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Heiße Quellen auf der grönländischen Insel Unartoq sind das Ziel vieler einheimischer Wochenendausflügler. Die norwegische Photographin Mette Tronvoll (*1965) gewann das Vertrauen der Badenden inmitten einer paradiesischen Umgebung. Sie hielt fest, wie die Menschen das klare Wasser in gelöster Stimmung genießen. In Tronvolls Bildkompositionen, die innerhalb eines von ihr festgelegten Schemas variieren, erscheinen die Badenden in fast skulpturaler Qualität. Mit ruhigem Blick schauen sie unmittelbar in die Kamera, während ihre Oberkörper büstengleich über der spiegelnden Wasseroberfläche zum Vorschein kommen – es sind Bilder von beinahe surrealer Wirkung.

Die derzeit in Berlin lebende Photographin zeigt zwei Schwerpunkte aus ihrer bisherigen künstlerischen Arbeit: den Werkkomplex Isortoq Unartoq, der in den Sommermonaten der Jahre 1998 und 1999 auf zwei Reisen nach Grönland entstand, sowie zehn Photographien unter dem Titel New Portraits, die seit dem Jahr 2000 erstellt wurden und bei denen es sich vor allem um Doppelportraits handelt. In Isortoq Unartoq gibt Mette Tronvoll einen portraithaften Einblick in ein Land, das vielen gänzlich unbekannt ist. Doch wir sehen uns keinem Reisebericht üblicher Art gegenüber. Vielmehr verdeutlicht sich in dieser Reihe von 30 großformatigen Bildern ein sensibler mit photographischen Mitteln gesuchter Eintritt in eine faszinierende und überwältigende Naturlandschaft, die sich zwischen Atlantik und Polarmeer erstreckt. Tronvolls Bilder konzentrieren sich insbesondere auf ein Gebiet zwischen der Insel Unartoq und dem circa drei bis vier Stunden weiter nördlich liegenden Ort Isortoq, das die Künstlerin sukzessive für sich entdeckt hat. In ausschnitthaften, klar gezeichneten Kompositionen fasst Mette Tronvoll ihre Eindrücke des sie umgebenden weiten Panoramas: Sie spiegelt die karge, dem rauen Klima entsprechende Vegetation in zarter Farbigkeit und nimmt die Massivität des In-landeises zur Kenntnis; sie blickt auf endlose Horizonte, die anderenorts wiederum wegen aufsteigender Gebirgswände unerreichbar erscheinen.

Einen anderen Aspekt ihrer Arbeit stellt Mette Tronvoll in ihrer Reihe New Portraits vor. Hier sind es mit der Künstlerin näher bekannte Personen oder Paare, welche von ihr ganzfigurig in ländlicher oder städtischer Umgebung aufgenommen werden und darüber hinaus auch im Bildtitel namentlich benannt sind. Mette Tronvoll legt bei diesen Aufnahmen besonderen Wert auf eine einfache und klar definierte Situation, welche die Aufmerksamkeit ganz auf die Abgebildeten und ihr spezifisches Erscheinungsbild lenkt. Dies wird jedoch – und hier verweist sie auf ihr Vorbild August Sander – nicht bewertet, sondern in sachlicher Darstellungsweise feinfühlig festgehalten. Parallel zu Mette Tronvoll werden Werkgruppen von Oliver Sieber (*1966) vorgestellt, die sich sehr intensiv mit dem Thema des Portraits auseinandersetzen. Der in Düsseldorf lebende Künstler konzentriert sich mit seinen Photographien ganz auf verschiedene Ausdrucksformen und Identitäten von Jugendlichen. In seinem aktuellen Projekt hat er beispielsweise junge Fußballspielerinnen im Alter zwischen zehn und sechzehn Jahren aufgenommen und ihre Portraits in einer Serie zusammengestellt. Dabei wählte er eine wie schon in zuvor entstandenen Bildreihen erprobte, immer gleiche Aufnahmemethode. Ähnlich einem Passbild, jedoch in präziser Großbildqualität, wurden die Mädchen in büstenhafter Form portraitiert und unter dem Titel 11 Freundinnen... versammelt. Anders als in den Arbeiten von Tronvoll stehen die Abgebildeten bei Sieber vor einem hellen neutralen Grund, den er als Rückwand montierte. Der Fokus liegt auf den Gesichtern der Jugendlichen, ihrem Blick, ihren Frisuren und den unterschiedlichen Trikots. Jugendkultur hat viele Gesichter. Dies zeigt sich auf besondere Weise in drei weiteren Bildreihen von Oliver Sieber mit dem Titel SkinsModsTeds, 1999, welche zu den Neuankäufen der Photographischen Sammlung aus dem vergangenen Jahr zählen. In ihnen wird mehr noch als in den zuvor beschriebenen Portraits der Blick auf die zur Schau getragene Mode, auf die ausgefallenen Haarschnitte und den Schmuck gelenkt. Mit ihrem Äußeren demonstrieren die Portraitierten mehr oder weniger intensive weltanschauliche Modelle, die sie in der Gemeinschaft auszuloten versuchen. Bestehende ästhetische Normen und Wertvorstellungen werden hinterfragt, durch neue gewandelt, wiederum manifestiert und als solche schließlich vor der Kamera repräsentiert. Oliver Sieber zeichnet dies auf und gewinnt den Portraitierten eine persönliche Seite ab, die unter der zuweilen uniformen, zur Schau getragenen Schutzhülle zum Vorschein kommt.

Ergänzung finden diese Präsentationen durch eine dritte kleinere Schau mit Portraitphotographien von Judith Joy Ross (*1946), die zusammen mit der Galerie Sabine Schmidt, Köln, vorbereitet wurde. Die Amerikanerin hält Menschen, die sie meist in ihrer alltäglichen Umgebung oder in für sie typischen Situation abbildet, mit großem psychologischem Einfühlungsvermögen fest. Ihre auf Schwarzweiß-Material basierenden Abzüge, bei denen es sich um großformatige, goldgetonte Kontaktabzüge auf Printing-Out-Paper handelt, ermöglichen ein Höchstmaß an Detailwiedergabe. Allen drei Positionen gemeinsam ist über die thematische Klammer hinaus die methodische Erarbeitung des Bildstoffes in Reihen, deren Pointierung je nach motivischer Ausrichtung gesetzt ist.

Die Ausstellung Mette Tronvoll entstand in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden.

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Die Photographische Sammlung zeigt:
Mette Tronvoll / Oliver Sieber / Judith Joy Ross