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Das Spektrum der Materia­­lien, aus denen Kunst­wer­ke entstehen, hat sich seit den 1960er Jahren in fast unüber­schau­­ba­­rer Weise erweitert. Im Zuge der sich auflö­sen­den Grenzen zwischen den Medien fanden neue, zuvor unbeach­tete Werkstoffe Eingang in die Kunst. So kommen seither auch Materia­­lien wie Fäden, Garne und Stoffe, die tradi­tio­­nell mit Handwerk oder Kunst­­han­d­­werk verbunden sind, zum Einsatz. Mit etwa 80 Werken von 37 Künst­le­rin­­nen und Künstlern geht die Ausstel­­lung der Frage nach, welchen Stellen­wert Textilien in der Kunst seit 1960 einnehmen, welche Tendenzen sich bis heute beobachten lassen und welche Inten­tio­­nen mit der Verwendung so unkon­­ven­tio­­nel­­ler Materia­­lien wie Filz, Kleidungs­stücke oder Strick­­stoffe verbunden sind. In den Gattungen Relief, Skulptur, Objekt, Instal­la­tion, Collage und Video werden Arbeiten inter­na­tio­nal renom­­mier­ter Künstler und Künst­le­rin­­nen wie beispiels­­weise Joseph Beuys, Franz Erhard Walther, Reiner Ruthenbeck, Rosemarie Trockel, Sigmar Polke, Cosima von Bonin und Josephine Meckseper gezeigt, außerdem junge, aktuelle Positionen von Simone Rueß, Gabriela Oberkof­ler und Anja Luithle.

Textilien begleiten den Menschen in allen Phasen seines Lebens von der Geburt bis zum Tod. Herge­­stellt aus tierischen, pflanz­­li­chen oder synthe­ti­­schen Fasern sind sie nicht nur als wärmende und schüt­zen­de Kleidungs­stücke unent­­behr­­lich, sie finden ebenso in unzähligen alltäg­li­chen Vorgängen Verwendung oder dienen in unter­­schie­d­­lichs­ter Art und Weise der Dekoration von privaten und öffent­­li­chen Räumen. Jahrhun­­der­te­lang blieb die künst­le­ri­­sche Nutzung textiler Materia­­lien im Wesent­­li­chen auf die Verwendung von Stoffen als Bildträger in der Malerei oder aber auf den Bereich der Tapis­­se­rien, Bildtep­pi­che und Gobelins beschränkt.

Die Etablie­rung von Textilien als autonome künst­le­ri­­sche Werkstoffe begann erst in den 1950er Jahren und erfuhr seit 1960 im Kontext des allge­­mei­­nen revolu­tio­nären Aufbruchs der Künste, der Erwei­te­rung des Kunst­­­be­­griffs und des neuen Interesses an verän­der­li­chen, instabilen und amorphen Materia­­lien einen ungeahnten Aufschwung. Seither sind so ungewöhn­li­che Materia­­lien wie Filz, Bettwäsche, Teppiche oder Häkel­ob­jekte selbst­­ver­ständ­li­che Gestal­tungs­­e­le­­men­te in der inter­na­tio­na­len Gegen­warts­­kunst.

Ebenso vielfältig wie die textilen Materia­­lien selbst sind auch die Inten­tio­­nen, mit denen diese ursprüng­lich oftmals weiblich konno­tier­ten Werkstoffe als zeitge­mä­ße Bedeu­tungs­trä­ger einsetzt werden. Von Joseph Beuys bis Erwin Wurm, von Louise Bourgeois bis Rosemarie Trockel reicht das Spektrum der größten­teils inter­na­tio­nal renom­­mier­ten Künst­le­rin­­nen und Künstler, die mit charak­te­ris­ti­­schen Werken vertreten sind. So präsen­tiert die Ausstel­­lung ein weites Feld indivi­­du­el­­ler künst­le­ri­­scher Haltungen und lässt auf gleicher­ma­ßen überra­­schende wie faszi­­nie­rende Weise anschau­­lich werden, wie diffe­ren­­ziert und phanta­­sie­voll der Umgang mit textilen Materia­­lien in der zeitge­nös­si­schen Kunst sein kann.

Zum Beispiel Filz: Dieses in der Geschichte der Kunst ganz unübliche Material fand um 1960 durch Joseph Beuys - etwa zeitgleich mit dem bislang ebenfalls tradi­ti­­ons­lo­­sen Werkstoff Fett - erstmals Eingang in den Kunst­­­be­reich. Während sich bei Beuys biogra­­fi­­sche Bezüge mit symbo­­li­­schen Bedeu­tun­­gen und prakti­­schen Funktio­nen des Materials verbinden, inter­es­­sie­ren seinen ameri­­ka­­ni­­schen Künst­ler­­kol­le­­gen Robert Morris in erster Linie die formalen Eigen­­schaf­ten dieses Materials. Morris' Experi­­mente mit Filz setzen 1967 ein und thema­ti­­sie­ren mit Hilfe des flexiblen Stoffes, der lose an die Wand gehängt und vielfach geschich­tet wird, Überle­­gun­­gen zur Schwer­­kraft, zum Raum und zum Prozess der Formfin­­dung. Filz spielt nicht zuletzt bei A. R. Penck eine wichtige Rolle: Sein "Aschen­­put­tel" von 1988 ist ein gleich­­zei­tig abstrakt und seltsam wesenhaft anmutendes Gebilde, das an ein buntes, weiches, überdi­­men­­sio­na­les Spielzeug denken lässt, vom Künstler jedoch im Rahmen seiner Werkgruppe der "Standart-Modell"-Plastiken als Entwurf eines "idealen Roboters für alle Arbeiten" gedacht war.

Folgende Künst­le­rin­­nen und Künstler sind mit Werken in der Ausstel­­lung vertreten:

Thomas Bayrle / Joseph Beuys / Alighiero e Boetti / Cosima von Bonin / Louise Bourgeois / Jürgen Brodwolf / Robert Elfgen / Tracey Emin / Tom Früchtl / Gotthard Graubner / Hösl & Mihaljevic / Ritzi Jacobi / Isabell Kamp / Kimsooja / Martin Kippen­­ber­­ger / Anja Luithle / Josephine Meckseper / Robert Morris / Stefan Müller / Ernesto Neto / Sebastian Neubauer / Gabriela Oberkofler / A. R. Penck / Sigmar Polke / Dieter Roth / Anila Rubiku / Simone Rueß / Reiner Ruthenbeck / Nada Sebestyén / Ulrike Tillmann / Rosemarie Trockel / Patricia Waller / Franz Erhard Walther / Martel Wiegand / Erwin Wurm / Martina Ziegent­ha­­ler / Beat Zoderer