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„Dieser Verein ist in deinem Land nicht verfügbar“ – unter diesem Titel haben die Künstler Stephan Dillemuth und Christian Heck seit dem 10. März 2012 die Kontrolle der Webseite des Kunstvereins Göttingen übernommen. Die Plattform wurde von Ihnen "gehackt" bzw "entführt".

Sie fordern kein Lösegeld aber sie suggerieren mit dieser von YouTube entliehenen Formulierung, dass Informationen und Ideen durch zunehmende Einschränkungen des öffentlichen Raumes, des Internets, zurück gehalten werden. Computer (Hörgeräte, Ich-Pads, Ich-Phones, Smartphones, Autos, Mautstationen und Getränkeautomaten) dominieren nicht nur zunehmend unser Leben, sondern entziehen sich auch zunehmend unserer Kontrolle. Fangen sie nun an uns zu kontrollieren? Computergestützte Medien, App-basierte Geräte, Blogs, Leaks und übernationale Gesetzeskonstrukte, wie kürzlich das ACTA-Handelsabkommen, verändern nicht nur die journalistische Landschaft und unseren eigenen Informationshaushalt, sie verändern auch tiefgreifend unsere Begriffe von Freiheit und unsere Rechte als Bürger. Inwiefern wird der individuelle Zugang zur Information oder Kultur durch sich kommerziell behauptende Rechte auf geistiges Eigentum eingeschränkt? Wie und Warum wird Zugang zu Wissen eingeschränkt? Diese Fragen liegen dem Projekt zugrunde.

Durch die Eingriffe der Künstler wird das Bild des Kunstvereins entfremdet und die Oberfläche seiner Webseite wird zunehmend von Codes und Botschaften überlagert. In diesem Sinne wird das Bild des Kunstvereins "dekonstruiert", und es werden nur noch wenige bekannte Funktionen erhalten bleiben.

Ein Hauptwerkzeug auf der Web-Baustelle ist ein "EtherPad", das zahlreichen Besuchern gleichzeitig erlaubt, an einem Text zu schreiben, aber auch miteinander zu kommunizieren, sich gegenseitig zu korrigieren oder sogar auszulöschen. Es steht den Besuchern frei auf die anderen Beiträge und Informationen der Webseite zu reagieren oder auch Kommentare zu verfassen, z.B. sich über die zunehmenden Kürzungen im Kulturbereich zu äußern. Insofern ist dieses Projekt nicht nur ein künstlerisches Statement, sondern auch eine Einladung zu einem Dialog über die Transformationen im öffentlichen Raum und im Internet, über das Projekt selbst oder über Rolle des Kunstvereins als einer öffentlichen Institution.

* Stephan Dillemuth ist Künstler und unterrichtet an der Akademie für Bildende Kunst in München. Er arbeitet seit längerem an einem Projekt „The Academy And The Corporate Public“ über Veränderung des Öffentlichkeitsbegriffs, Lebensreform, Bohème, Armut. Mitunter untersucht Dillemuth zur Überprüfung aktueller Fragestellungen historische Bewegungen, doch stellt er diese Recherchen jedoch stets mit experimentellen künstlerischen Mitteln in Frage.

* Christian Heck ist Medienkünstler und Autor, arbeitet bevorzugt im Zwischenraum des Wortes "process" und dem Schreiben dieses Wortes. Dort bietet er HowTo's und stellt Fragen z.B. nach der Verbindung von Kunst-Werk-en und Werk-Zeug-en, von der Nutzung offener Werkzeuge (FLOSS), bzw. in wie weit geschlossene / proprietäre Software dazu beiträgt, offene Kommunikationmodelle zu untergraben, oder aber warum selber programmieren einfach cooler ist.

* Das Internet als Ausstellungsplattform - das Online-Projekt Kaskade: Die Intervention von Stephan Dillemuth und Christian Heck ist der erste Beitrag zum Projekt Kaskade, das als virtuelle Erweiterung des Ausstellungsprogramms des Kunstvereins in 2012 konzipiert ist. Das Projekt Kaskade wird während eines Zeitraumes durchgeführt, während der sich die Webseite des Kunstvereins im Umbau befindet.

Im Laufe des Projektes werden insgesamt fünf Künstler eingeladen, die Webseite des Kunstvereins in die Hand zu nehmen und dabei die öffentliche Darstellung der Institution zu gestalten. Der Titel Kaskade ist der Technologie "Cascading Style Sheets" entnommen, welche die technische Basis für das Projekt liefert. Die Projektteile finden zu einer Zeit statt, während der keine Ausstellungen im Kunstverein präsentiert werden. Die Arbeitspraxen der eingeladenen Künstler basieren auf digitalen Medien, dem Internet, institutioneller Kritik oder Interventionen. Ein durchgehendes Thema ist die Rolle und die Funktion des öffentlichen Raumes. Das Projekt lädt gezielt Künstler mit sehr unterschiedlichen ästhetischen Ausrichtungen ein, um die "Corporate Identity" des Kunstvereins für eine bestimmte Zeit zu destabilisieren. Im August 2012 werden im Rahmen von Kaskade drei weitere Online-Beiträge für jeweils eine Woche präsentiert.

* Laura Schleussner Künstlerische Leitung

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Kaskade. Dieser Verein ist in deinem Land nicht verfügbar
Internet als Ausstellungsplattform
Online-Intervention von Stephan Dillemuth und Christian Heck