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Das Online-Lexikon „wissen.de“ beschreibt mixed media als „Sammelbegriff für Kunstbestrebungen der Gegenwart, die auf eine zeitgemäße Belebung der romantischen Idee vom Gesamtkunstwerk abzielen…“. Gekennzeichnet ist dieser Sammelbegriff „…durch Aufhebung der Gattungsgrenzen von Architektur, Malerei und Plastik, durch Einbeziehung von Wort und Ton und durch Gleichsetzung von Kunst und Leben.“

Auch wenn sich die jeweiligen Arbeiten von Marcus Sendlinger und Alex Tennigkeit dem Diktat dieser Definition nicht uneingeschränkt unterordnen, scheinen einige dieser Ansätze doch programmatisch zu sein. Trotz formaler und inhaltlicher Unterschiede arbeiten beide in Bezug auf die grundlegende Vorgehensweise ihrer künstlerischen Produktion sehr ähnlich: Einflüsse von Musik, Film, Printmedien und Lifestyle sind hierbei ebenso von Bedeutung, wie kunsthistorische Zitate oder autobiographische Anleihen. Auffallend und gleichsam paradigmatisch für eine junge Künstlergeneration, ist der freie, beinahe unbekümmerte Umgang mit diesen Parametern. In einem bunten Mix aus Symbolen und Zitaten werden Hoch- und Populärkultur durchmischt, mit persönlichen Statements angereichert und formal in einen kunsthistorischen Kontext eingebunden. Somit entstehen individuelle Ikonographien, die sich meist auf persönliche Affinitäten gründen und autobiographische Begebenheiten thematisieren. Der sogenannte „Bad Taste“ gehört ebenso zum guten Ton, wie die provokative Verwendung und Umkodierung von historisch belegten Symbolen. Entgegen jeglicher Vermutung führt diese Vorgehensweise aber nicht zu einer sinnentleerten Kunstproduktion voller Beliebigkeit, die sich lifestyleartig an der Oberfläche bewegt. Vielmehr strahlen die jeweiligen Arbeiten von Tennigkeit und Sendlinger eine Ernsthaftigkeit aus, die man bei jungen Künstlerinnen und Künstlern nur selten findet.

Alex Tennigkeit zum Beispiel stellt große Themen der Menschheit wie Liebe, Tod oder die Naturgewalten ins Zentrum ihres Werks und paart sie mit Anspielungen auf ihre eigene Geschichte. Aus einer subjektivistischen Position entwickelt sie ihre Bilder, Zeichnungen und Installationen. Zitate aus Pop- oder Hip-Hop-Songs kommentieren das Abgebildete, ohne letztlich einen eindeutigen Zugang zum „Tennigkeit`schen Zeichensystem“ zu eröffnen. Schnell wird klar, dass hier eine höchst emotionale Auseinandersetzung Werke hervorbringt, die zunächst einfach nur Kunst sein wollen. Vergleichbar zu Songschreibern verwertet Tennigkeit alle ihr zur Verfügung stehenden formalen Mittel, um letztlich gute Geschichten zu erzählen, die den Betrachter ergreifen.

In Zußdorf entwickelt sie unter anderem eine Installation, die in der Rekonstruktion eines Baumhauses ihren Ausgangspunkt findet. In einer Form der individuellen Aneignung kollektiver Erinnerungen beginnt ein vielschichtiges Spiel mit Zitaten, Zeichen und Symbolen. Tennigkeit stellt dieser Intervention in die klare Architektur des Ausstellungsgebäudes eine Reihe von Bildern und Zeichnungen zur Seite, die mit unterschiedlichsten Anspielungen aufwarten. Sonnenuntergänge weisen einen schwarz-rot-goldenen Farbverlauf auf. Eine Anordnung von Fahnen imaginiert militärische Repräsentationsmechanismen. Leonardo di Caprio blickt traurig aus einer in Nessel belassenen Bildoberfläche. Er befindet sich in Gesellschaft von „schwarzen Smylies”, Schlangen, Vögeln und Fledermausaffen. Tennigkeits Sprache folgt einer höchst individuellen Ikonographie.

Auch Marcus Sendlinger entwickelt eine eigene Bildsprache, die auf der Verwendung und Umkodierung tradierter Zeichen beruht. Er allerdings widmet sich voll und ganz der Welt der Motorradfahrer und Pin-ups. Carliner, Motivsticker, Speedlines, Splashes und Metallflakes paaren sich in seinen Bildern mit konstruktiven Elementen einer Malerei in der Tradition von Hard-Edge, oder neuerdings auch mit Referenzen auf Drippaintings von Jackson Pollock. Mit der Einarbeitung von diesen Zeichen und Symbolen in seine Bilder, Collagen und Installationen schafft er ein beziehungsreiches Geflecht von Formelementen und Bedeutungsebenen. Er arbeitet mit Klischees, die teilweise noch nicht einmal Vergangenheit sind und entwickelt in der Kombination der Elemente seine individuelle Ikonographie. Zitiert er Motive aus der Welt der „Motorradschrauber“, tut er dies stets romantisierend. Ein Hauch Amerika schwebt immer mit und das Fernweh des „Lonesome Cowboy“ dringt ebenso durch, wie die provokative Biker-Ästhetik von Harley-Freaks. „Bad Taste“ wird zum Programm, wenn Sendlinger mit Symbolen wie Eisernem Kreuz oder Totenköpfen arbeitet. Auffallend, dass er diese nicht ihrer ursprünglichen Bedeutung entsprechend verwendet. Vielmehr zitiert er eine durch die Bikerszene des Amerika der späten vierziger Jahre bereits erfolgte Umkodierung jener Zeichen. Die vordergründig wertfreie Nutzung dieser Elemente entpuppt sich also als kalkuliert offenes Spiel mit der Lesbarkeit von Zeichen. Die zunächst als Provokation empfundene Abbildung eines Totenschädels zum Beispiel wird zum inhaltsentleerten Zitat eines Markenzeichens für Motorradfahrer. Auch in Zußdorf erinnert sich Sendlinger in autobiographischer Manier an Erlebnisse aus der Biker-Szene und zitiert ein auf Motorradtreffen beliebtes Spiel. Er installiert einen glatt lackierten Holzbalken auf Böcken, auf dem sich zwei Kontrahenten gegenübersitzen. Es gilt, den Widersacher zu Fall zu bringen und die Position auf dem Balken zu behaupten. Bei Sendlinger wird dieser aber, je nachdem, in welche Richtung er fällt, nicht nur auf weichen Strohkissen landen, sondern evtl. auch auf der harten Realität des Bodens. Sendlinger, der dem Besucher die Welt eines Jungen eröffnet, der vom Motorradfahren träumt und diese autobiographische Note lustvoll in seine künstlerische Produktion einfließen lässt, wird so für einen kurzen Moment zum „Bad Boy“. Letztlich entzieht aber auch er sich einer allgemeingültigen Deutung seiner Zeichen und lässt ganz bewusst einige Fragen offen. Am Ende will er vielleicht nichts als Motorradfahren und … natürlich malen.

Pressetext

only in german

mixed media
Marcus Sendlinger, Alex Tennigkeit
5./6. Juli, 12./13. Juli, 26./27. Juli, 2./3. August
Columbus Art Foundation, Am Wald 4, 88271 Wilhelmsdorf - Zußdorf