Kunstbank Berlin

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Vom 04. Juni bis 02. Juli 2004 präsentiert die KUNSTBANK Arbeiten von Ines Schaber und David Adam.

In seinem Film "2 oder 3 Dinge, die ich von ihr weiß" (1967) beschreibt Godard den Alltag in Paris der 60er Jahre – eine Zeit, die geprägt war vom städtischen Umbau. Der Film zeigt, wie die Veränderungen der Lebensräume, die zunehmende Trennung von Peripherie und Zentrum, sich auf das Leben der Bewohner auswirkt. Ines Schabers Arbeit „ensemble“ greift eine Szene aus Godards Film auf und reinszeniert diese in Berlin. Die Arbeit entstand in Zu-sammenarbeit mit der Architektin Sandra Parvu.

David Adam begann 1998 in der Wohnung seiner Großmutter in Prenzlau, einem kleinem Städtchen in der Uckermark, zu filmen. Daraus entwickelte sich eine subtile Spurensuche nach der Geschichte eines Menschen des 20. Jahrhunderts, die gleichzeitig Teil seiner eige-nen Familiengeschichte ist. So redet Marie Scheibner in einfachen Worten, etwa beim Bet-tenmachen, über ihre Heimat, womit sie nicht den Ort meint, an dem sie die letzten mehr als 50 Jahre gelebt hat.

DAVID ADAM Neben seinen fotografischen Erkundungen zu historisch aufgeladenen Orten und deren spezifischen Bedeutungen, wie der Serie zu Bautzen II oder den Belohnungsräumen oder ästhetischen Unräumen, wie den Autohintersitzen, verfolgte David Adam seit 1999 eine zurückhaltende und vorsichtige Recherche über die Lebensumstände seiner Großmutter, Marie Scheibner. Den teils verborgenen, nicht leicht sichtbaren oder fast vergessenen Räumen, die in seinen Serien ästhetisch konnotiert werden und deren Gebrauchszusammenhänge in einem neuen Kontext auch und gerade unter malerischen Prämissen untersucht werden, steht in dieser Arbeit der Blick auf die intime Privatsphäre seiner Großmutter gegenüber. Die im Film von ihr selbst erzählten Geschichten Marie Scheibners, die bei Besuchen ihres Enkels unaufgefordert aus ihrem Leben berichtete, sind zusammengesetzte Tonaufzeichnungen aus den Jahren 2000 bis 2002. Die Filmaufnahme entstand im Jahr 2002. Produziert wurde das Video 2003.David Adam begann 1998 in der Wohnung seiner Großmutter in Prenzlau, einem kleinem Städtchen in Richtung Polen gelegen, zu fotografieren. Es entstand eine subtile private Spurensuche nach der Geschichte eines Menschen des 20. Jahrhunderts und eine Aufzeichnung der eigenen Familiengeschichte. Während seiner Besuche erzählte diese alte Frau in einfachen Worten bei häuslichen Verrichtungen, zum Beispiel bei der Tätigkeit des "Bettenmachens", über ihr Leben, das Schicksal einer Vertriebenen und damit stellvertretend über die Erfahrung vieler Menschen, die nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in einem zerrissenen Deutschland sich zurecht finden mussten. Die Erzählungen sprachen vom Alltag dieser Menschen, die ihre Heimat verloren hatten und sie zeigten, welche Bedeutung dieser Begriff Heimat noch für sie hatte.So erzählte Marie Scheibner über ihre "Heimat", welche nicht den Ort meinte, an dem sie die letzten mehr als 50 Jahre verbracht hatte. Geboren 1909 in Klein-Bocken nahe Böhmisch-Kamnitz (heute: Ceská Kamenice, Tschechien) lebte sie dort bis 1946, bis "wir nach Deutschland kamen". Drei Millionen Sudetendeutsche wurden, legitimiert durch die Benesch-Dekrete aus ihrer Heimat Böhmen, Mähren und Sudetenschlesien als Folge der Ergebnisse des II. Weltkrieges vertrieben. Sie kam nach Prenzlau, einer vom Krieg schwer gezeichneten Stadt. Außer den beiden heute noch stehenden Backsteinkirchen waren große Teile dieser alten Stadt in den Kämpfen um Berlin 1945 zerstört worden. In der DDR war die Zeit der Vertreibungen, die öffentlich nicht besprochen wurde, ein Tabu. Dem offiziellen Feindbild entsprachen die bundesdeutschen Vertriebenenverbände mit ihren revanchistischen Forderungen, die man zu den "ewig Gestrigen" zählte. So hatte man als junger DDR-Bürger keinerlei Verbindung mehr zu diesem Abschnitt deutscher und europäischer Geschichte und Kultur. David Adam hat sich in seiner subtilen Recherche diesem Bereich angenähert und ein Bild seiner Großmutter, Marie Scheibner, gezeichnet, das anrührend ist und in seiner Einfachheit besticht. Peter Lang 2004

