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Eröffnung: 26. September 2008, 19:00 Uhr

Seit es Kunst gibt, setzt sich diese mit Leben und Tod auseinander. Bereits den ältesten Höhlenmalereien, den frühesten Beispielen von Skulptur, den ersten künstlerischen Äußerungen von Menschen liegt diese Thematik zugrunde. Leben? Biomorphe Formen in der Skulptur nimmt Bezug auf neue Tendenzen in der künstlerischen Auseinandersetzung mit Aspekten des Lebendigen und konzentriert sich dabei besonders auf Skulpturen, die explizit mit biologischem – das heißt biomorphem – Formenvokabular arbeiten.

Die modernen Wissenschaften konnten im Verlauf der letzten 200 Jahre in einem erstaunlichen Tempo viele Rätsel zur Entstehung des Lebens lösen und Erklärungsmodelle für die komplexen Prozesse rund um die Entstehung von Leben finden. Die moderne Biologie ist eine jener wissenschaftlichen Disziplinen, die sich am rasantesten entwickelt haben. Der aktuelle Erkenntnisstand der Molekularbiologie und besonders der Genetik ermöglicht es, direkt in die Dynamik des Lebendigen einzugreifen. Diese Entwicklung polarisiert: Während mikrobiologisch fundierte Techniken immer weiter in die alltägliche Lebenswelt von Menschen integriert werden und in Wissensgebieten wie der Landwirtschaft oder der Medizin ohne deren Anwendung Stillstand eintreten würde, gibt es – vor allem in den Vereinigten Staaten - fundamentalistische religiöse Strömungen, die das Rad der Zeit zurückdrehen möchten und wissenschaftliche Erkenntnisse als subjektive Meinungen betrachtet wissen wollen. Dies hat zum Beispiel dazu geführt, dass die Evolutionstheorie in manchen amerikanischen Schulen nicht mehr als wissenschaftliches Modell vermittelt werden darf.

In der Bildenden Kunst wurden im Laufe der Zeit viele der Veränderungen in unserer Beziehung zur Natur und unserer Rolle in derselben vorweggenommen, abgebildet und konterkariert. Die einfache Tierdarstellung wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert von wissenschaftlichen Auseinandersetzungen durch Künstlerinnen und Künstler abgelöst. Ernst Haeckel beispielsweise war gleichermaßen Künstler wie Wissenschaftler und einer der wichtigsten Propagandisten der Evolutionslehre sowie ein maßgeblicher Unterstützer von Charles Darwin. Dieser wiederum baute viele seiner wissenschaftlichen Argumentationen auf Bildern auf, die aus der Kunst seiner Zeit hervorgegangen sind. Gerade heute ist es wieder an der Kunst, in diesem Spannungsfeld Bilder und Ideen zu entwickeln. In jüngster Zeit ist – auch als Reaktion auf den erweiterten Raumbegriff – eine stärkere Zuwendung von KünstlerInnen zur konzisen Form der Skulptur zu beobachten. Viele der neueren Skulpturen zeigen Möglichkeiten auf, wie Kunst uns helfen kann, komplexe räumliche Konstellationen der Natur besser zu verstehen und die Möglichkeiten, Natur im Experiment zu verändern oder auch entstehen zu lassen, anschaulicher nachzuvollziehen. Kunst kann nicht simpel illustrieren, Kunst kann auch nicht einfach argumentieren, aber Kunst kann Bilder vermitteln, die ein besseres Verstehen dieser Zusammenhänge erleichtern. Diesen Prozess möchte die Ausstellung anregen, und in den ausgewählten Werken werden viele unterschiedliche Betrachtungsweisen und Bezüge sichtbar. Es wird keine durchgängige Theorie des Biomorphen angeboten, sondern eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Bildern des Lebens, in Strukturen, in neuen Mythen, wuchernd und bedrohlich, anheimelnd und freundlich.

Dieser Diskurs ist auch im Kontext des ‚Friendly Alien’ spannend, der demnächst seinen 5. Geburtstag feiert und als ein besonderes Beispiel biomorpher Architektur gilt – als Form des Bauens, die den Beginn des 21. Jahrhunderts dominiert und Zeichen einer neuen Zeit setzt. Oft wird Architektur als Skulptur gesehen; diese Ausstellung soll eine Auswahl von Skulpturen und Raumkonstellationen untersuchen, die nicht Architektur sind, jedoch in Relation zur biomorphen Architektur des Space01 spannende neue Perspektiven eröffnen.

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Leben?
Biomorphe Formen in der Skulptur
Kuratoren: Katrin Bucher Trantow, Peter Pakesch

Künstler: Ruth Asawa, Louise Bourgeois, Berlinde De Bruyckere, Lee Bul, Wolfgang Flad, Gabriela Fridriksdottir, Siobhan Hapaska, Julie Hayward, Georg Herold, Agnieszka Kalinowska, Liz Larner, Ernesto Neto, Carsten Nicolai, Pino Pascali, Jill Spector, Eva Helene Stern, Franz West, Xiao Yu, Xu Zhen