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Loulou Cherinet (*1970) inszeniert in ihren seriellen Fotografien und Videoarbeiten Geschichten, die den Betrachter in seiner gewohnten Sichtweise irritieren. Vor dem Hintergrund ihres eigenen Lebens auf unterschiedlichen Kontinenten thematisiert die Kuenstlerin in ihren Arbeiten Fragen kultureller Identitaet und verfolgt bei ihrer Sichtweise auf Europa bzw. den Westen mit kuenstlerischen Mitteln die Idee einer inversen Ethnographie, d.h., sie spielt mit den gewohnten Sichtweisen eines europaeischen Blicks auf den afrikanischen Kontinent, indem sie diesen Blick umkehrt.

Der Film WHITE WOMEN (2002) ist dieses Jahr bereits auf der Sydney Biennale vorgestellt worden. Neun afrikanische Maenner sitzen um einen runden Tisch. Sie tragen alle die gleichen gestreiften Matrosenhemden und sind in eine rege Unterhaltung vertieft. Die Kamera wandert bestaendig um diesen Tisch, so dass die ihr gegenueber sitzenden Maenner nacheinander ins Blickfeld geraten. Sie tauschen ihre Erfahrungen im Spiel von Liebe und Partnerschaft zwischen schwarzen Maennern in der Diaspora und einheimischen weißen Frauen aus. Das Thema und das Setting wurden von der Kuenstlerin vorgegeben; die Dialoge haben sich waehrend des Drehs entwickelt, wodurch der Film seinen dokumentarischen Charakter erhaelt.

Speziell fuer die Ausstellung in Halle fuer Kunst eV hat Loulou Cherinet ein neues Projekt entwickelt, das der Weiterfuehrung des Gedankens der inversen Ethnographie gewidmet ist. Die Doppelprojektion MINOR FIELD STUDY (2004) basiert auf Filmmaterial des kongolesischen Anthropologen Billy Marius, das er zu Studien ueber Pygmaeen an verschiedenen Orten in der Republik Kongo-Brazzaville aufgenommen hat. Von diesem Material hat Cherinet kurze Sequenzen ausgewaehlt und in Filmaufnahmen montiert, die sie in einem Vorort von Stockholm gemacht hat. Dabei kommt es zu Gegenueberstellungen von aequivalenten Situationen. Inwiefern diese Gegenueberstellungen dem Betrachter vertraut oder irritierend vorkommen, haengt von dessen mehr oder weniger fest verankerten Vorstellungen von beiden Orten ab.

Die dritte Arbeit, die von Loulou Cherinet in Lueneburg gezeigt wird, ist eine Serie von neun Fotografien. Ihre Zufallsbekanntschaft mit einem weißen Mann in Aethiopien ist Ausgangspunkt fuer die WHITE MAN SERIES (2001). Die Kuenstlerin hat diesen Mann an verschiedene Orte begleitet, wo er unausweichlich als “Exot" in den Mittelpunkt des Interesses geriet. Der in der europaeischen Sichtweise verankerte Exotismus wird dadurch umgedreht.

Die Ausstellung verdeutlicht die Problematik der Zuschreibung von Identitaet aufgrund geografischer und nationaler Zugehoerigkeit. Cherinet dekonstruiert diese Zuschreibungen in ihren Arbeiten und fragt nach dem Modus der Aneignung, dem Vergleich, der Verleugnung und Infragestellung der Bildung von Subjektivitaet. Das Wissen der europaeisch-nordamerikanischen Gesellschaften ueber afrikanische Denkweisen und Kosmologien ist nach wie vor durch Stereotypisierungen gepraegt. Sie werden erhellt, wenn Loulou Cherinet in ihren Arbeiten den Blick von Außen auf Europa bzw. den Westen richtet. Durch die Umkehrung der Perspektive ermoeglicht sie es, auch uns im Spiegel des Anderen wahrzunehmen.

Die Ausstellungen werden realisiert in Zusammenarbeit mit CAMOUFLAGE, european satellite of TACCA Territórios de Arte e Cultura Contemporânea Africana, Luanda (Angola).

Pressetext

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Ausstellung # 4
Loulou Cherinet DANDELION
Kooperationsprojekt: Halle für Kunst Lüneburg, Kunstraum der Universität Lüneburg, Kunstverein Springhornhof