aus Stoffen, denen die diversen Themen und Motive direkt eingeschrieben sind, sowie aus den daraus weiterentwickelten Schnittmustern, Kleidungstücken, Outfits und Accessoires, aber auch Texten, Publikationen, Objekten, Videos sowie Tanz- und Musikstücken, in denen Stoffmuster in Bewegung und Ton versetzt werden.

Das aus Stores, Auslagen, einem Laufsteg, Umkleidekabinen, Verkaufspersonal u.v.m. bestehende Setting lässt die Grenzen zwischen Kunstwerk und Display, Ausstellungsbetrieb und Performance offen. So bilden die Ausstellungsdisplays als Ganzes auch den Rahmen für das Veranstaltungsprogramm ab; Informationen, Text- und Zitatsammlungen sind wiederum Teil der künstlerischen Displays.

Den Glamour der Modewelt auf- und angreifend, bringt Doujak nicht nur die ausbeuterischen Strukturen, Geschlechter- und Klassenordnungen von Haute Couture und Massenkleidung ins Spiel. Im Rückbezug auf die widerständigen und anarchistischen Praktiken der Textilgestaltung, die von den andinen Traditionen der Webkünste bis zu Dapper Dan, jenem New Yorker Kultschneider der Hip-Hop Szene der 1980er-Jahre, reichen, entsteht zugleich eine andere Mode, die den bestehenden Verhältnissen den Kampf ansagt. Hierfür steht auch eine Gruppe von „Plünderern“ und „Randalieren“, die gewissermaßen als verkehrte Gatekeeper der einzelnen Pop-Up Stores in Aktion treten.

Diese andere, widerständige Mode steht auch im Zentrum einer Reihe von Modenschauen, Performances und Workshops, die im Rahmen der Ausstellung stattfinden und die Schneiderkunst, Tanz, Musik, Film und Politik miteinander verbinden.

In manchen Kulturen erscheinen Körperbewegung, Film und Gesang als direkte Übersetzungen textiler Muster, bei denen sich die Farben bekriegen oder wenigstens im Streit miteinander liegen. Vom musikalischen Offbeat getragen, rütteln diese Muster an ihrer Einfassung oder Säumung, die sie als Ausdruck einer Ordnung deuten, die es zu sprengen gilt.
Ines Doujak