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Was diese Serie von Arbeiten aus dem Jahr 2010 verbindet, ist ein Interesse an der Entstehung utopischer Sozialitäten. So war die Geschichte des gemeinschaftlichen Lebens, insbesondere die der Land- und «Austeiger»-Kommunen in den USA der 1960-er Jahre, eine wichtige Referenz und auch ein Ausgangspunkt für die ­Ent­wicklung dieses neuen Werks. «Directions», «Headlines »und «Irritating Behaviors» sind keine mimetischen Untersuchungen dieser Geschichte, sondern vielmehr der Versuch, Fragmente jener Kommunikation zu identifizieren, die das Image dieser neuen Gemeinschaften geprägt hat. Mit dem Fokus auf der Interaktion und Organisation dieser Gemeinschaften mittels selbst verfasster Rundbriefe wird durchleuchtet, wie in kurzlebigen Manifestationen und Instruktionen das (nicht fotogra­fische) Bild eines neuen gesellschaftlichen Gebildes vermittelt wurde. Von zentralem Interesse ist dabei eine Untersuchung der Organisation sozialer, geografischer und architektonischer Räumlichkeiten sowie die Frage, wie utopische Gemeinschaften sich durch räumliche Organisation strukturiert haben. In diesem Kontext herrscht ein breiteres Verständnis von Design und Architektur: Sie werden zu einer Konstante, der es gelingt, Gemeinschaft zu formen und zu vermitteln. Bauideen aus Drop City – dem frühen Beispiel einer ­Land­kommune in den USA – werden wieder herangezogen, inspiriert von Buckminster Fullers geodätischen Kuppelstrukturen, gefertigt aus alten Autodächern. Die eigens dafür geformten und recycelten Altmetallstücke, aus denen sich die Skulptur «Painted Side Up» zusammensetzt, verweisen indexartig auf das paradoxerweise recht produktive Verhältnis zwischen den Modularisierungstendenzen der späten modernistischen Architektur und den utopischen Sozialitäten. Durch seine nicht mimetische und entschieden fragmenta­rische Erscheinung verweist das der Skulptur eigene verstreute Arrangement der Stücke auf Fragen zu Übersetzung und Geschichtlichkeit. Eine zusätzliche Arbeit in Form einer Wand und eines Schaukastens umfasst eine Auswahl an Büchern und Zeitschriften aus den späten 1960-er und frühen 1970-er Jahren über die neu entstandene Kommunenbewegung. Die Anordnung verdeutlicht einen damals beginnenden Veröffentlichungsboom, der einer idealis­tischen und fragilen Sozialität den Rahmen eines neuen Lebensstils gab. Arten des bloßen Austauschs und Berichte, die zunächst sehr flüchtig waren und lediglich geschrieben wurden, um in selbst veröffentlichten Rundschreiben Informationen weiterzugeben, entwickelten sich zu einem neuen journalistischen Genre und einer ganzen Ratgeberindustrie. Diese Arbeit beleuchtet flüchtige Spuren in Form von Text- und Bildkombinationen, Sprache und Grafikdesignlösungen.

Martin Beck ist Künstler und lebt in New York. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit Fragen von Historizität und Autorschaft und greifen häufig auf Diskurse aus Architektur, Design und Populärkultur zurück. Zu seinen letzten Ausstellungsprojekten zählen «Panel 2 – Nothing better than a touch of ecology and catastrophe to unite the social classes …» bei Arthur Ross ­Gallery, Columbia University, New York (2009) und Gasworks, London (2008); «The details are not the details», Orchard Gallery, New York (2007); und, in Zusam­menarbeit mit Julie Ault, «No-Stop City High-Rise» als Beitrag für die São Paulo Biennale (2010), «Information» bei Storefront for Art and Archictecture, New York (2006), sowie Installation in der Wiener Secession (2006). Ault and Beck arbeiten auch als Ausstellungsgestalter, zuletzt für «Changing Channels: Art and Televison» im Mumok Wien (2010). Seine Publikationen inkludieren «About the Relative Size of Things in the Universe» (2007), «Exhibit viewed played populated» (2005) sowie gemeinsam mit Julie Ault, «Critical Condition: Ausgewählte Texte im Dialog» (2003).

Am 17. November um 18 Uhr führt ­Christian Höller ein Gespräch mit ­Martin Beck.

Christian Höller ist Redakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift springerin – Hefte für Gegenwartskunst (www.springerin.at); umfassende Publikationstätigkeit im Bereich Kunst- und Kulturtheorie; 2009 Subkurator der Ausstellung See This Sound (Lentos Kunstmuseum Linz; Ausstellungsteil «Site Sound Industry»); Kurator der Filmschau No Wave 1976–84 (56. Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen und Österreichisches Filmmuseum Wien, 2010). Autor des Interviewbandes Time Action Vision: Conversations in Cultural Studies, Theory, and Activism (JRP | Ringier, Zürich / Les presses du réel, Dijon, 2010).