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Die Bilder von Muntean/Rosenblum sind gekennzeichnet durch Referenzen auf unsere zeitgenössische Wahrnehmung, die durch Medien, Werbung, Film und Populärkultur geprägt ist. Der Fernsehframe ist genauso in ihren Bildern enthalten wie Comicreferenzen und der “Blick des Artdirectors”. Muntean/Rosenblum verstehen ihre Kunst aber ebenso als eine Auseinandersetzung mit Themen der Malerei- und Kunstgeschichte. Die Vorlagen für ihre Figurationen stammen aus Lifestyle Magazinen wie ID, Face, Vogue usw. und werden als Ersatzteillager für die Komposition und die einzelnen Figuren angewendet. Sie sind Teil einer Lifestyle-Gesellschaft, die Jugend als vermarktbare Einheit begreift und in der „Jugendlich sein“ zu einem Instrument der permanenten Selbstkontrolle geworden ist. Die Magazine arbeiten mit Spezialisten der affektiven Bildproduktion. Sie vereinnahmen ebenso Formen, die für Protest, Utopie und Abgrenzung standen, als auch allegorische bzw. kunsthistorische Bildthemen.

In den Malereien und Zeichnungen von Muntean/Rosenblum wird sichtbar, was der Kunsthistoriker Aby Warburg unter anderem an den von ihm erforschten „Pathosformeln“ - bildlichen Darstellung eines gesteigerten Gefühlsausdrucks - feststellte: die selben Gebärden können in unterschiedlichen Epochen völlig gegensätzliche Bedeutungen haben, obwohl dabei das individuell Ereignishafte zu etwas Objektivem und Dauerhaftem wird. Eine Gebärde, die an die Motivik der Kreuzabnahme erinnert, taucht beispielsweise bei Muntean/Rosenblum bei einem sich lasziv krümmenden Jugendlichen auf, der von Apathie und Langeweile gezeichnet ist. Zu diesen kunsthistorisch aufgeladenen Figurationen werden unterschiedliche Typen von Hintergründen kombiniert. Dies sind meist Landschaften der städtischen Peripherie, Autobahnen, Parkplätze oder Innenräume mit Fernsehgeräten, Barhockern und Discokugeln. Diese Sujets werden mit eigenartigen Textzeilen und Statements verbunden, die scheinbar individuelle und gesellschaftliche Fragen reflektieren, aber gleichzeitig eine Art surreale-banale Zusammenhangslosigkeit erzeugen. Ähnlich wie die Texte, die aus verschiedenen Schriftteilen zusammengestückelt werden, wirken die Figuren der mehrfarbigen Acrylbilder wie aus verschiedenen Zusammenhängen herausgeschnitten und dann in einen neuen Rahmen einkopiert.

Die Bilder haben im Ganzen etwas “Marken”-haftes bzw. konzeptuelles. Es gibt unterschiedliche Serien, die jeweils nach einem Muster funktionieren. Sie zeigen immer neue Repräsentationen von Jugendlichkeit und erinnern dadurch an eine serielle Bestandsaufnahme einer unbekannten Spezies, die in ihren medialen Erscheinungsformen festgehalten und untersucht wird. Dadurch und durch die authentizitistische Aufgeladenheit der Vorlagen vermittelt sich leicht der Eindruck, dass hier das “Porträt einer Generation” angefertigt werden soll. Doch Muntean/Rosenblum erzeugen durch den Einsatz der unterschiedlichen Verfremdungseffekte in ihrer Komposition Widersprüche und Ambiguität.

Neben den Tafelbildern und Zeichnungen wirken die Installationen, Videos, Objekte, Fotos wie Teile eines “The Making of” von Muntean/Rosenblum. Da erstrecken sich Laufbänder von Fitnessstudios, Fastfoodketten-Innenarchitekturen, sowie Fassaden von Fertigteilhäusern, beliebte Behausungen der modernen Konsumkultur. Davor und darin findet man DarstellerInnen von Jugendlichen, die - bisweilen sogar mit „gebrandeten“ T-Shirts der „Marke“ Muntean/Rosenblum - das sterile Setting bevölkern. Das Medium Malerei und Zeichnung springt innerhalb der unterschiedlichen Spielstätten hin und her und wird ebenso szenisch wie filmisch ausgekoppelt.

