press release only in german

Nach ihrer Übersiedelung nach New York Anfang der 90er Jahre und der erfolgreichen Teilnahme an großen Ausstellungen und Biennalen zur zeitgenössischen Kunst erlebte die deutsche Künstlerin Josephine Meckseper den internationalen Durchbruch. Ende 2005 widmete Monopol der »göttlichen Linken« einen zwölfseitigen Beitrag, als »Zeitgeist-Rebellin« charakterisierte der Spiegel die in New York lebende Deutsche. Das Kunstmuseum Stuttgart widmet dem Gesamtwerk der heute 42-jährigen Konzeptkünstlerin vom 14. Juli bis 28. Oktober eine erste große Einzelpräsentation: Über 150 Exponate auf 1.200 Quadratmetern geben erstmalig einen Überblick über ihr Schaffen von den frühesten Werken bis zu ganz neue Arbeiten, die sie speziell für die Stuttgarter Ausstellung entwickelt hat.

Meckseper arbeitet mit sämtlichen Medien und in verschiedensten Techniken: Sie baut große Installationen, errichtet Schaufenster, fertigt Skulpturen, Gemälde, Fotografien und Filme. In den frühen 1990er Jahren zog sie nach New York und gab dort das legendäre FAT Magazine heraus. In dieser satirischen Zeitschrift mischte sie Boulevardstil mit politischer Berichterstattung, Pin-up-Girls und zahlreiche Beiträge von Künstlerfreunden. Was ist echt, was ist falsch? Was ist vor allem ernst gemeint und was frei erfunden? Diese Grenze zu ziehen und ihre Bildsprache zu deuten, überlässt Meckseper generell dem Betrachter.

Die Stuttgarter Schau präsentiert Mecksepers Arbeiten auf vier Etagen, wobei das Thema des Ausstellens im Werk der Künstlerin selbst eine große Rolle spielt. Andy Warhol prophezeite, dass die Kaufhäuser zu Museen und die Museen zu Kaufhäusern werden würden. Genau das nimmt Josephine Meckseper ernst. Ihr stellt sich stets die Frage, wie die Werbeästhetik visuelle Strategien der Kunst übernimmt und wie wiederum die Kunst darauf reagiert oder der Kunstbetrieb allgemein sich daran anpasst. Dabei beschränkt sie sich nicht auf platte Konsumkritik, sondern interessiert sich vielmehr für die untergründigen Mechanismen. In der Stuttgarter Ausstellung wird der Besucher daher in gewissem Sinne zu einem Schaufensterbummel eingeladen.

So richtet Meckseper in einem der Räume eine Boutique-Situation ein: Zwei Schaufenster rechts und links rahmen den Eingangsbereich ein. Dahinter schließt sich ein so genanntes ›shelf‹ von ihr an. Auf silbern bezogenen Regalböden stehen unterschiedlichste Objekte. Das große »Sale«-Schild ist Inbegriff der Shopping-Gesellschaft, die sich nach Schnäppchen und Vorteilen gegenüber den anderen Kunden sehnt. Die Rückwand des Raums ist mit großen Spiegelkacheln verkleidet und schafft die typische Atmosphäre von Umkleidekabinen und Billigboutiquen. Auf einem Sockel liegen penibel arrangiert »Hammer und Sichel«. Inmitten der kapitalistischen Rauminszenierung erscheint damit plötzlich das Symbol des Kommunismus, das ähnlich wie Palästinensertuch oder PACEFahne schon längst von der Modebranche absorbiert wurde.

Im obersten Stockwerk des Kunstmuseums lässt die Künstlerin eine große Wand mit zwei ihrer prominentestes Vitrinen aus dem Besitz von Charles Saatchi einbauen. »The Complete History of Postcontemporary Art« mischt auf überraschende Weise Elemente der jüngsten französischen Protestbewegung mit Mode und Werbung: Der weiße Hase dreht sich beständig um sich selbst und hält dabei sein Abstimmungsschild mit »oui« und »non« abwechselnd nach vorne. Aufgeklebt auf den edlen Chanel-Parfümflaschen bekommt die ehemalige Protest-Parole »Travaillez jamais!« etwas Dekadentes und Dandyhaftes. So ist es mit vielen Objekten, die in der Assemblage von Meckseper eine merkwürdige Doppeldeutigkeit oder aber eine völlig Bedeutungsentleerung erfahren. Das Konzept des Schaufensters findet schließlich seinen Höhepunkt in einer Rauminstallation im Untergeschoss des Museums. Hier wird üblicherweise wegen einer räumlichen Besonderheit jeden Abend ein neun Meter breiter Raum durch ein Glasshot gesichert, was die Künstlerin zu einem riesigen Schaufenster mit verspiegelter Rückwand und Skulpturen inspirierte.

Das Ausstellen von Waren, aber auch das Ausstellen des Körpers ist Mecksepers großes Thema. Der Körper – vor allem der weibliche – verschwindet bei ihr hinter Posen. Der Körper wird exponiert und steht zur Disposition. Auf ihren neuesten Fotografien wird dieses Thema deutlich. Drei Frauen posieren in Miederware, wie man sie nur noch in einigen Sanitätshäusern oder bei speziellen Versandhäusern findet. Schuhe, Strümpfe und Bustiers entstammen einer anderen Zeit, in der es noch darum ging den weiblichen Körper zu bändigen, während heutige Unterwäsche auf das Exponieren und Unterstreichen der besonderen Körperqualitäten ihrer Trägerin ausgerichtet ist.

Um Frauen-Bilder geht es oft bei Josephine Meckseper. In Hochglanzfotografien wie »CDU-CSU«, »RAF« oder »Pyromaniac« bedient sie sich gekonnt der Werbebildsprache und offenbart dabei die Floskelhaftigkeit, die Klischees und Projektionsflächen, mit denen gespielt wird. Gerade die inszenierte Fotografie mit dem Titel »CDU-CSU« wird heute von Polit-Magazinen gerne zur Illustrierung der politischen Verhältnisse in Deutschland verwendet: In einem luxuriösen Interieur postmoderner Geschmacklosigkeit räkeln sich zwei aufreizende Blondinen. Vom Überfluss und Wohlstand offenbar zutiefst gelangweilt, lassen sich die beiden kaum unterscheiden. Nur ihre kleinen Goldkettchen CDU und CSU markieren den Unterschied. Bei Meckseper wird jede Überzeugung, jede politische Haltung hinterfragt. Ist es wirklich eine tiefe Überzeugung oder nicht doch nur ein Label, das man sich aus strategischen Gründen um den Hals hängt? Politisches und Ästhetisches gehen in einer Welt, in der Politik mit Repräsentation verwechselt wird, nahtlos ineinander über.

Zur Ausstellung »Josephine Meckseper« erscheint im Hatje Cantz Verlag ein gleichnamiger Katalog.

only in german

Josephine Meckseper
Kuratorin: Marion Ackermann