press release only in german

Heute fester Bestandteil der Deutschen Sprache, kommen sowohl “Meta-“ als auch “Ikon“ (Mehrzahl: die Ikone) aus dem Altgriechischen und führen eine Breite von Bedeutungen. Für diese Ausstellung wird “meta“ im Sinne von “nach“ sowohl im räumlichen als auch zeitlichen Sinn oder auch mit “über“ / “über hinaus“ verwen- det; „Meta-Ikon“ bedeutet so „Nach-Bild“ oder “Über-Bild“. Es ist ein Bild, welches im Rückgri" auf ein anderes gemacht wurde, über ein anderes handelt und damit auch über ein ursprüngliches Bild hinaus weist.

Spätestens seit der von Gottfried Boehm in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts postulierten “ikonischen Wende“ (iconic turn) ist die Auseinander- setzung mit der Wirkungsweise von Bildern als Bedeutungsträger und Determi- nanten unserer Kultur zu einem wichtigen Konzept der Kulturwissenscha# und Philosophie avanciert. Was in der 'eorie erst in jüngere Zeit immer genauer un- tersucht und erfasst wird, ist in der Praxis der Künste schon immer Grundlage des Handelns gewesen. Seit Beginn der handwerklichen und Bildenden Künste ist die gezielte Bezugnahme auf Bedeutungen, Symbole und Referenzen der Bilderwelt von elementarer Bedeutung der Protagonisten. Künstler orientierten sich an den Werken ihrer Zeitgenossen und Vorgänger zu jeder Zeit und in jedem Kulturkreis bediente man sich am jeweiligen ikonographischen Fundus also dem vorherrschen- den und somit gemeinsamen Referenzsystem.

Die Gruppenausstellung »Meta-Ikon«, soll ausschließlich Fotogra!e zeigen, als das wesentliche, moderne Medium der Bilderzeugung und Bild!xierung und als den wesentlichen Schauplatz einer sich ausbreitenden, sehr aktuellen Inbesitznahme etablierter Bildwelten. Wir wollen Positionen zusammenführen, die sich nicht mit der realen Umwelt auseinandersetzen, sondern mit den schon bestehenden Bildern des westlichen Kulturguts aus Malerei, Fotogra!e oder Film. Durch unterschiedli- che Strategien scha"en es die eingeladenen Künstler, Erinnerungen an die Bilder/ Ikone unseres kulturellen Gedächtnisses in neue Werke zu transformieren. In den neu entstehenden Arbeiten bleiben die Originale dabei präsent, sei es im di- rekten Wiedererkennen oder als wage Resonanzen auf spezielle Ästhetiken der ver- innerlichten Bilderwelten. Dennoch sind diese Bilder anders, neu, einzigartig und gerade in der Hybris des “unheimlich Vertrauten“, des “gestörten Erkennens“ unter- gründig irritierend und befremdlich. Der individuelle Zugri" der gezeigten Künst- ler implantiert das Neuartige, das “noch Fremde“ in den visuellen Kanon unserer vertrauten Kultur. Im Überblick mehrerer Gruppenausstellung soll dabei deutlich werden wie Unterschiede in 'ematik, Konzept und Technik den Zugri" prägen und das entstehende Kunstwerk so zu einem einzigartigen “Meta-Ikon“ wird. Die Ausstellung »Meta-Ikon« (Prolog) in den Räume von SEPTEMBER soll den Au#akt der »Meta-Ikon«-Reihe bilden, anhand selektierter Arbeit in die 'ematik einführen und Neugier auf die größer angelegten Ausgaben machen.

