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„Welche Sprache sprichst du Fremder? ... Sag, woher kommst du? Von weither? Es macht keinen Unterschied, hier ist jeder ein Außenseiterin.“ Mit diesen Worten lädt Abderrahim Al Azalia die Besucherinnen der Kunsthalle Münster ein, in die Halqa – den Kreis der Zuschauer*innen – einzutreten und seiner Geschichte zu lauschen. Normalerweise erzählt Abderrahim Al Azalia seine Geschichten auf dem Djemaa el Fna, dem zentralen Marktplatz Marrakeschs, in dem Film von Katia Kameli dagegen wandert er durch den Rohbau von Marrakeschs Opernhaus. Und anders als man zunächst denkt, hört man keine Geschichte, die dem arabischen Raum entstammt und sich von Generation zu Generation mündlich übermittelt hat, sondern die Geschichte des Bollywood-Films Dosti (1964). Die Kunst des Geschichtenerzählens ist seit jeher fester Bestandteil der arabischen Kultur; mit The Storyteller (2012) steht ein Film über diese traditionelle Kunstform am Beginn von Katia Kamelis Ausstellung in der Kunsthalle Münster – ihrer ersten Einzelausstellung in einer deutschen Institution. Als eine Art Prolog leitet die Arbeit zentrale Fragen hinsichtlich der historischen Authentizität von Erzählungen ein.

Mit Katia Kameli: She Rekindled the Vividness of the Past zeigt die Kunsthalle Münster eine Ausstellung über das Erzählen von Geschichte(n) und lädt ihre Besucher*innen ein, sich mit der Konstruktion und Dekonstruktion von Geschichte auseinanderzusetzen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der komplexen Beziehung von Kolonialismus und Post-Kolonialismus sowie dem nachkolonialen Erinnern. In ihrer Auseinandersetzung mit der Geschichte Algeriens, dem Schreiben ihres algerischen Romans führt die französisch-algerische Künstlerin vor Augen, dass sich der Begriff des Post-Kolonialen keineswegs in einem zeitlichen danach erschöpft, sondern eng mit den sozialen Konflikten der Gegenwartsgesellschaft zusammenhängt. In ihren Werken geht Kameli der Macht von Narrativen nach, der Rolle der Bilderfabrik sowie deren Bedeutung für das Herausbilden einer nationalen Identität. Sie untersucht, wie sich koloniale und postkoloniale Geschichte in Bildern manifestiert und wie deren Existenz aber auch deren Absenz das politische Erbe eines Landes prägen. Ihre Filme bedeuten eine Auseinandersetzung mit der bildlichen Darstellung der Geschichte in einer Kultur, die seit jeher gegenüber Bildern verschlossen ist.

Katia Kamelis mehrteilige filmische Arbeit Le Roman Algérien (2016, 2017, 2019) steht im Zentrum ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Münster. Neben den ersten beiden Kapiteln wird in Münster erstmals auch das neuproduzierte dritte Kapitel zu sehen sein.

Kuratorin: Merle Radtke