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Die Pinakothek der Moderne zeigt in ihrer Zweiggalerie in Augsburg eine umfassende Ausstellung mit rund 50 Werken von Jörg Immendorff (1945-2007), der zu den provozierendsten Künstlern der jüngsten Vergangenheit zählt. Seine Arbeiten entstanden in engagierter Auseinandersetzung mit den politischen und ästhetischen Bedingungen im geteilten Nachkriegsdeutschland. Bis heute sind sie Stachel im Fleisch der Gesellschaft und fordern zur Debatte über die Aufgabengebiete und Möglichkeiten des Künstlers auf. Der gedrängte, dissonante, sich jeder einfachen Deutung entziehende Figurenreichtum der Bilder lässt bei einer explizit zeitgenössischen Thematik subtile Dialoge mit der Kunstgeschichte anklingen – von den Visionen des Hieronymus Bosch über Pieter Bruegel d. Ä. und William Hogarth bis hin zu Vertretern des Surrealismus, von den Bildergeschichten Wilhelm Buschs bis hin zu den mit „dem Volk“ kommunizierenden Werken des Sozialistischen Realismus. Die konzentrierte Betrachtung dieses singulären, widerständigen Werks ist nun für ein Jahr in der Staatsgalerie Moderne Kunst in Augsburg möglich.

„Versuch Adler zu werden“ zeigt Hauptwerke der verschiedenen Schaffensperioden aus den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, die dank der großzügigen Leihgaben von Stephan und Susanne Böningerzu einer Ausstellung von fast retrospektiver Dimension wird. Der museale Bestand ist dabei nachdrücklich geprägt durch die Sammlungen von Prinz Franz von Bayern (seit 1984 Wittelsbacher Ausgleichsfonds), die Dauerleihgaben von Michael und Eleonore Stoffel, die Ankäufe von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne sowie die Erwerbung eines zentralen „Café Deutschland“-Bildes aus öffentlichen Mitteln.

Stephan und Susanne Böninger haben seit 1995 eine der eindrucksvollsten Immendorff-Sammlungen in Deutschland zusammengetragen, die hier erstmals in großem Umfang der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Mit ihrem Schwerpunkt auf den seit der Mitte der 1980er Jahren entstandenen Arbeiten, ergänzt die Sammlung Böninger auf vortreffliche Weise die Exponate des Museums, deren Fokus auf den frühen LIDL-Werken und den um 1980 entstandenen Bildern liegt.

Ergänzend zu den Bildern und Skulpturen wird das Filmdokument „The Rake’s Progress“ zu sehen sein. Für diese von William Hogarth (1697-1764) inspirierte Oper Igor Strawinskys entwarf Immendorff, der sich zeitlebens den darstellenden Künsten besonders verbunden fühlte, das Bühnenbild und die Kostüme. Mit der Hauptfigur der 1994 in Salzburg aufgeführten Oper identifizierte sich der Künstler selbst. In weiteren Rollen ließ er, wie in seinen Gemälden, Zeitgenossen wie Georg Baselitz, Joseph Beuys, Markus Lüpertz, A.R. Penck oder seinen langjährigen Galeristen Michael Werner auftreten – ein Kaleidoskop der deutschen Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache im Verlag der Buchhandlung Walther König mit Abbildungen der ausgestellten Arbeiten und sieben Essays von Tilman Spengler. Für die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen hat der Schriftsteller, ein Freund des Künstlers, den Facettenreichtum von Werk und Persönlichkeit Immendorffs auf zutiefst persönliche, kongeniale Weise pointiert. Corinna Thierolf verfasste einen Katalogbeitrag, Karen Appel Bildtexte zu ausgewählten Werken.

Kuratorin der Ausstellung: Corinna Thierolf, Assistenz: Karen Appel