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Ihre erste Soloausstellung in Europa eröffnet die US-Amerikanerin Nina Katchadourian am Sonnabend, dem 13. April 2002 um 20 Uhr in der ACC Galerie Weimar.

Nina, 1968 in Kalifornien geboren und derzeit in Brooklyn, New York, zuhause, zeigt Fotografien, das 10min-Video Gift/Gift und einen Erste-Hilfe-Kasten zum Flicken von Spinnennetzen aus ihrer Multimediaserie Geflickte Spinnweben. Sie stellt ihre Wandinstallation Paranormale Postkarten vor, die sie um eine Weimarkategorie bereichert hat und lässt in vielen Städten Europas gefundenen Musikalischen Abfall, der aus gefundenem Tonbandfitz besteht, in der Galerie erklingen.

Die Idee zur Serie Geflickte Spinnweben - entstanden während Ninas Sommeraufenthalt in Pörtö, einem schwedischsprachigen Eiland im finnischen Inselreich - kam ihr, als sie begann, zerrissene Spinnweben, die sie im Wald vorfand, mit rotem Garn und peinlicher Sorgfalt zu reparieren. Am folgenden Morgen fand sie ihre künstlichen Ersatzflicken auf dem Waldboden wieder, die Spinne hatte die defekte Stelle durch ihr natürliches, perfektes Gewebe ersetzt. Nina sieht diesen Vorfall als Metapher für unseren Umgang mit der Natur, für unsere steten, aber fragwürdigen, teils erfolglosen Versuche, das noch zu verbessern, was die Natur zu leisten vermag.

Eine Fotoreihe von ausgebesserten Spinnennetzen neben den von Spinnen abgelehnten und entfernten Kunstgeweben, ein fesselndes Video, das eine Spinne und eine Pinzette im Kampf um die Buchstaben des Wortes "GIFT" (Geschenk) zeigt und ein Selbst-ist-der-Mann-Spinnennetz-Erste-Hilfe-Kasten, mit Nähgarn, Pinzette, Schere und Klebstoff zum Reparieren von beschädigten Spinnweben vervollständigen die Projektserie.

In ihrer umfangreichen Wandinstallation Paranormale Postkarten zeigt Nina kategorisierte Ansichtskarten von Touristenattraktionen, Königsfamilien, Flugzeugen, Baseballstadien, Tieren und intellektuellen Persönlichkeiten wie Sigmund Freud, die sie mit rotem Faden verbindet. Im Durchnähen und somit fokussieren auf bestimmte Punkte weist sie auf existierende, geheimnisvolle Verbindungen zwischen den Abbildungen hin. Neu wird die Weimar-Kategorie sein. Abzuwarten bleibt, ob sie neben dem Flugzeug-Familienstammbaum, einem Flussdiagramm, in dem - ungelogen pseudowissenschaftlich und doch irgendwie pädagogisch - z.B. die Verwandtschaft zwischen Düsenbombern und Rodeocowboys dargelegt wird, bestehen kann.

Auch das Langzeitprojekt vom Musikalischen Abfall könnte um einen Beitrag aus Weimar erweitert werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, das die Weimarer Öffentlichkeit genügend "Bandfitz" in den Straßengräben, Papierkörben und Baumkronen in und um die Stadt herum findet. Ninas Tonbandsammlung, die in der gesamten Galerie präsent sein wird, umfasst bereits einige Städte Europas. Aus dem mit Hilfe von Freunden gefundenen Klangmaterial entstehen CDs, die nachvollziehen lassen, welche M usik in welcher Stadt bis zur mutwilligen oder unbeabsichtigten Verelendung geliebt oder gehasst wurde. Fundmaterial sollte im ACC unter Angabe des Findernamens, des genauen Fundortes und der Fundzeit abgegeben werden.

Nina verbindet in den drei Serien der Ausstellung das menschliche Verlangen, Ordnung in ein chaotisches Universum zu bringen mit den Wechselwirkungen und Schnittpunkten zwischen von Menschenhand Geschaffenem und Naturgemachtem, die voller Zweideutigkeiten, Verwirrungen und Zufällen stecken.

Während eines Vortrags und Galerierundgangs am Freitag, dem 12. April 2002 um 20 Uhr im ACC, wird Nina weitere Projekte wie Talking Popcorn (die Klänge, das "Poppen" beim Entstehen von Popcorn wird per Computer ins Morsealphabet verwandelt und lesbar gemacht), Eight Years of Sorting Books (die Rücken in Bibliotheken gesammelter und aufeinander gestapelter Buchtitel ergeben aphorismenartige Erzählgebilde) und Carpark (die täglich 5.000 auf dem Campus der Uni von San Diego parkenden Autos wurden für einen Tag nach Farben sortiert) vorstellen. In ihrer Toninstallation Jailhouse Rent Wanted hat Nina die telefonischen Rückrufe auf ein Wohnungsinserat für ein Zimmer von der Größe einer Gefängniszelle mitgeschnitten, um Wohnungsnot, Anbiederei und Bereitschaft zur Zahlung von Höchstmieten für Geringstflächen in Manhattan zu dokumentieren. Derzeit ist Nina (das ehemalige Mitglied einer Rockband) dabei, die etwas verkrampft-lyrisch und doch blumig anmutenden Verpackun gstexte eines 12-teiligen japanischen Gummibärchensortiments als Popsongs zu vertonen. Auch zu diesen beiden Projekten wird sie Tonbeispiele servieren.

Pressetext

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Nina Katchadourian: Geflickte Spinnweben, Paranormale Postkarten, Musikalischer Abfall
Fotografie, Video, Installation