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„Die Gebrauchs-Bilder entstehen an dem Ort, an dem sie hängen. Die grundierten Bildträger werden ohne vorherige Manipulation an einen ausgesuchten Ort transportiert und verbleiben dort ungeschützt für einen zu bestimmenden Zeitraum. Sie sammeln die spezifische Patina ihres Ortes und bilden diesen ab. Dieser Vorgang des Aufnehmens kann unendlich andauern oder irgendwann unterbrochen werden. Zeitraum, Name des Ortes und Größe bestimmen das Bild und geben ihm seinen Titel.” — Karin Sander

Für ihre Ausstellung in der Galerie Nordenhake hat Karin Sander die Patina-Bilder, die sich inzwischen in privaten und staatlichen Sammlungen befinden, wieder zusammengetragen, um sie für einen Moment an einem Ort zu versammeln. Wie der Ausstellungstitel anzeigt, handelt es sich bei den Bildern um Leihgaben für die Zeit der Ausstellung. Sie sind also unverkäuflich und kehren am Ende der Ausstellung an ihren Bestimmungsort zurück. Bei den Patina-Bildern handelt es sich um ein fortlaufendes Projekt, und so können frische Leinwände in der Galerie erworben werden, um sie an neuen Orten zu „gebrauchen". Sander nutzt für diese Serie gebrauchsfertige Leinwände, die in jedem Künstlerbedarfsladen zumeist für Hobbykünstler angeboten werden. Das Projekt der Patina-Bilder wurde 1990 initiiert. Es ist das erste Mal überhaupt, dass diese Arbeiten ausgestellt werden.

Sander verkehrt in ihrem Projekt die Prozesse wie Kunst normalerweise produziert, verkauft, gekauft, aufbewahrt und verliehen wird. Es ist ein typisches Kennzeichen von Sanders Kunst, tiefgreifende Beziehungen zwischen Sammlern und Museen zu etablieren, sowie selbst als Sammlerin zu agieren. Man kann sich an ihr Projekt „Unlimited“ erinnert fühlen, bei dem die Künstlerin Personen mit einem 3D Body-Scanner abtastet, und dann mit Hilfe einer Maschine perfekte dreidimensionale Portraits im Maßstab von 1:10 herstellen lässt. Das Verfahren, das Sander in den Gebrauchsbildern anwendet, ist weniger technisch, aber die zugrundeliegende Idee bleibt dieselbe. Ihr Interesse richtet sich auf die Prozesse hinter dem eigentlichen Kunstwerk: die Beziehungen zwischen Künstler, Galerie, Museum und Privatsammlern sowie auf die Orte, an denen Kunst entsteht und ausgestellt wird.

„Sie kennen die Geschichte jenes jungen New Yorker Künstlers, der – im Brotberuf Gebrauchsdesigner – eines schönen Tages bei Leo Castelli die von ihm selbst entworfenen Brillo-Boxen ausgestellt fand, zum Kunstwerk erhoben durch Andy Warhol, dessen Namen heute fast jedes Kind kennt, während unser unglücklicher Künstler/Designer zur dauerhaften Unberühmtheit verurteilt bleibt. Ähnlich wie ihm würde es wohl all den Hobbykünstlern gehen, die ihr Herzblut darangeben, naive Porträts oder naturalistische Flusslandschaften auf jene Leinwände zu malen, die sie preiswert und praktisch in allen handtransporttauglichen Formaten direkt aus der industriellen Fertigung beziehen: in dem Augenblick nämlich, in dem sie eine von genau denselben Leinwänden sehen würden, in die sich unter der Regie von Karin Sander irgendeine räumliche und zeitliche Präsenz ihres Gebrauchs eingeschrieben hat. Die Gebrauchsbilder haben fünf Tage in einem Kohlenkeller gelagert, sind drei Tage mit auf die Ostsee genommen worden oder haben die Künstlerin über viele Jahre auf ihren Reisen begleitet; ihre Leinwände haben die Patina ihrer jeweiligen Umgebung aufgenommen, wie sich selbst schreibende Tagebücher von Situationen. Karin Sanders einziger künstlerischer Eingriff besteht darin, die weiße Leinwand in die Küche oder in den Keller oder unters Schiffsdeck zu hängen und nach irgendeinem Parameter zu entscheiden, dass das Bild fertig ist: nach einer festgesetzten Dauer, wenn die Reise beendet ist oder das Schiff anlegt. Das Bild selbst verfertigt sich völlig autonom und autopoietisch – und zeigt sich zusammen mit seinem Titel ("Seefuchs, drei Tage auf See") als jene Projektionsfläche, die jedes Bild immer schon ist — unausweichlich. Die Semantik des paradoxen Begriffs "Gebrauchsbild" spielt auf die den Leinwänden ursprünglich zugedachte Bestimmung ebenso an wie auf die eigentlich vorgesehenen Benutzer dieser Oberflächen, die im Angesicht eines der Gebrauchsbilder von Karin Sander die Chance zu verstehen hätten, dass Kunst das Gegenteil von Ausmalen ist.“ — Harald Welzer

Karin Sander wurde 1957 in Bensberg, Nordrhein-Westfahlen, Deutschland geboren und lebt und arbeitet in Berlin und Stuttgart.

Sander hatte weltweit zahlreiche Ausstellungen. Darunter fallen Einzelausstellungen im Centro Galego de Arte Contemporanea, Santiago de Compostela, 2003; der Dunedin Public Art Gallery, Neuseeland, 2003; Staatsgalerie Stuttgart, 2002; Galerie Koyanagi, Tokio 2001, i 8 Galeri, Reykjavik, 2001; Kunstmuseum St. Gallen, 1996; Sprengel Museum, Hannover, 1995; The Museum of Modern Art, New York, 1994 und im Städtischen Museum Abteiberg, Mönchengladbach, 1992. Sander war an diversen Gruppenausstellungen beteiligt, unter anderem an „Singular Forms (sometimes repeated)”, Guggenheim Museum, New York 2004; Biennale Lódz, Polen 2004; „MINIMAL - MAXIMAL”, National Museum of Contemporary Art, Seoul und Neues Museum Weserburg, Bremen; „010101, Art in Technological Times“, San Francisco Museum of Modern Art, 2001; „White Spectrum, Open Ends“, The Museum of Modern Art, New York 2000; „Der anagrammatische Körper“, ZKM Karlsruhe, 2000; Skulptur.Projekte Münster, 1997 und der Istanbul Biennale, 1995. Dies ist ihre erste Einzelausstellung in Berlin und ihre erste Ausstellung in der Galerie Nordenhake. Bitte besuchen Sie auch www.karinsander.de

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Karin Sander - Gebrauchsbilder
Leihgaben aus privaten und öffentlichen Sammlungen