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Vernissage Freitag, 11. April, 19h

„L‘ Education sentimentale“ (dt. „ Die Erziehung der Gefühle“) zeigt drei unterschiedliche künstlerische Strategien der Appropriation von Film, Bild und Musik und einer daraus abgeleiteten Dekonstruktion der Begriffe Subjekt und „das Andere“.

In Gustave Flauberts gleichnamigem Roman von 1869 wird die Desillusionierung eines jungen Mannes in der Grossstadt beschrieben, dessen hohe Ziele und Chancen in der Gesellschaft, angesichts einer unerfüllten Liebe zu einer verheirateten Frau und der politischen Ernüchterung, in der sich seine Generation verstrickt, scheitern.

Die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten folgen nun dieser Formulierung einer Erziehung der Gefühle über das Stilmittel der Appropriation, in dem sie die Begriffe des „Subjekts“ und „des Anderen“ auf ihre Grundbedingungen, Konventionen und Wechselwirkungen hin dekonstruieren.

Der Ausstellungstitel wird dabei vor allem als inhaltliche Spur verstanden, die nicht versucht, die drei Positionen auf ihre inhaltlichen Gemeinsamkeiten hin zu untersuchen. Sondern das Interesse gilt den Strategien, wie diese Erprobungen das Subjekt gegen-über dem „Anderen“, nicht als Massstab der Deutung, sondern das „Andere“ als Teil des Eigenen verstehen, oder sich zumindest nicht eindeutig davon abheben können.

Der in Berlin lebende israelische Künstler Dani Gal(*1975) reinszeniert in seinem 16mm Film „Oscillations“ 2007, die letzte Szene des Tarkovsky Filmes „The Stalker“ von 1979.

Darin sitzt die anscheinend mit telekinetischen Kräften ausgestattete Tochter des Stalkers an einem Tisch, auf dem sich drei Gläser ohne erklärbaren Grund bewegen. Während in der Original Version dieser Szene unaufgelöst bleibt, ob sich die Gläser aufgrund ihrer telekinetischen Fähigkeiten oder aber einfach bloss aufgrund der Vibrationen eines nahe am Haus vorbei fahrenden Zuges bewegen, setzt Dani Gal das Reenactment dieser klassisch anmutenden Szene einer Probe seiner Frankfurter Punk Band „Pornoheft“ gegenüber. Diese wird beim Proben in einem ehemaligen Nazi Bunker gefilmt, wobei die Kamera auf einem Bassverstärker plaziert wurde, die entsprechend dessen Frequenzen vibriert. Das verbindende Element dabei sind die Tonaufnahmen der Spielpausen dieser Probe, welche unabhängig von den beiden Filmelementen gespielt wird.

Dani Gal zerlegt hiermit vordergründig stark unterschiedlich konotierte Bild- und Tonelemente in ihre Einzelteile, wobei er die Ambivalenz von Ursache und Wirkung als auch von Subjekt und Norm in den Vordergrund stellt. Das „Andere“ wird hierbei zu etwas „Fremdem“, ein unheimliches, rätselhaftes Erscheinen von etwas, was einerseits ausserhalb der normativen Erklärungen zu stehen, als gleichzeitig auch das Resultat eines banalen Zusammenspiels einfacher physikalischer Vorgänge sein könnte.

In ihren Collagen, Gouache Malereien und Zeichnungen geht die ebenfalls in Berlin lebende Amerikanerin Megan Sullivan (*1975) der Ikonografie junger Männern nach, die sie in Magazinen und anderen Bildquellen einer ästhetisierten zeitgenössischen Männerwelt und ihren kommerzialisiertem Gegenpart findet. In schwarz- weisser Distanz, unsicheren Gesten und zerbrechlichem Habitus eingefroren, befinden sich Sullivans Arbeiten stets am Übergang zwischen Farce und jugendlicher Schwärmerei.

Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten nähern sich dem Mythos David Kennedys, JFKs verheissungsvollem Neffen (und Sohn von Bob Kennedy) welcher 1984 im Alter von 28 Jahren in einem Luxushotel in Palm Beach an einer Überdosis starb. Heute scheint die Figur David Kennedy verblichen, abgesehen von ein paar auf dem Internet zirkulierenden Bildern, welche ein anonymer, immer noch treu ergebener Fan auf einer Webseite zusammen getragen hat.

In ihrer neusten Arbeitsgruppe versucht Sullivan nun sich auf eine subjektive Art dieser Person auf den verpixelten Fotos zu nähern, und porträtiert vor allem eine meist gehetzte, zerbrochen-glamouröse Medien Figur. Die an und für sich romantischen Bilder werden überschattet von Davids tragischem Schicksal, der als kleiner Junge im Fernseher sah, wie sein Vater erschossen wird, und seinen vergeblichen Versuchen sich von den Drogen los zu sagen und dem Namen Kennedy gerecht zu werden.

