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Vernissage: Samstag, 15. September 2007 um 19.00 Uhr

Curators Without Borders geht in die zweite Saison in Berlin. Der Herbst startet mit einer Gruppenausstellung, die von der freien Kuratorin und Gründerin Sarah Belden entwickelt wurde. Unsichtbarkeit und Unbesiegbarkeit stehen im Zentrum der Ausstellung und werden durch außergewöhnliche Kunstprojekte erlebbar gemacht. So etwa das für Radare unsichtbare Tarnkappen-Schiff TIGER_Stealth Boat, ein sprechender Papagei, der auf das Mantra „I am not a bird“ trainiert wurde oder eine minimalistische Skulptur, die auf Hitze basiert und nur über den Tastsinn erfahrbar ist. Die Besucher können ein Bad aus Farbe nehmen und eine unsichtbare Malerei wartet darauf, fertig gestellt zu werden, während sich ein anderer Künstler in seiner Intervention vollständig aus dem (Kunst-)System „hinausgeschnitten“ hat. Und schließlich enthüllen sich zwei aufeinander abgestimmte Kunstwerke wechselseitig, wenn sie vom Publikum aktiviert werden: Eines taucht die Galerie in vollkommene Dunkelheit, während das andere einen 35-Milimeterfilm illuminiert.

Unsichtbarkeit und Unbesiegbarkeit sind die Themen dieser Ausstellung. Die Kunstwerke verdeutlichen die Wirkung zweier aktueller Machttechniken: einerseits thematisieren sie die Kraft unsichtbarer Herrschaftstechnologien sowie andrerseits den Einfluss medialer Bilder auf unsere Wahrnehmung. Denn heutzutage nehmen perfekt produzierte, spektakuläre Bildwelten unsere geistigen Kapazitäten nahezu vollständig in Besitz. Aufgrund realer Bildqualitäten, kann man allzu leicht vergessen, dass sie im eigentlichen Sinne nicht real sind. Dies führt zu einem Schwund der Wahrnehmungs- und Imaginationsfähigkeiten. Die tägliche mediale Zerstreuung verdrängt die „Realität“. Die Konsequenz: wir werden zu unkonzentrierten Betrachtern und unsere Entscheidungsfreiheit über Menge und Dauer des Bildkonsums wird beeinträchtigt. Kurz: Die menschliche Imaginationsfähigkeit schwindet.

Als Kuratorin interessiert sich Sarah Belden für die Aufdeckung dieser Machttechnologien und ihrer Folgen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Ausstellungsraumes. So kann INVISIBLE/INVINCIBLE als ein Experiment für den Besucher begriffen werden: die Ausstellung nimmt den medialen Bildern ihre Kraft, um sie der Imagination des Betrachters wiederzugeben. Denn definierte sich in früheren Zeiten der Wert eines Bildes noch über seine mimetische (Nachahmungs-) Funktion von Objekten, beginnt nun eine neue Ära der Bildproduktion: Bilder kopieren nicht länger reale Objekte, sie kopieren sich selbst. Das Ziel der Ausstellung ist, die doppelte Repräsentation der Bilder für einen Moment zu entfernen, um diesen Freiraum der eigenen Imaginationskraft wieder zu übereignen.

Ein weiterer Aspekt der Ausstellung ist das Ausloten von Macht als unsichtbare Kraft. Denn Unsichtbarkeit ist eine besonders effektive Form der Macht. Wie kann man sich ihren Einfluss bewusst machen? Der dänische Künstler Niels Bonde dazu: „Die hohe Frequenz und die extensive Menge der medialen Bilder erlaubt uns zwar wiederzuerkennen, was wir sehen, doch sie lassen uns weder Zeit noch Raum wirklich zu realisieren, was wir sehen. Wenn wir uns aber bei der Informationsverarbeitung lediglich der reinen Wiedererkennung überlassen, reduzieren wir die Weltereignisse auf bloße visuelle Sensationen, entkoppeln uns von den Weltrealitäten und werden leichte Opfer ideologischer Manipulationstaktiken.“ Innerhalb der öffentlichen Sphäre der Medien fließen das Wahre und das Unwahre ineinander, sie sind ununterscheidbar geworden. Die Ausstellung thematisiert das mediale Bild als Apparatus (Foucault), die Maskierung von Macht in ihrer unsichtbaren Form und wie es versteckt die Manipulation von Öffentlichkeiten vollzieht.

Einige der Kunstwerke, wie Bondes Videoarbeit basierend auf Found Footage von Nachrichten oder das Tarnkappenboot von Peter Sandbichler und Knobotic Research werden zu hoch politischen Statements. Die künstlerisch erzeugten Sichtweisen erinnern uns in ihrem technischen Aufbau an Bilder, auf deren Basis kürzlich politisch-militärische Interventionen legitimiert wurden. Sie verdeutlichen die Unkontrollierbarkeit symbolischer Repräsentationen angesichts von verdichteten globalen Austauschprozessen. Die Kunstwerke zeigen wie aufgrund von scheinbar aussagekräftigen Bildern Ketteneffekte ausgelöst und in komplexe Kommunikationssysteme eingebunden werden. Sie befragen die Rolle der Massenmedien bei der Formung des öffentlichen Bewusstseins und wie sie unser Verständnis von Realität beeinflussen – sei es sozial, politisch oder kulturell.

Curators Without Borders wurde mit dem Ziel gegründet, die weltweiten Beziehungen zwischen Künstlern, Kuratoren, Galeristen und Kunstinstitutionen in Europa und darüber hinaus zu verbessern. Curators Without Borders Anliegen ist, eine große Bandbreite kuratorischer Ansätze zu repräsentieren, die weder durch Konventionen oder geographische Grenzen eingeschränkt werden sollen. Wir interessieren uns für die Kunstproduktion auf einer lokalen Ebene und wie sich Künstler weltweit durch Informationstechnologien, veränderte Grenzziehungen und Diasporas beeinflussen.

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INVISIBLE/ INVINCIBLE - A TICKET TO NOTHINGNESS
kuratiert von Sarah Belden

mit Steven Robert Barich, Niels Bonde, Pash Buzari, [ ], Knowbotic Research  & Peter Sandbichler, Rodney Latourelle, Agnieszka Kurant, Via Lewandowsky, Werner Reiterer, Felix Gonzales-Torres, Jordan Wolfson, Christopher Wool