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Eine wesentliche Provokation der modernen Avantgarden des Konstruktivismus und Bauhaus war der Entwurf von ästhetischen Prinzipien, die unterschiedslos für Kunst, Architektur und Design gelten sollten. Wäre ein solcher Entwurf heute noch denkbar? In ihren Collagen und Skulpturen läßt Nicole Wermers eine neue, andere Moderne möglich erscheinen. Sie arbeitet mit den Grundelementen geometrischer Abstraktion und entwirft eine Vorstellungswelt aus grafischen, skulpturalen und architektonischen Formen, die weniger durch Prinzipien und Gesetze als vielmehr durch dynamische Bezüge und Gegensätze bestimmt ist: Abstrakte Formen nehmen die Gestalt von konkreten Objekten an. Die Materialität dieser Objekte löst sich wiederum in der Immaterialität körperloser Oberflächen auf. So entsteht der Effekt einer haluzinatorischen Gegenständlichkeit. Die Moderne fängt an zu flimmern. Das Bildmaterial für ihre Collagen bezieht Nicole Wermers aus Fotostrecken und Werbeanzeigen in Mode- und Architekturmagazinen. Ihren Abbildcharakter verlieren die Bildfragmente innerhalb der Collage jedoch fast gänzlich. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit fügen sich zu einer einheitlichen Komposition zusammen. Die collagierten Elemente scheinen wie Intarsien in die homogene visuelle Oberfläche eingelassen. Zwar sind die Gegenstände aus den ursprünglichen Bildmaterial nicht mehr zu identifizieren. Was aber erkennbar bleibt, sind ihre Oberflächentexturen: die Maserung von Holz, der Glanz von Metall usw. Allein auf der Ebene der visuellen Oberfläche ensteht so der Eindruck konkreter Objekthaftigkeit.

In der Ausstellung präsentiert Nicole Wermers drei Skulpturen: Eine etwa hüfthohe zylindrische Skulptur entspricht von ihrer Konstruktion her einem Standaschenbecher. Der Korpus aus aneinander geschweißten Stahlscheiben trägt eine flache runde Metallschale. Hinzu kommen zwei, etwa augenhohe, mattschwarz lackierte Röhren, die jeweils aus zwei gerundeten Stahlblechen zusammengesetzt sind. Die beiden Hälften der Skulpturen stehen unverbunden nebeneinander. Die eine Röhrenhälfte besitzt am Rand drei halbkreisförmige ornamentale Auskragungen. Die Skulpturen besitzen eine eigenartige Präsenz. Die kleinere Skulptur läßt sich formal betrachten, zugleich aber auch funktional als Ascher nutzen. Den großen Skulpturen gibt ihre mattschwarze Oberfläche eine gewisse Körperlosigkeit. Alle drei Arbeiten behaupten sich als Skulpturen im Raum, machen sich zugleich jedoch unsichtbar: Der Standaschenbecher verschmilzt mit der Innenarchitektur, die schwarzen Oberflächen schlucken das Licht.

Die Skulpturen und Collagen werfen die Frage nach der Struktur visueller Faszination auf. Sie ziehen den Blick auf sich ohne ihn zu fixieren. Der Blick gleitet auf ihrer Oberfläche entlang von Form zu Form, ohne gänzlich zur Ruhe zu kommen. Alle visuellen Details wirken gleichwertig. Es gibt kein eindeutiges Zentrum der Attraktion. In ihren Arbeiten experimentiert Nicole Wermers so mit den Mechanismen der visuellen Faszination, mittels derer in Mode, Design und Architektur die Anziehungskraft von Produktoberflächen erzeugt wird. Statt diese Faszinationskraft jedoch in den Dienst des Warenfetischismus zu stellen, setzt sie die visuelle Lust in einem beweglichen Blick frei. Jan Verwoert

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Nicole Wermers