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Der Schweizer Künstler Kilian Rüthemann geht bei seinen Arbeiten von der gegebenen Raumsituation und dem konkreten Ausstellungskontext aus. Seine raumgreifenden Installationen und Skulpturen entstehen in situ und sind meist nur für die Laufzeit der Ausstellung existent. Rüthemanns Interesse gilt den architektonischen und räumlichen Aspekten eines Ortes. Durch minimalistische und präzise kalkulierte Eingriffe in den Raum eröffnet er neue Sichtweisen auf dessen Form und Beschaffenheit. Dem Handwerk und dem direkten Arbeiten mit dem Material vor Ort kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Einfache Materialien wie Gips, Zement oder Salz werden sowohl hinsichtlich ihrer skulpturalen Qualitäten als auch ihrer Entfaltung im Raum untersucht. Sie werden formalen und ästhetischen Fragestellungen unterzogen. Das Potenzial der enttarnten Eigenschaften dieser funktionalen Werkstoffe wird anschließend umgedeutet. Hierbei beschäftigen Rüthemann weniger das Statische oder Dauerhafte als vielmehr Transformations- und Auflösungsprozesse. Seine Werke zeichnen sich gerade durch ihre Unbeständigkeit und Temporalität aus, die Spuren des Arbeitsprozesses wie des Zerfalls bleiben sichtbar.

"Walking Distance" zeigt drei Arbeiten Rüthemanns in adaptierter Form, die der Künstler in Auseinandersetzung mit der gegebenen Raumsituation im Künstlerhaus Bremen geschaffen hat. Ein Teppich aus Gips erstreckt sich schief über den Boden des lang gezogenen Raumes. Der installative Eingriff modifiziert die Wahrnehmung des Raumes, verleiht ihm Dynamik. Gleichzeitig schränkt er den Betrachter in seiner Bewegungsfreiheit ein. Gesten und Bewegungen des Künstlers spiegeln sich in den Bewegungen des Betrachters wider, sie schreiben ihm scheinbar unbewusst vor, wie er den Raum zu erkunden hat. Die Fensterfront wird von zwei sich kreuzenden Diagonalen aus rauem Flüssigputz überzogen, die sich jedoch in ihrem Verlauf dem architektonischen Gefüge anpassen. Verputz-Maschinen, wie sie normalerweise auf Baustellen verwendet werden, verwandeln sich in riesige Spraydosen, mit denen Beton-Flüssigputz an die Wand gesprüht wird. Die Strenge des minimalistischen Ansatzes wird hier augenscheinlich aufgelockert. Auf der gegenüberliegenden Wand zieht sich eine prismenförmige Linie aus Stuck leicht gewellt über die gesamte Länge des Raumes. Eine Arbeit, für die der Künstler auf die traditionelle Handwerkstechnik des Stuckaturziehens zurückgreift.

"Walking Distance" bleibt keine bloße Versammlung formaler und gestischer Zitate, sondern lässt die Arbeiten unmittelbar in Beziehung zueinander treten. Rüthemann überrascht mit großen und einfachen Gesten, die uns Raum in seiner Beschaffenheit und Architektur direkter bewusst werden lassen.