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Ein Ei wandert durch Judith Hopfs Film Some End of Things: The Conception of Youth (2011), schreitet stoisch durch das Atrium einer modernistischen Architektur, steigt die Treppen herauf, läuft die Gänge und Verbindungsbrücken ab, spiegelt sich en passant in den Rastern der Fassade – bis es schließlich an dem Versuch scheitert, sich Einlass in das Gefüge aus Glas, Stahl und Beton zu verschaffen. Das Ei ist zu groß, die Tür zu klein und Körper zu hart, um nachzugeben – eine Idee verkantet sich in der Struktur der normierten Welt.

Das Aufeinandertreffen der Formen als Zuspitzung der Widersprüche gegenwärtiger Verhältnisse verweist auf ein zentrales Thema der Arbeiten von Judith Hopf. In einer Welt, in der alles flüssig zu werden scheint – die Kommunikation, die Arbeit, der Kapitalismus – geht Hopf den harten Kanten nach, die das Feld des Sozialen trotz aller Prozesse der Entmaterialisierung und Enthierarchisierung nach wie vor prägen, die Körper und Identitäten normieren und dem Einzelnen seinen Platz zuweisen. Im Blickfeld der Kontrollgesellschaft erkundet sie die Grenzziehungen zwischen sozialer Teilhabe und kulturellem Ausschluss, tastet den verschwindenden Horizont alternativer Lebensformen ab und eröffnet einen Denk- und Erfahrungsraum jenseits der Logiken der (Selbst-)Disziplinierung. Formale Fragestellungen schlagen hier in ethische um, während sich die Ordnungen des Politischen unter der Hand im Materiellen manifestieren.

Judith Hopfs Blick auf gesellschaftliche Prozesse ist dabei ein entschieden schräger: Es geht ihr ausdrücklich nicht um die unmittelbare Abbildung sozialer oder politischer Tatsachen im Medium der Kunst. Vielmehr bedient sie sich der Kunst als eines autonomen Raumes, innerhalb dessen die Verhältnisse zum Tanzen gebracht werden können. Denn gerade indem ihre Arbeiten ästhetische Autonomie beanspruchen, erspielen sie sich die Möglichkeit, auf produktive Weise an den gegenwärtigen Diskursen vorbei zu reden. Das Slapstickhafte, das Komödiantische und das Karikatureske dienen ihr als Mittel, Brüche und Öffnungen in der Ordnung der Dinge zu provozieren, die die eingespielten Routinen der Interpretation – seien diese nun politischer oder ästhetischer Natur – entgleisen lassen.

In dieser Perspektive kann auch die Vielgestaltigkeit von Judith Hopfs Werk im Ganzen als eine Strategie der permanenten Selbst-Provokation gelesen werden: Der kontinuierliche Wechsel der Medien – von Installation und Skulptur, über Film, Video und Performance bis hin zu grafischen und keramischen Arbeiten – wie auch die von ihr immer wieder gesuchte Zusammenarbeit mit anderen Künstlerinnen und Künstlern stellen die Sedimentierungen ihrer eigenen Praxis immer wieder auf die Probe und erschließen so immer neue Räume der künstlerischen Produktivität.

Judith Hopf (*1969) lebt und arbeitet in Berlin. Seit 2008 Professur an der Städelschule, Staatliche Hochschule für Bildende Künste, Frankfurt/Main.