In ihrer neuen Videoarbeit “How soon is now“ findet man keine Spuren der Zivilisation oder sozialer Zusammenhänge. Die DarstellerInnen stehen oder bewegen sich durch eine karge, haldenartige Hügellandschaft, wirken wie Jünger bzw. Anhänger einer spirituellen Gemeinschaft. Die Kameraeinstellungen zeigen monumentale Himmelsansichten mit Vogelschwärmen und dramatischen Wolkenformationen, die durch den Wind in Bewegung gehalten werden und mit elegischer Barockmusik unterlegt sind. Darin bewegen sich die Darstellerinen wie Pilger in einer seltsam, absurden Prozession. Statt Heiligenbilder und Ikonen tragen sie Schrifttafeln bzw. Protestschilder und eine Fahne, deren Beschriftung man aber nicht lesen kann. Der aus dem “Off” gesprochene Text konstruiert ein “wir” einer Generation, einer Gruppe, die in ihren Gewissheiten und Idealen verunsichert ist, die in einer Art Zeitlosigkeit verharrt und über die ständige Wiederkehr des Gleichen, sowie die Austauschbarkeit von Werten sinniert. Aussehen und Kleidung der DarstellerInnen entspricht zwar dem typischem Jugendkultur-Look, erinnert aber in der filmischen Inszenierung an unterschiedliche Bildwelten, in denen religiöse und pathetische Themen dargestellt werden. Muntean/Rosenblum erforschen mit ihren artifiziellen Inszenierungen die ästhetische Konstruktion und mögliche Instrumentalisierung von Pathos, der seinen Inhalt verloren hat.

Im Kontext des Arbeitsschwerpunktes von Muntean/Rosenblum stellt sich die Frage, ob man auch bestimmte Formen des Designs und der Architektur als “Pathosformeln” bezeichnen kann und wenn ja, ob diese ebenso anfällig für radikale Umdeutungen sind. Fest steht jedenfalls, dass das Design des russischen Konstruktivismus, das Teil der neuen Arbeiten von Muntean/Rosenblum ist und aufs engste mit revolutionären politischen Ideen verknüpft war, seit langem bereits in modischen Zusammenhängen in der Alltagskultur auftaucht. Ähnlich wie die Pathosformeln in der bildenden Kunst zeichnen sich die konstruktivistischen Entwürfe von Tatlin, Lissitzky oder Rodtschenko auch durch Dramatik und Theatralität aus. Es ist die „Pose“ von Aktivismus, die Muntean/Rosenblum dabei interessiert.

Betrachtet man die Malereien und Zeichnungen von Muntean/Rosenblum als Studienobjekte, fällt auf, wie stark Jugendlichkeit über Gesten des Aussenseitertums, der Skepsis, Gelangweiltheit, der Ambivalenz, der Laszivität, des In-sich-Selbst-Versunken-seins aber auch der Provokation kommuniziert wird. Diese Gesten der Selbstbezogenheit und Distanznahme erzeugen so etwas wie einen letzten Rest von “Authentizität” und Glaubwürdigkeit - ein rares Gut in der zynischen Werbewelt - und eignen sich daher besonders gut für die Bewerbung von unterschiedlichen Lifestyle-Produkten.

In den Kompositionen von Muntean/Rosenblum passiert aber etwas anderes mit diesen Gesten: durch den Transfer in den Malereikontext destillieren sie etwas zeitloses, allgemeingültiges und undeterminiertes. Die Gebärden werden aus Zusammenhängen freigespielt, stehen etwas verloren für sich allein und wirken plötzlich wie Einzelbausteine, die aus einem möglicherweise allegorischen oder kunstgeschichtlichen Zusammenhang gerissen wurden. Diese Uneindeutigkeit, das Gefühl einer Erinnerung, aber man weiß nicht an was, verleiht den Bildern ihren Reiz und eine eigenartige Unabgeschlossenheit. Cosima Rainer 2004

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Muntean / Rosenblum - How Soon Is Now