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Eröffnung: Freitag, 07.10. um 19 : 00 Uhr

Der Kunstverein Freiburg stellt im Herbst erstmalig in einer Einzelausstellung in Deutschland das Werk von Michael Dean (* 1977, Newcastle Upon Tyne) vor. Der Künstler wird eine Anzahl neuer abstrakter Betonskulpturen zusammen mit Fotografien zeigen sowie einen Text verfassen. Dadurch werden auf die Skulpturen mit ihren geschlossenen Formen und ihrem robusten Äußeren, die ihrerseits keine ausdrücklichen Informationen vermitteln, narrative und literarische Aspekte projiziert. Dazu wird der Text, ein Dialog von Stimmen, vorgetragen, womit Dean in der Präsentation auf die Themen Aufführung und Theater hinweist.

Michael Deans abstrakte Skulpturen erinnern daran, dass skulpturale Prozesse wie das Modellieren und Gießen seit Ende der 1960er Jahre marginalisiert wurden  abgesehen von einer kurzen Unterbrechung in den 1980er Jahren mit der Richtung „The New British Sculpture“ in seiner Heimat England. Unter dieser Bezeichnung wurden die Künstler Tony Cragg, Bill Woodrow, Richard Wentworth und Richard Deacon zusammengefasst, die die traditionellen skulpturalen Prozesse mit modifizierten Fundobjekten, konzeptuellen Methoden und sozialen Referenzen kombinierten. In Deutschland arbeiteten damals Reinhard Mucha, Thomas Schütte und Georg Herold auf vergleichbare Weise. In jüngerer Zeit lässt sich ein erneutes Interesse an den traditionellen skulpturalen Prozessen und konzeptuellen Narrationen festmachen, das ein kritisches Licht auf den traditionellen Prozess wirft. Dazu gehören neben Michael Dean die Bildhauer Phillyda Barlow, Nairy Baghramian oder Gabriel Kuri, dessen Werk der Kunstverein Freiburg im letzten Jahr ausgestellt hat.

Die monolithische Struktur von Deans Skulpturen zeigt, dass sie modelliert oder gegossen und damit durch einen traditionellen Werkprozess entstanden sind. Die abstrakten Skulpturen besitzen durch ihre kompakten Formen figürliche Präsenz und gehen mit anderen im Raum platzierten Arbeiten eine räumliche Beziehung ein, wodurch sie in einen konzeptuellen Zusammenhang eingebunden werden. Beispielsweise entstand im vergangenen Jahr in einer Berliner Galerie durch die Kombination von digitalen Fotografien moderner, standardisierter Gebrauchsarchitektur-Teile wie Brückenpfeiler und eher konventionell wirkender Gebäudefragmente mit den Skulpturen eine Erzählung. In der Ausstellung entwarfen die Fotos eine Umgebung für die Skulpturen, die ihrerseits mit ihren archaischen Formen wirkten, als seien sie vor langer Zeit in einer langsameren und eher meditativen Kultur als in jener entstanden, aus der die aufgenommenen profanen Nutzarchitektur-Bestandteile entstammen.

Im Freiburger Kunstverein werden die literarischen, theaterbezogenen Aktivitäten des konzeptuellen Rahmens bildhaft „verkörpert“: Der Text wird zur Eröffnung von Schauspielern gelesen. Während der Ausstellung wird er weiterhin für die Besucher vorhanden sein, zum Lesen oder zur eigenen Aufführung. Gleichermaßen verweist ein Karree leerer Stühle noch nach der ersten offiziellen Lesung auf ein Theater – die Stühle stehen metaphorisch für das abwesende Publikum einer Aufführung – und wird selbst zum Objekt im Raum. Die großen Skulpturen werden im direkten Gegenüber zu Figuren. Aus weiterer Entfernung geschieht ein Perspektivwechsel, der sie wie Zeichen im Raum erscheinen lässt. Der Ausstellungsraum erhält somit insgesamt einen bühnenartigen Charakter für die darin stattfindenden Aktivitäten. Die Skulpturen werden Teil eines Ganzen und bieten an, sie trotz ihrer massiven Undurchdringlichkeit zu interpretieren. Darüber hinaus wird in der Ausstellung das soziale Element akzentuiert, indem das Publikum – zwar durch die leeren Stühle negativ markiert als abwesend – einen Bestandteil einnimmt. Im Beuysschen Sinne wird das Publikum dadurch selbst zur Skulptur. Der weiße Boden isoliert alle Aktivitäten voneinander und gleicht das Erscheinungsbild aller Elemente aneinander an. Besucher wie Skulpturen werden Teil der Ausstellung und so gleichermaßen abstrahiert. Von der Galerie aus betrachtet entsteht der Eindruck, auf einzelne Schriftzeichen zu blicken, wenn die Besucher wie Striche zwischen Punkten und Kommata über die helle Fläche navigieren.

Es geschieht eine Verschiebung von der Unmittelbarkeit der isolierten autonomen Skulptur in den öffentlichen Bereich, da sie Teil der Umgebung und somit der Gemeinschaft wird. Die Ausstellung thematisiert das Hin und Her zwischen Innen und Außen, Verschlossenem und Offenem sowie die Wahrnehmung eines Kunstwerks, das aus der Nähe durch seine Oberflächenbeschaffenheit als handgemachtes Unikat erkennbar wird. Aus der Ferne betrachtet wird es jedoch im Verhältnis zum Ganzen zum Zeichen reduziert und geht einen Dialog mit den anderen Elementen ein. Dabei überträgt Dean das Verhältnis von Intimität und Entferntsein außerdem auf den Raum: In dem Moment, in dem die Besucher Seiten mit dem Text des Künstlers aus dem ausliegenden Buch herausreißen und nach Hause mitnehmen, wird die Grenze der Ausstellung nach außen hin aufgelöst.

Michael Dean wurde 1977 in Newcastle Upon Tyne, Großbritannien geboren. Von 1998 bis 2001 studierte er Bildende Kunst und zeitgenössische Kunstkritik am Goldsmith College in London, wo er lebt and arbeitet. Nach dem Abschluss wurden Werke von ihm international gezeigt. Er hatte Einzel- und Gruppenausstellungen unter anderen bei Independent, New York (2010); der Sektion Frame der Frieze Fair (2009); bei Work|projects in Bristol (2009); dem GAM Museum of Modern Art, Turin (2009); Feurig59, Berlin (2008) und im Bilton Centre for Contemporary Arts, Kanada (2008). Dean erhielt 2009 das Henry Moore Institute Fellowship, Leeds, GB. Die Ausstellung im Kunstverein Freiburg ist die erste institutionelle Einzelausstellung des Künstlers.

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Michael Dean