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Die Würfel fallen bereits 1945, als der belgische Surrealist Réné Margritte dem jungen Marcel Broodthaers (1924 in Saint-Gilles, Belgien - 1976 in Köln) ein Gedicht des ersten avantgardistischen Dichters Stéphane Mallarmé, den "Coup de Dés" (Würfelwurf, 1897) schenkt. In dieser Begegnung steckt vieles von dem, was die spätere Kunst von Broodthaers und insbesondere sein zwischen 1964 und 1975 entstandenes gesamtes graphisches Oeuvre durchzieht. Von seinem künstlerischen Vorbild Margritte erhält Broodthaers mit Mallarmés Werk die Bildsprache. Von Margritte selbst übernimmt er die visuelle Poesie und führt sie künstlerisch weiter. Dabei steht Broodthaers zeitlich und stilistisch an der Schnittstelle von der Klassischen Moderne zur zeitgenössischen Kunst und legt Grundsteine, auf deren Einfluss sich Künstler bis heute beziehen.

Während Mallarmé sich noch des reinen Textes bedient, ihn aber typographisch so verwendet, dass er an die Bewegung eines geworfenen Würfels erinnert, verbindet Broodthaers wie vor ihm Margritte mit viel Wortwitz Schrift und Bild und unterstreicht oder widerspricht damit dem Textsinn. Auf Mallarmés Gedicht "Un Coup de dés jamais n'abolira le hasard" bezieht er sich 1969 in einem Buch, in dem er die einzelnen Wörter des historischen Vorbilds durchstreicht. Dadurch betont Broodthaers die Loslösung der Sprache von ihrer Bedeutung umso mehr und unterstreicht den gestalterischen Ansatz des poetischen Avantgardisten. Literarisch bedient sich Broodthaers weiterer Quellen wie Jean de la Fontaine ("Le Corbeau et le Renard", der Fabel vom Fuchs und dem Raben von 1967 und "Comment va la mémoire et La Fontaine?" von 1973) Alexandre Dumas, Charles Baudelaire ("Pauvre Belgique", 1974) und nicht zuletzt des katalanischen Autors Joan Brossa i Cuervo, der zahlreiche neosurrealistische Schriften verfasste und in den sechziger Jahren zeitlich parallel zu Broodthaers mit visueller Poesie experimentierte. Künstlerisch verehrte er zudem Marcel Duchamp und Kurt Schwitters. Broodthaers hinterfragt Wörter und Sprache und ihre Verwendung. Er spielt mit ihnen, um ihnen weitere Möglichkeiten der Deutung, der Assoziation und nicht zuletzt des Witzes zu entlocken als sie im Alltag preisgeben. Broodthaers befreit die Sprache von der reinen Bedeutungsrepräsentation und erhebt sie selbst zum Thema anstatt sich ihrer nur als Mittel zum Zweck zu bedienen.

Als Träger seiner Grafiken dienen ihm Papierblätter genauso wie Umschläge, Glasflaschen, Schulhefte, Filmdosen und Banknoten. Die Technik der Druckgrafik ist ihm dabei eine willkommene Hilfe, um den Bedeutungsebenen von Wort, Bild und Bildträger eine weitere Ebene hinzuzufügen. So führt er 1969 in "La Signature" seine eigene Signatur und damit den Beweis für künstlerische Originalität durch vielfache Wiederholungen ad absurdum. Aktuelle Diskussionen und Geschehnisse greift er 1972 in "Das Recht" auf und thematisiert künstlerisch den Beginn von Debatten um öffentliche Rauchverbote. Um den Adler - vielfach verwendetes Motiv in Broodthaers gesamtem Werk - und seine symbolische, mythologische, kunsthistorische und heraldische Bedeutung kreisen die "Six lettres ouvertes Avis" von 1972. Vieles erschließt sich bei Broodthaers erst auf den zweiten Blick. Die ordentlich aufgeführten Kuhrassen in der zweiteiligen Arbeit "Les Animaux des la Ferme" von 1974 zieren Namen von Automarken. Broodthaers liebt es, den Betrachter in die Irre zu führen und sein genaues Hinsehen zu fordern, um den Witz, die Besonderheit und letztlich die Bedeutung der Grafiken zu dechiffrieren.

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Marcel Broodthaers
Col.lecció d'Obra Gráfica i Llibres

Ausstellung der Grafiken und Bücher