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Das Werk des holländischen Künstlers Marcel van Eeden, der in den letzten Jahren international durch Ausstellungen im Museum für zeitgenössische Kunst in Den Haag und im CGAC in Santiago de Compostela hervorgetreten ist und dessen Arbeiten derzeit auf der Berlin Biennale 2006 gezeigt werden, erscheint auf den ersten Blick fast altmodisch. Auf kleinformatigen Blättern entstehen seit 1993 Tausende von Kohle- und Bleistiftzeichnungen, die eine enzyklopädisch anmutende Themenvielfalt in einer narrativ aufgeladenen Gegenständlichkeit vor uns aufblättern. Erkennbar bedient van Eeden sich bei der Motivsuche aus dem Fundus von Zeitschriften, Büchern oder topografischen Atlanten. Inhaltlich zusammengehalten wird dieser so verwirrend mannigfaltige Schwarz-Weiß-Kosmos durch die Entscheidung des Künstlers, für seine Zeichnungen ausschließlich auf Material zurückzugreifen, das vor seiner Geburt im Jahre 1965 veröffentlicht wurde. Was wir im Abschreiten der blockartig angeordneten Zeichnungsfolgen sehen, ist also ein obsessiver Versuch der Rekonstruktion einer Zeit, die sich der eigenen Erfahrung des Künstlers entzieht. Das Panorama der 1920er bis Mitte der 1960er Jahre, das van Eeden entfaltet, zeigt uns eine Zeitgeschichte, perspektiviert auf ein Ich, das an dieser Geschichte nie teilgehabt hat. Durch interpretierendes Nachzeichnen historischer Themen ergreift der Künstler Besitz von der Vergangenheit. Er markiert dabei zugleich die unüberbrückbare Kluft, die ihn von dieser Historie trennt. Das Schwarz-Weiß der Zeichnungen ist insofern sowohl als Spiel mit der quasi-dokumentarischen Dimension des Projekts zu lesen, wie auch als melancholischer Hinweis auf den nekrologen Charakter des Unternehmens. Interessanterweise bezeichnet van Eeden sein Projekt denn auch als „Enzyklopädie meines Todes“. Auf den ersten Blick mag das irritierend wirken – beziehen sich doch die Arbeiten auf die Zeit vor seiner Geburt. Tatsächlich steht dahinter jedoch die irritierende Erkenntnis, dass der Zustand völliger Abwesenheit der eigenen Erfahrung im gleichen Maße für die Situation vor unserer Geburt, wie für die Zeit nach unserem Tod gilt, was beide Zeiträume auf eine paradoxe Art vergleichbar macht. Die Ausstellung im Kunstverein Hannover zeigt erstmalig die 160 Zeichnungen umfassende Serie „Celia“, 2004–2006, die Text- und Bildelemente in sehr eigenwilliger Weise miteinander kombiniert. Aus insgesamt vier Büchern – J. van Oudshoorns expressionistischem, auch in Holland nicht sonderlich bekanntem Roman Laatste dagen (Last Days, 1927), aus der Autobiografie des Hochstaplers Jack Bilbo, An Autobiography (The first forty years of the complete and intimate life story of an Artist, Author, Sculptor, Art Dealer, Philosopher, Psychologist, Traveller, and a Modernist Fighter for Humanity) (1947), sowie aus T. S. Eliots Cocktailparty (1949) und Robert Walsers Spaziergang (1917) – hat der Künstler jeweils zusammenhängende Textpassagen ausgewählt und mit Motiven in Zusammenhang gebracht, die bis auf eine Ausnahme keinerlei Beziehung zum Textgeschehen aufweisen. Gleichzeitig verzichtet van Eeden auf jegliche Quellenangabe und markiert weder den Anfang noch das Ende der jeweiligen Textabschnitte. Im Ergebnis führt das zu einer Paradoxie: Der Betrachter hat den Eindruck, eine lineare Erzählung vor sich zu haben, deren Logik jedoch in der Text-Bild-Beziehung pausenlos vom Künstler unterlaufen wird. Neben dieser neuen Reihe von Zeichnungen wird auch die Wiegand-Serie zu sehen sein, die bereits auf der Berlin Biennale gezeigt wurde und in der ebenfalls die Verknüpfung von Bild und Text eine zentrale Rolle spielt.

Pressetext

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Marcel van Eeden: Celia