Seit es künstlerisches Scha"en gibt, gehört die Orientierung an bereits bestehen- den Werken systembedingt zur Basis sämtlicher Kulturgattungen. Spätestens seit dem Au1ommen der “Appropriation-Art“ in der Bildenden Kunst in den siebziger Jahren jedoch, hat sich das kunstinterne Aufgreifen, Zitieren und Dekonstruieren von Bildern und Rollenvorstellungen zu der Qualität eines eigenständigen Gen- res verdichtet. Im Zuge einer zunehmenden Hinterfragung und Desillusionierung hinsichtlich utopischer Gesellscha#smodelle, insbesondere einer funktionierenden kapitalistischen Moderne, wandte sich die künstlerische Praxis teilweise von dem linearen Fortschrittsgedanken ab und widmete sich der Untersuchung und Blossle- gung aktueller Bildproduktionen und ihrer Verankerung und Funktion in der Ge- sellscha#. Diese Entwicklung war zwar bereits in der Dada-Bewegung und in der Popart angelegt gewesen, in dieser Systematik und konzeptuellen Tiefe wurde sie allerdings erst einige Jahre später vollständig grei2ar. Künstler wie John Baldessari, Cindy Sherman, Luise Lawler, Richard Prince, Barbara Kruger und viele andere trugen maßgeblich zur Etablierung dieser neuen Kunstau"assung bei. Ein konkre- tisierender Zeitpunkt war in diesem Zusammenhang sicherlich die “pictures“-Aus- stellung von Douglas Crimp im New Yorker Artists Space im Herbst 1977, welche einige der wichtigsten Pioniere der noch jungen Bewegung zusammenführte. Das Verlangen bereits bestehende Bilderwelten, seien sie aus den sich ausbreitenden Massenmedien, dem Design oder aus der Kunstgeschichte entlehnt, als konkretes „Arbeitsmaterial“ künstlerischer Produktion zu begreifen und zu verwenden, hat bis heute großen Ein4uss auf die aktuelle Kunstproduktion- und Debatte. Seit den neunziger Jahren setzten sich diverse Fotografen mit dem expandieren Möglichen- keiten der Bildgewinnung auseinander, ob es im technischen Sinne von Flugzeug- ,Satelliten-, Nacht- Wärme oder Mikroaufnahmen handelt, oder im medialen Sin- ne, hinsichtlich der globalisierten Bilder4ut des Fernsehens und in zunehmenden Maße auch der virtuellen Flut des World Wide Webs. Eine Methode ist es hyperrea- le, o# riesige Bilder mit Hilfe digitaler Nachbearbeitung zu inszenieren, als Beispiel wäre hier Andreas Gursky zu nennen. Ein andere Reaktion besteht in der Dekon- struktion der aktuellen Bildtechniken, wie es 'omas Ru" beispielha# in seiner “jpegs“-Reihe vorgeführt hat. Hier führt der extreme “Blow Up” in die großen Formate zu einer Sichtbarmachung, zu einer Überhöhung der digitalen Speicher- formaten inhärenten Ästhetik. Bei diesen Zugri"en !ndet die “Appropriation“ o# nicht beim konkret Abbgebildeten statt, sondern eher bei der Technik der Bilder- zeugung. Nicht “was ist zu sehen“ ist entscheidend, sondern eher “wie ist es ge- macht“. Die Motive sind fast ausstauschbar, aber die spezielle Ästhetik bezieht sich unverkennbar auf gegenwärtige mediale Bildsprachen.

“Meta-Ikon“ versammelt nun Künstler, die erstens weitgehend mit analogen Ver- fremdungsstrategien arbeiten und zweitens sich vorwiegend retrospektiv auf wich- tige Phänomene der Kunstgeschichte beziehen. Die Spannbreite dieser Phänomene reicht dabei vom altmeisterlichen Tafelbild (Heike Gallmeier) über das Chiaroscu- ro eines Carravaggio (Marc Bonnetin), die illustrative, volkstümliche Radierung (Frank Eickho") bis in die aktuellen Kinoproduktionen Hollywoods (Mirko Mar- tin). So entsteht ein Bilderbogen, welcher gleich einem Zeitstrahl Zugri"e auf die Kunst des späten Mittelalters bis zur Gegenwart vereint.

Angesichts dieser Tatsachen ist der althergebrachte Titel „Meta-Ikon“ nicht unpassend. Durch das Aufgreifen wohlbekannter Ästhetiken und handgemachter Techniken durchdringt eine fast zeitlos erscheinenden Tradition des Bildermachens die selektierten Arbeiten und legt einen durch die Geschichte unberührt geblieben- den Titel nah. Mag den Arbeiten auch die politische Brisanz der bekannten Vertre- ter der “Appropriation-Art“ abgehen, so sind sie andererseits doch Werke zeitge- nössischer Fotografen, die im Bewußtsein einer reichhaltigen Tradition, völlig neue Bildwelten erscha"en.

Stephan Köhler

only in german

Meta-Ikon (Prolog)
Kurator: Stephan Köhler

Künstler: Marc Bonnetin, Frank Eickhoff, Heike Gallmeier, Mirko Martin, Noe Sendas, Ming Wong