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MIMOSA ECHARD und MICHEL BLAZY. LUCA
Last Universal Common Ancestor
16.03.2019 - 26.05.2019

Die Ausstellung LUCA - Last Universal Common Ancestor ist das Ergebnis des Zusammentreffens zweier KünstlerInnen unterschiedlicher Generation: Michel Blazy wurde 1966 in Monaco geboren, Mimosa Echard 1986 in Alès. Beide verbindet das gemeinsame Interesse für das Organische. Für Blazy steht es in seinen Arbeiten eng mit der Natur und deren Wachstumskraft, für Echard stärker mit dem menschlichen Körper in Verbindung. So stehen biologische Prozesse im Zentrum der von den beiden zusammen entwickelten raumgreifenden und den Kunstverein vollständig ausfüllenden, „lebendigen“ Installation.

Die rundumlaufende Wandarbeit Mur Clitoria (2019) sticht sofort ins Auge: Sie besteht aus dem Lebensmittelzusatzstoff Agar-Agar und einer Vielzahl von Blüten der Blauen Klitorie (Clitoria ternatea). Mit der Zeit trocknet das auf die Wand applizierte – wie Plastik aussehende, aber natürliche – Geliermittel und platzt auf, was zum Effekt einer sich pellenden Oberfläche führt. Der fortlaufende Trockenprozess, abhängig vom jeweiligen Raumklima, führt dazu, dass sich die Arbeit im Laufe der Ausstellung ständig verwandelt. Diese prozess- und zeitorientierte Arbeitsweise von Michel Blazy spiegelt sich auch in Buissons lentilles (2018-ongoing), den vier grünen Gebüschen, wider. Nur aus Linsen und feuchter Watte bestehend, werden die kleinen Biotope regelmäßig gegossen und wachsen zunächst, bis sie schließlich verfaulen oder austrocknen. Die kreisförmigen Flecken, die sich gleich einem Nimbus rund um die Arbeit ausbreiten, sind – wie Jahresringe eines Baumes – Signaturen der Zeit. Die Flecken, die an sich ein wichtiges Element in der Arbeit Blazys sind, entstehen durch die chemische oder physikalische Wechselwirkung zweier unterschiedlicher Materialien. Wie ein Myzel – die Gesamtheit der Pilzfäden eines Pilzes –, das sich spinnennetzartig ausbreitet, haben sie etwas Lebendiges und zugleich Verbindendes. Quasi im Verborgenen spielt das Myzel in vielen Ökosystemen eine entscheidende vitale Rolle, wie auch die gemeinsame Stammform aller heutigen zellulären Organismenarten vor Milliarden Jahren: LUCA.

In Bezugnahme auf diesen – hypothetischen – letzten gemeinsamen Urvorfahren hat Mimosa Echard einen großen Fries geschaffen, der die Sexualität der Pflanzen nachzeichnet. Während beim Menschen die sexuelle Fortpflanzung auf der Verschmelzung der Zellkerne von männlichen und weiblichen Geschlechtszellen beruht, gibt es Pflanzen, die beiderlei Geschlechtsmerkmale in sich vereinen, wenngleich auch solche, die ähnliche Unterscheidungen wie bei Säugetieren aufweisen. Die malerischen Collagen auf den drei raumtrennenden bzw. raumschaffenden Vorhängen beziehen sich darauf allein schon durch die Auswahl der Materialien: Sprenkel von Kirsch- und Aprikosenkernen, die beim Verspeisen der Früchte ausgespuckt wurden, Blüten der Blauen Klitoria breiten sich stellenweise rhizomartig auf den Stoffen aus und auch die drei verschlungen drapierten Kissen in Le petit artiste lassen Pflanzen wie Farne, Chrysanthemen, Gardenien und Ginseng erkennen.

Ähnlich den Flecken bei Michel Blazy spielen Flüssigkeiten in der Arbeit von Mimosa Echard eine große Rolle: Klebriger Latex verbindet einige Stoffstücke und bildet an den Rändern der Torbögen, die in den Vorhängen als Durchgänge ausgespart sind, klumpige Strukturen, die an Narben erinnern. Fläschchen mit Salzlösung, ausgelaufene rote Pillenkapseln und ein Poster von Robert Pattinson, der in der Twilight-Filmserie einen blutsaugenden Vampir verkörpert, sind weitere direkte oder indirekte Anspielungen auf flüssige Substanzen. So fließen förmlich auch in der Erzählung des Frieses die Muster der Materialien bzw. Objekte sowie die Farben ineinander und durchdringen sich in der Textur dieser Arbeit gegenseitig, wodurch Echard unter anderem auf die pflanzliche und menschliche Sexualität anspielt. In der an eine Skyline erinnernden Arbeit Ohne Titel (2019) aus Parfüm- und Nagellackflaschen und anderen Kosmetikprodukten findet ein ähnlicher Austauschprozess statt. Von festgewordenem Latex übergossen, verbinden sich die Inhalte der Behälter zu einer fleischlichen und schmutzigen Magmalandschaft. Alles greift und verläuft hier ineinander und versinnbildlicht die Mechanismen von Verführung und Abstoßung – Körperflüssigkeiten haben sowohl eine sinnliche als auch eine obszöne Seite. Blut etwa kann durch seine Farbe, das kräftige Rot, anziehend und abstoßend zugleich wirken.

Auch die Farbe Rosa weckt ambivalente Assoziationen: Sie kann an Organisches wie eine Membran denken lassen, ebenso aber auch an die „Girlie-Ästhetik“ eines Mädchenzimmers, was als ein subtiler Verweis auf Geschlechterkonstruktionen gelesen werden kann.

Im Rahmen von LUCA präsentieren Michel Blazy und Mimosa Echard auch das Kombucha Project Center, das sich seit 2017 wie ein Organismus weiterentwickelt und hier als kleine Ausstellung in der Ausstellung fungiert: Echard und Blazy luden bislang sieben Künstler ein, eine Arbeit zum Kombucha Projekt Center beizusteuern. Bei diesem werden Zeichnungen, Objekte oder auch Fotografien in flüssiges Kombucha gelegt, das nach und nach eine überlagernde und dadurch verbindende Gallertmembran ausbildet. Auf diese Art entsteht mit der Zeit ein immer länger werdendes bandartiges Gebilde, das auch exemplarisch für die Themen der Ausstellung LUCA steht: Eine nicht genau vorhersehbare Verbindung von menschlicher Kreation und Natur, die im Fließen, Ineinandergreifen und sich Ausdehnen das lebendige Prinzip verkörpert.

Kuratiert von: Oriane Durand