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Die Ausstellung "Mythen der Nationen. Ein europäisches Panorama", die sich im Frühjahr 1998 im Deutschen Historischen Museum mit dem Nationenbegriff und der Herausbildung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert beschäftigt hatte, bot gleichsam die Vorlage für die Frage nach dem Nationenbegriff Europas im 20. Jahrhundert. Gegenüber dem 19. Jahrhundert stand der Kontinent nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg allerdings vor einer vollständig anderen Situation. Neuartig war nicht allein die ohne Vergleich dastehende Selbstzerstörung als Konsequenz zweier Kriege, auch der Weltmachtanspruch, den Europa oder Teile Europas im 19. Jahrhundert formuliert hatten, war seit 1945 endgültig Geschichte: Die Nachkriegsordnung bestimmten zwei neue Blöcke - die USA und die Sowjetunion. Eine Folge der unvorstellbaren Vernichtungen und Umwälzungen in beiden Kriegen war auch das Ende des extremen Nationalismus, der den Ersten Weltkrieg ausgelöst und der im Zweiten seinen Untergang heraufbeschworen hatte. All diese bitteren Erfahrungen und Erkenntnisse flossen in die Fundamente der europäischen Nachkriegsordnung ein, die auf die dauerhafte Sicherung des Friedens, die Demokratisierung der Staaten und - als Fernziel - auf den Aufbau einer europäischen Gemeinschaft als Basis für die friedliche Koexistenz der Völker und Nationen ausgelegt waren. Aus der Perspektive von 1945 war diese Entwicklung weniger selbstverständlich als dies heute scheinen mag. Die Lage war in Europa so labil, daß Bürgerkriege nicht nur denkbar waren. Das "emotionale Fundament" (Etienne François/Hagen Schulze) der Nationen, welche im 19. Jahrhundert entstanden sind, war so stark erschüttert, daß sie sich regelrecht neu erfinden mußten. Beispielsweise hat der Mythos des Widerstandes, nachdem der Schlußstrich gezogen, die Zeit der Abrechnungen vorbei war, die Völker geeint und geholfen, ein friedliches Europa zu begründen und das traumatische Geschehen für eine gewisse Zeit zu bannen. Die Photographie von Robert Doisneau, das Charles de Gaulle am 26. August 1944 in stolzer Erhabenheit auf den Champs Elysées zeigt, ist zum Symbolbild für die Einheit des nationalen Widerstandes Frankreichs geworden. In den Staaten des Warschauer Paktes wurde die Fiktion einer "Befreiung" durch die Rote Armee, die Erinnerung an die Opfer, die man für den "Sieg über den Faschismus" gebracht hatte, ritualisiert. Zahllose Gemälde vom Einmarsch der Roten Armee in die Hauptstädte Osteuropas zeigen die über Bilder vermittelte Befreiungsideologie der Sowjetunion - jubelnde Menschen, welche die "Befreier" willkommen heißen. Die Stereotypen des Zweiten Weltkrieges, die unser Bildgedächtnis geprägt haben, finden sich auf Plakaten, Briefmarken oder Medaillen. Unterstützt oder gebrochen werden diese durch Kunst vor allem aber durch Filme. Das berühmte Bild von Gerhard Richter "Onkel Rudi" gehört mit zu den frühesten und gelungensten Versuchen den Mythenbildern zu widersprechen. In der Ausstellung werden Filmausschnitte aus bekannten Filmen der Regisseure Ophuls, Rossellini, Tarkovskij, Wajda u.v. anderer zu sehen sein, die in den einzelnen Nationen prägend für das Verständnis des Zweiten Weltkrieges werden sollten.

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Reihe "POLITISCHE IKONOGRAPHIE"
Mythen der Nationen - 1945 - Arena der Erinnerungen
Idee, Konzept und Durchführung: Monika Flacke
Ausstellungshalle von I. M. Pei