INES SCHABER ensemble(mit sandra parvu) Ines Schabers Arbeit „ensemble“ (2002) rekurriert auf eine Szene aus Jean-Luc Godards Film „2 ou 3 choses je sais d´elle / 2 oder 3 Dinge, die ich vonihr weiss“ (1966/67). Der Film skizziert 24 Stunden im Alltag einer Frau in einer Pariser Trabantenstadt der 60er Jahre. Die collagenhaft angelegte Parabel ist in einem, in dieser Zeit typischen, vom urbanen Umbau der Spätmoderne gekennzeichneten Lebensumfeld verortet. Das Leben der Protagonistin wird maßgeblich durch den zunehmenden Konsumterror und die Veränderungen städtischer Kontexte, die auf eine zunehmende Trennung von Zentrum und Peripherie hinauslaufen determiniert, wobei individuelles, alltägliches Handeln durch die gesellschaftliche und politische Repräsentationsfunktion von Architektur und Stadt bestimmt wird.Die konkrete Filmszene die Ines Schaber im Rahmen von „ensemble“ aufgreift, zeigt die weibliche Hauptfigur dreimal über einen öffentlichen Platz gehend. Die unterschiedlichen Kameraperspektiven der drei Einstellungen sind kaum zu erkennen, vielmehr wirken die Sequenzen auf den ersten Blick fast identisch. „ensemble“ ist eine translozierte Reinszenierung jener Godard`schen Szene. 35 Jahre nach der Entstehung von „2 ou 3 choses...“ verschiebt Ines Schaber die Szene an den Alexanderplatz nach Berlin und (re)produziert das Thema der Zeitschlaufe somit in doppelter Hinsicht. Das Resultat dieser Reflexionen schlägt sich in einer dreiteiligen Fotoarbeit nieder, wobei jeder der drei Teile aus einer sechs bzw. sieben Bilder umfassenden Sequenz besteht. Während Godard Architektur und Film als politischen und gesellschaftlichen Ausdruck von Kultur positioniert, transferiert Ines Schaber den Diskurs einerseits in die Kunst, kontextualisiert aber andererseits auch jene historischen Dispositive in einem gegenwärtigen Umfeld kultureller Produktion und Rezeption. Ines Schabers Produktionen sind generell mit diskurstheoretischen Ansätzen u.a. des Film und der Architektur verknüpft. Ihre Arbeiten sind aber nicht einfach praktische Beispiele für „Theorie“, sondern sie sind selbst oft theoretische Essays, die sich über (kunst-)historisch konnotierte, ästhetische Kategorien Bildender Kunst artikulieren. Das Feld der Theorie wird mehr als kritische Praxis, denn als deduktiv funktionierend begriffen. Ulrike Kremeier

Pressetext

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Ines Schaber / David Adam
9. Ausstellung der SenatsstipendiatInnen Bildende Kunst 2003