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Eröffnung: Samstag, 27. Juni 2009, 18 Uhr

Die fünfkoÅNpfige slowenische Künstlergruppe IRWIN – Du?an Mandic (1954), Miran Mohar (1958), Andrej Savski (1961), Roman Uranjek (1961) und Borut Vogelnik (*1959) – kommt aus der Punk- und Graffiti-Szene Ljubljanas. Sie ist Teil des 1984 gegründeten Künstlerkollektivs NSK (Neue Slowenische Kunst) und arbeitet nach dem Retro-Prinzip. Ihre Bildsprache zitiert vorwiegend die west- und osteuropäische Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Darin finden sich Motive aus dem Sozialistischen Realismus ebenso wie aus dem Dritten Reich und aus verschiedenen europäischen Avantgarden. IRWIN arbeitet dabei mit vorgefundenen Elementen und spielt auf der Klaviatur totalitärer Symboliken.

Im Jahr 1992 gründete IRWIN einen Staat auf der Basis von NSK. Der State in Time hat kein Territorium und keine Staatsgrenzen. Trotzdem eröffnete die Künstlergruppe Botschaften, Konsulate und Passämter, in denen Pässe, gedruckt auf Maschinen des slowenischen Innenministeriums, ausgegeben wurden. Bis heute gibt es mehrere tausend Passbesitzer. Der Pass als solches ist ein Kunstwerk ohne staatsbürgerlichen Wert, doch ist bekannt, dass in den frühen 1990er-Jahren, während des Jugoslawienkriegs, in verschiedenen Fällen NSK-Bürger Grenzwachebeamte, Polizisten und Militärs irreführten und den Pass als Reisedokument nutzten. Der Großteil der Passbesitzer stammt aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens, der Kunstszene Europas und Amerikas. Mit der Beruhigung der politischen Situation am Balkan und dem Eintritt in das neue Jahrtausend stagnierte die Nachfrage nach NSK-Pässen. Doch nach einigen Jahren gab es plötzlich wieder eine bedeutende Anzahl von Ansuchen um den Pass, deren größter Teil aus der nigerianischen Stadt Ibadan stammte. Aufgrund der Annahme, dass diese große Nachfrage aus einem Land der ‚Dritten Welt’ auf Missverständnissen oder Missbrauch und Ausbeutung beruhen könne, richtete IRWIN im Jahr 2007 in London für einige Tage ein Passamt ein, um dort an rund 50 in London lebende nigerianische Antragsteller den Pass auszugeben. In auf Film dokumentierten Gesprächen mit den Bewerbern stellte sich tatsächlich heraus, dass für den Großteil von ihnen nicht klar war, dass NSK State in Time kein reales Territotium ist. Einige hatten die Vorstellung, ihre Ferien dort zu verbringen, Nachforschungen in Ibadan ergaben, dass viele darauf hofften, mit dem Pass nach Europa zu gelangen.

In Verbindung zu State in Time steht das Projekt NSK Garda, das erstmals 1998 in Tirana und in weiterer Folge an neun Orten realisiert wurde. In einer Kooperation aus lokalen Kunstinstitutionen und der Armee bewachen vier Soldaten auf einem öffentlichen Platz die NSK-Flagge und tragen dabei auf ihrer Uniform die Insignien von NSK. Das Projekt ist eine Art Tableau Vivant der real existierenden Armeen, deren Lebensrealität normalerweise wenig oder keine Gemeinsamkeiten mit der Kunstwelt aufweist. Die Ausstellung in Krems ist die erste institutionelle Präsentation von IRWIN in Österreich. Sie zeigt den NSK State in Time, der einen Gegenpart zu nationalen Ideologien darstellt, mehrere Videos und Arbeiten der NSK Garda-Serie. Anlässlich der Ausstellungseröffnung wird die Kunsthalle zu einem temporären Passamt, in dem die NSK-Staatsbürgerschaft erworben werden kann.

Kurator Dieter Buchhart