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Eröffnung: 31. Oktober 2008, 19.30 Uhr

Mit seiner letzten großen Ausstellung LOSS OF CONTROL verabschiedet sich JAN HOET nach achtjähriger Tätigkeit als inspirierender Gründungsdirektor des MARTa Herford.

„Dieser seltsame Hang zu den Verwirrungen des Fleisches, dieser Drang zur Ferkelei um der Ferkelei willen, diese Brunst, die sich ganz in der Seele ereignet, ohne daß sich der untersuchte Körper darein mischt, dieser fade und begrenzte Trieb, der letztlich mit dem Zeugungsinstinkt nur sehr entfernte Beziehungen hat, bleibt eigentümlich rätselhaft, wenn man darüber nachdenkt. Zerebraler Erethismus, Geilheit des Gehirns, sagt die Wissenschaft; und wenn dieser Zustand andauert und sich verschlimmert und im Organismus gewisse Störungen hervorruft, so spricht sie von „mentaler Hysterie“ und empfiehlt lindernde Mittel: Hopfenmehl, Kampfer, Bromid, Kalium und Duschen. [...]. Auf dem Gebiet der Kunst müsste diese mentale Hysterie oder dieses verdrießliche Vergnügen sich in Werken niederschlagen und die Bilder bannen, die es selbst hervorgebracht hat.“ schreibt 1896 der berühmte französische Autor und Kritiker Joris-Karl Huysmans über Félicien Rops zwei Jahre vor dessen Tod 1898.

Eines der großen „heimlichen“ Themen in der Kunst des 19. Jahrhunderts wird in Jan Hoets Abschiedsausstellung LOSS OF CONTROL befragt und bis in die heutige Gegenwart hinein aktualisiert – der permanente Austausch zwischen Kunst und Leben, zwischen Wahnsinn und Genie, zwischen Tod und Sexualität. Seit dem 19. Jahrhundert schaffen Künstler, indem sie den Paradiesen ihrer Imagination und der Hölle ihrer inneren Zwangsvorstellungen Ausdruck zu verleihen suchen. Ist Félicien Rops Pornocrates (1878) – eine heroisch stolze und nur spärlich bekleidete Frau, die von einem Schwein geleitet wird - nicht ein kongenialer Ausdruck männlicher Obsessionen des späten 19. Jahrhunderts ?

Hochkarätige Leihgaben aus dem Musée Félicien Rops in Namur, des Musée royaux des Beaux Arts de Belgique, der Collection Musée Royal de Mariemont, Morlanwelz, der Bibliotheque Royale de Belgique und aus weiteren Privatsammlungen vermitteln Einblicke in thematische Bildkontexte, die die kollektive dekadente Mentalität der Bourgeoisie gegen Ende des 19. Jahrhunderts wie in einem Brennglas vergrößern und ästhetisch übersteigern.

Im Zentrum von Jan Hoets letzter großen Ausstellung steht jedoch nicht nur eine Ausstellung mit einer Auswahl aller bedeutenden Schaffensperioden Félicien Rops, dem Zeitgenossen James Ensors; die Ausstellung wird unter enger Beteiligung des zeitgenössischen belgischen Künstlers Jacques Charlier realisiert. Zwischen Rops und Charlier lassen sich unterschiedlichste Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen vergangenen und gegenwärtigen Zeiten erkennen: der karikierende Blick auf die Welt, die „Inszenierung“ der Frau, der Wagemut und die Lust am Schockieren, aber auch die Fähigkeit den Menschen hintergründig zur intimen Selbstbeobachtung zu animieren.

Im imaginären Dialog mit dem großen belgischen Symbolisten stehen weitere Künstlerinnen und Künstler wie Louise Bourgeois, Hans Bellmer, Jean Dubuffet, Tracey Moffatt, Francis Picabia, Bjarne Melgaard, Yue Minjun und eine Reihe von künstlerisch tätigen Menschen, die unter der Bezeichnung Outsider-Kunst an der Grenze zwischen Kunst und psychischen Extremzuständen leben und arbeiten. Flankiert wird LOSS OF CONTROL dabei von weiteren eigenständigen Bilderwelten, in denen das historische Spannungsfeld zwischen Kunst und Psychiatrie offenbar wird: den berühmten Fotodokumenten hysterischer Patientinnen des Psychiaters Jean Martin Charcot, ausgewählten Arbeiten aus der Prinzhorn-Sammlung und der Sammlung ART EN MARGE /Brüssel soweit Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die aus dem Umfeld der Art Brut stammen.

In der ersten Etage präsentiert Marco den Breems eine raumfüllende Installation, die den Anspruch der westlichen Avantgardekunst unterläuft und ganz von afrikanisch inspirierter, „gelebter“ Magie durchdrungen ist.

Antonin Artaud, Hans Bellmer, Louise Bourgeois, Jacques Charlier, Jean Dubuffet, Jörg Immendorff, Bjarne Melgaard, Henri Michaux, Yue Minjun, Tracey Moffatt, Francis Picabia, Félicien Rops, Adolf Wölfli und ca. 40 weitere Künstlerinnen und Künstler.

LOSS OF CONTROL ist ein Gemeinschaftsprojekt von und mit: JAN HOET / MARTa Herford Véronique Carpiaux, Musée Provincial Félicien Rops Carin Fol, ART EN MARGE /Brüssel Jacques Charlier und Marco den Breems

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LOSS OF CONTROL
Grenzgänge zur Kunst von Félicien Rops bis heute

Künstler: Meta Barbara Anderes, Antonin Artaud, Rose Aubert, François-Marie Banier, Hans Bellmer, Else Blankenhorn, Paul Blockx, Louise Bourgeois, Marco den Breems, Jacques Charlier, Marguerite Burnat-Provins, Jaques Charlier, Aloise Corbaz, Ronny Delrue, Suzanne Deslaeve, Janko Domsic, Jean Dubuffet, Hilde d´Hondt, Cecile Franceus, Miss G. , Josef Heinrich Grebing, Martha Grunenwaldt, Emma Hauck, Johann Hauser, Jörg Immendorff, Karl Junker, Stefan Klojer, E. Paul Kunze. Raphael Lonne, Clara Marie Lucie Maquet, Bjarne Melgaard, Henri Michaux, Jef Michiels, Yue Minjun, Jakob Mohr, Mohammed Mrabet, Heinrich Anton Müller,
Tatsumi Orimoto, Tracey Moffatt, Francis Picabia, Laure Pigeon, Eugene Pirodon, Andre Prues, Paul Richer, Felicien Rops, Joseph Schneller, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Judith Scott, Franca Settembrini, Richard Sprick, Jeanne Tripier, Louis Umgelter, Agnes de Waele, Ludwig Wilde, Scottie Wilson, Klaus Wittkamp, Maria Wnek, David Woodard, Adolf Wölfli, Anna Zemankova, Unica Zürn