artist / participant

curator

press release only in german

Eröffnung: Freitag, 29. August 2008, 19 Uhr

Der Brite John Stezaker (geb. 1949) hat sich schon in den 1970er Jahren entschieden, der vorhandenen Bildwelt nichts mehr hinzuzufügen, sondern mit gefundenem Material zu arbeiten – mit dem, was er in Katalogen, Büchern oder Magazinen, als Filmstills, Post- oder Autogrammkarten vorfindet. Seither nimmt er diese Abbildungen auseinander und fügt sie im Collageverfahren zu neuen Konstellationen zusammen. Was als Vorgehensweise zurückgenommen und vergleichsweise simpel anmutet, legt eine erstaunliche inhaltliche Vielschichtigkeit offen. Ursprüngliche Narrationsstränge werden aufgelöst und neue sinnträchtige Bildräume durch die Kombination, Drehung, Auslöschung oder Hinzufügung von Elementen geschaffen, die ursprünglich nicht zusammengedacht waren, nun aber exakt ineinander greifen. Seinen künstlerischen Ansatz beschreibt Stezaker selbst als den Versuch, „Dinge ernst zu nehmen, die gewöhnlich nicht ernst genommen werden.“ So unterläuft seine künstlerische Praxis eine durch die Flut verfügbarer Bilder ausgelöste kulturelle Amnesie und enthüllt eine Vielfalt von Themen wie Gender- und Aneignungsfragen, Begehren, Vorstellungskraft und Inspiration.

Seit Anfang der 1970er Jahre verfolgt John Stezaker nun konsequent seine künstlerische Dekonstruktion und Neuaufladung vorgefundener Bildquellen. Doch erst seit ein paar Jahren wird die Qualität und Bedeutung seiner Arbeit anerkannt und gewürdigt. Es ist bemerkenswert, dass jemand, der bei internationalen Kritiker/innen, Kurator/innen, Galerist/innen, Sammler/innen und Künstlerkolleg/innen gleichermaßen bekannt und geschätzt ist, dem breiteren Publikum so lange weitgehend unbekannt bleiben konnte. Heute jedoch fällt der Name Stezaker auch in Gesprächen mit Künstler/innen einer jüngeren Generation zunehmend häufig, wird immer wieder als wichtiger Einfluss für deren künstlerische Produktion benannt und mit dem aktuell zu beobachtenden Revival der Collage in Zusammenhang gebracht. Auf diese Weise schlägt sein Schaffen nicht nur eine Brücke aus den 1970er Jahren in die Gegenwart, sondern setzt sich darüber hinaus im Denken junger Künstler/innen vermittelt fort.

Die Ausstellung der GAK ist die erste institutionelle Einzelausstellung von Stezaker im kontinentalen Europa seit 1979 und spiegelt dies, indem sie Werke von 1976 bis in die jüngste Gegenwart zeigt. Im Mittelpunkt steht dabei seine neueste Serie Fumetti (2008). In den Fumetti setzt Stezaker seine Arbeit mit Star-Portraits fort, doch anders als in früheren Reihen stammen die Portraits hier aus Filmjahrbüchern der 1950er und 1960er Jahre. Ihre Einheit wird zerstört, indem die perfekt frisierten und geschminkten Gesichter von Schauspieler/innen aus Hitchcock-Klassikern zerteilt und zu monströsen Zwitterwesen neu zusammengefügt werden, deren Kopfformen blasenartige Ausstülpungen aufweisen und die die Perfektion ihrer Vorlagenbilder konterkarieren. Der Titel der Serie bezieht sich auf eine italienische Comictradition. Die hier angedeutete assoziative Linie von Comicsprechblasen zu Rauchwolken (ital. „fumato“: „Rauch“) nimmt Stezaker in den Fumetti auf und demonstriert das Glamouröse und Perfekte als Flüchtiges – als polymorphen Rauch, der nicht zu fassen ist.

Die Fumetti werden in der Ausstellung in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst durch Auszüge aus 13 weiteren Serien ergänzt. Manchmal humorvoll, manchmal geheimnisvoll, manchmal unheimlich, aber immer spielerisch knüpfen sie entweder formal an Themen wie „Rauch“ oder „Blase“ an oder fokussieren inhaltlich damit verbundene Vorstellungen der Anamorphose, des Nicht-Fassbaren oder Vergangenen. In jedem Fall thematisieren sie alle den Übergang von Materialität und Immaterialität des Bildes, die Vergegenwärtigung seiner ephemeren Merkmale und die Brüchigkeit dessen, was wir als gegeben erachten.

Zur Eröffnung erscheint ein Katalog mit zahlreichen Abbildungen, einem Gespräch zwischen David Lillington und John Stezaker sowie Texten von Barry Schwabsky und Janneke de Vries beim Verlag der Buchhandlung Walther König.

only in german

John Stezaker
FUMETTI
Kurator: Janneke de Vries