Gleichzeitig dienen sie als Projektionsfläche auf der das abgebildete Subjekt nichts als eine grammatische Struktur bleibt.

Wie der Held in Flauberts Roman, verkörpern Sullivans David Kennedy Arbeiten eine eigen-artige Tragik; der Realität entnommen und dennoch eigentlich an ihr gescheitert, zugunsten idealisierter, schwämerisch-unerfüllter Gedanken.

Die Arbeit der in Zürich lebenden Künstlerin kroatisch- albanischer Herkunft Tanja Roscic (*1980) hingegen orientiert sich weniger an einer konzeptuellen Dekonstruktion als viel mehr an deren emotional aufgeladen Ausführung. Sie verfolgen oft formal- spielerische Strategien der Zersetzung, Aneignung und Wiederverwendung politischer und musikalischer Bezüge, wie sie etwa Punk kennt.

In diesem Zusammenhang schafft Roscic Zeichnungen, Malerei aber auch Skulpturen und Performances, die einen stark ironisierten Umgang mit dem „Subjekt“ und dem „Anderen“ aufzeigen. Dabei werden sowohl Arbeiten, in denen die Künstlerin selbst abgebildet ist, nie als „Selbst-portrtait“ deklariert. Gleichzeitig zeigen viele ihrer Arbeiten weibliche Figuren, welcher der Künstlerin ähnlich sehen, und die von der Künstlerin als „ideale Freunde“ bezeichnet werden.

In Verbindung mit Elementen welche die Aura von Glamour und immer gleichzeitig auch der Protestkultur anhaften, gelingt es Roscic, die Inszenierung des Subjekts zu verfremden, das rätselhaft und durchaus düster erscheint, sich aber auch nie scheut, der Lächerlichkeit preis zu geben.

Roscic Arbeiten dekonstruieren und erweitern somit nicht nur die verschiedenen Persona, welche die Künstlerin in ihrer Arbeit mit- und gegeneinander verwendet, sondern auch die Bezüge und Identifikationen, die sie vordergründig aufweisen. Textelemente, Materialien und Gestik ihrer Arbeiten nehmen sich selbst in ihrer Verweigerungshaltung, ihrem Glamour und ihrem Leiden nur halb ernst.

Dani Gal wurde 1975 in Jerusalem, IL geboren und studierte u.a. an der Bezalel Academy Jerusalem, der Frankfurter Städelschule und der Cooper Union in New York. Er lebt in Berlin.

Ausstellungen (Auswahl): Smart Project Space Amsterdam NL (g, 2008), Villa Romana Florenz, IT (s, 2008), INSA Art Space Korea (s, mit Achim Lengerer, 2007), Kunsthalle Baselland CH (g, 2006), und bei Freymond-Guth mit “La Battaglia“ (s, 2007), „If on a winter’s night a traveller“ (g, 2006) u. „Role Model“ (g, in “The John Institute, 2007) Dani Gal ist Preisträger des Villa Romana Stipendiums 2008 seine Ausstellung in der Deutschen Guggenheim wird in dessen Zusammenhang am 25. April 2008 eröffnet.

Megan Sullivan wurde 1975 in Connecticut USA geboren und studierte an der Jan van Eyk Academie Maastricht NL, Hochschule der Künste Berlin, der Frankfurter Städelschule und der Cooper Union in New York. Sie lebt in Berlin.

Ausstellungen (Auswahl): “Palace” mit John Institute (g, 2008), Broadway 1602 New York (s, 2006 & 2007), Anna Helwing Gallery Los Angeles USA (g, 2007), Galerie Gisela Capitain Cologne, DE, STUK, Leuven B, (g, 2007), und Instituto Divorciados Berlin (g, 2007).

Tanja Roscic wurde 1980 in Zürich geboren und studiert an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie lebt in Zürich.

Ausstellungen (Auswahl): Helmhaus Zürich CH, (g, 2007), Park VBK, Zürich, CH (p, 2007), Wartesaal Zürich CH (s, 2007), value Zürich CH (p, mit Cristian Andersen, 2007). 2008 wird Tanja Roscics Arbeiten in Einzelausstellungen bei Neuropa, The Modern Institute Zürich CH und Freymond-Guth gezeigt werden. s= Einzelausstellung, g= Gruppenausstellung, p= Performance

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L'Education sentimentale
Dani Gal, Tanja Roscic & Megan Sullivan