press release only in german

„(…) Aber es geht nicht nur darum zu versuchen, unterschiedliche vorhandene Frauenbilder zu interpretieren, es geht genauso um die Lust, Wesen zu schaffen, die im realen Leben nicht existieren. Es geht um die Freude am Vertrauten, das immer unbekannt bleibt« (Marlene Dumas über ihre Serie „Female“, 1992- 93).

Die einleitend zitierte und in Südafrika geborene Malerin Marlene Dumas wird von der heutigen Nachwuchsgeneration von KünstlerInnen nach wie vor hochgeschätzt für ihre unvergleichlich sensuelle, introvertierte wie offene Betrachtung der existentiellen Fragen zu Sexualität, Tod und Identität.

Wir haben vier deutsche Künstlerinnen eingeladen, zu Jahresbeginn ihre aktuellen Arbeiten in einer Gruppenausstellung bei uns in der Galerie zu präsentieren. Jede von ihnen widersteht der Frage nach dem zirkulären Denken ums „Frau- Sein“. Vielmehr gilt für sie der Ansatz Isabelle Graw’s von der Aneignung und Abgrenzung (I.G., Dissertation „Aneignung und Ausnahme“, 2003), wenn nicht sogar der Strategie der konzentrierten Zuneigung gegenüber dem individuell gewählten Gegenstand.

Kasemir, Pagenkemper, Suerkemper und Tennigkeit wollen sich den gesellschaftlichen Hierarchien entziehen. Die Künstlerinnen arbeiten an einer Entstellung und Sensibilisierung der Oberflächen, die vorgeben, bereits Bilder zu sein. Ihre Arbeiten kommen der Rückgewinnung einer Sichtbarkeit gleich, die aus der Berührung entsteht, aus dem Umspielen der Membran zwischen Ich und Welt.

Die junge Leipziger Medienkünstlerin MANUELA KASEMIR stellte ihre S/ W- Fotoserie „URD“ unlängst in der von Holger Kube Ventura kuratierten Gruppenausstellung „Bilder vom Künstler“ im Frankfurter Kunstverein aus. In allen 7 Bildern erscheint Kasemir selbst als Protagonistin am Originalschauplatz des nicht mehr bewohnten Hauses ihrer Kindheit, doch treten am Bsp. des in ihrer Rückenansicht nicht mehr schliessenden da zu kleingeratenen Kinderkleidchens Verhältnisverschiebungen auf, die die zuerst poetische Intimität der Fotografien stören. Durch weitere fast unmerkliche Eingriffe ins Bild wie montierter Spiegelungen oder skriptischer Fadengespinste schafft die Künstlerin eine Verzahnung von Gegenwart und Vergangenheit, die beim Betrachter Momente der Konfusion wachrufen.

LEA ASJA PAGENKEMPERs Malereien gleichen einer ornamentalen Verkettung loser Formen, Linien und fliessender Lasuren, geschaffen um Verborgenes freizulegen, um Gedanken freien Lauf zu lassen. „Sanfte Schwester“ heissen ihre Bilder, „Venus“ und „Salome“. Sie sind wie lichte Erscheinungen und wurden prozessual gewonnen aus dem sie umgebenden tiefblauen und schwarz-violetten Grund: eine dreibrüstige Frauengestalt offenbart sich lebensgross dem Betrachter, leuchtende Kaskaden feinlinearer Locken umrahmen ein Gesichtsoval, das sich weiter unten auf einem tellergrossen Rund wiederholt. Pagenkempers Malerei schöpft aus dem Poetischen als der Qualität eines Ausdrucks, der sich der Sprache entzieht. "... sie sind wie Rauch einer Zigarette, der sich leicht und schwebend zwischen Boden und Himmel seinen Platz sucht und verschwindet, eben noch an den Lippen des Lebens hängend, sehnsuchtsvoll zärtlich und im selben Augenblick verloren, (…)". (Gregor Jansen, neuer Leiter der Kunsthalle Düsseldorf, über die Künstlerin, 2009).

CARO SUERKEMPER ist bekannt für ihre Gouachen, in denen der weibliche Charakter dargestellt im Szenarium moderner wie sozio- kultureller Referenzen verschiedene Rollenspiele durchläuft. Seit 3 Jahren arbeitet sie auch mit Keramik, kreiert einzel- und mehrfigurige Skulpturen, denen sie mit partiellen Farbglasuren einen akzenturierten Ausdruck verleiht. Beiden Medien wird gerne der Aspekt des Dekorativen unterstellt, den Suerkemper mit ihren provokanten Motiven sportiver Catcherinnen, Defäktierender in Hockstellung oder lustvoll Gefesselter konterkariert. Sie nutzt die Prägungsspuren des Knetens und das Fliessen der Farbe, um Konturen aufzulösen und somit der Funktion des Beschreibens und Bezeichnens entgegenzuwirken. „Die Selbstdarstellung ihrer Figuren unterläuft sie mit skurriler Überzeichnung. Dabei nimmt die Komik den Bildern keineswegs ihre konfrontative Energie, sondern erhöht ihr Irritationspotenzial.“ (Karsten Müller, Leiter Ernst Barlach Haus Hamburg, über die Künstlerin, 2006)

ALEX TENNIGKEIT will den Rezipienten psychisch tief in ihre Bildwelten hineinziehen und kreiert auf grossformatigen Leinwänden bühnenartige Räume mit starken Fluchten und optisch verzerrenden Fußbodenmustern, um ihre Vision von der modernen Amazone im Kampf zwischen Lust und Martyrium begehbar zu machen. Dahingegen widmen sich die Selbstbildnisse der Künstlerin dem Spiel mit Maskeraden oder Symbolen der Vergänglichkeit, während die Papierarbeiten Einzelmotive derer vom Scheitern und Schicksal Geschlagener darstellen: eine auf die Trage gezwungene Britney, ein lachendes Mädchen auf den Schultern des Todes reitend u.a.. Karin Pernegger, neue Kuratorin an der Kunsthalle Krems, entdeckt in der Tennigkeits Vernutzung medialer Motivvorlagen Strategien des Barock, genauer jener der Allegorie: „Alex Tennigkeit konfisziert ihre Bilder und fügt sie zusammen zu Bilderrätseln.“ (Diess., „A.T.- et in arcadia ego“, in: Kat. „A.T., Usurper’s Choice“, Kerber Vlg. Bielefeld, 2009

only in german

Manuela Kasemir / Lea Asja Pagenkemper / Caro Suerkemper / Alex Tennigkeit