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Die Erneuerung der fotografischen Bewegung des 20. Jahrhunderts basierte auf dem 1929 in Deutschland erschienenen Buch mit dem programmatischen Titel"foto-auge", das die "objektive Wahrheit" des Mediums auf dem Gebiet der Sach- und Dokumentarfotografie proklamierte. Eben diese „Neue Fotografie“, die auf den Erkenntnissen des Konstruktivismus aufbaute, wurde im Bauhaus in Weimar exemplarisch gelehrt. Unter dem Stilbegriff "Neue Sachlichkeit" begannen Fotografen, Typografen und Grafiker der Gegenstandstreue, Schärfe und dem Erfassen der Details nun mehr Wert beizumessen. Im heutigen Weimar entsteht im Umfeld der Bauhaus Universität wiederum eine neue Szene von Fotografinnen und Fotografen. Vielleicht gibt es sie, die Weimarer fotografische Handschrift, eine Weimarer Schule. Dann sind Alexander Lembke und Nina Röder wichtige Vertreter dieser neuen Fotografie aus Weimar.

Nina Röder

Ausgehend von ihrem Bachelorstudium der Theaterwissenschaften hat Nina Röder den Schwerpunkt ihrer Arbeiten während des künstlerischen Masterstudiums an der Bauhaus-Universität Weimar auf die narrative, inszenierte Fotografie gelegt. Im Hinblick auf eine Neuinterpretation des Interdisziplinaritätsgedanken der Bauhaus-Universität verband sie ihr Wissen über Bühnenbau, Regie, Schauspiel und Szenographie mit dem Medium der Fotografie. Ihre fotografische Arbeit zirkuliert deshalb um konzeptbasierte erzählerische Bildräume. Diese Bildräume zeigen entweder Räume oder Orte, auf die sie bewusst oder unbewusst traf, dann auf die jeweilige Beschaffenheit mit einer performativ-körperlichen Interpretation begegnete - oder sie arbeitete in Räumen, die für ihre Fotografien eigens gestaltet, ausgestattet und aus dem Nichts geschaffen wurden. Inhaltlich beschäftigt sie sich mit unterschiedlichen Aspekten der Identitätskontruktion. So thematisiert ein Teil ihrer Arbeiten “äußere- nicht selbstgewählte” Einflüsse auf die Entwicklung der Identität; die der Herkunft mit ihren familiären, geschichtlichen und provinziellen Aspekten. Andere Arbeiten wiederum untersuchen eine selbst-konstruierte und durch Performanz hergestellte Identität.

Alexander Lembke Subversive Romantik - Suche nach Ultima Thule

Für Alexander Lembke ist Photographie ein Teil seines Unterfangens, den Einfluss des Menschen auf die Natur nachzuzeichnen. Vom Standpunkt eines passiven Beobachters zeigen seine Bilder die Unterwerfung und Zähmung unbeachteter Orte abseits der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Die verlassenen Minenkolonien auf Spitzbergen im Polarkreis, die amputierten Bäume im Nationalpark Hochharz aus der Serie “Königsforst“, als auch die Bildsequenz der Lawinenschutzvorrichtungen handeln stets von der Problematik, dass der vom Menschen unberührte Ort vermutlich niemals existiert hat. Trotz dieser ökologischen Grundhaltung gelingt es Lembke mit seinen Bildern, dem Zwang zu entgehen, stets eine bedrückende Realität von Verfall und anklagender Beweisführung über das Eindringen der Menschen in das Reich der unberührten Natur abzubilden. Seine Bildsprache ist vielmehr eine der ausgeglichenen Ruhe, von gekonnt komponierten Einstellungen und abstrakter graphischer Qualität. Verweise auf die Landschaftsmalerei der deutschen Romantik in seinen Bildern führen in die Unendlichkeit, gründlich konstruierte Blickachsen öffnen eine nahezu perfekte Ordnung. Dennoch kann der aufmerksame Beobachter unterschwellig eine Gegenströmung ausmachen, welche die Harmonie von Mensch und Natur in Lembkes Bildern stört. Das klare, arktische Gletscherpanorama wird getrübt durch die Anwesenheit eines Kohlekraftwerks, die erhabene Pose eines Wanderers vor der arktischen Landschaft wird gebrochen durch die erschreckende Einsicht, wie stark die Gletscher schon der globalen Erwärmung zum Opfer gefallen sind. Das menschliche Subjekt steht selten im Mittelpunkt in Lembkes Photographie, selbst in der Abbildung von Kulturlandschaften vermag es Lembke die Individuen über die Interaktion und die Beziehung zu anderen Bildelementen zu deuten. Dieser Schwerpunkt auf Interaktion und Transformation zieht sich als roter Faden durch Lembkes Bilder. Anstatt auf einzelne, bildgewaltige Photographien zu setzen, verfolgt Lembke einen iterativen Ansatz, bei welchem er sich dem Thema von unterschiedlichen Blickwinkeln schrittweise annähert. Man könnte seine Photographie als Anwendung des Kaizen Prinzips verstehen, somit als Kreislauf der stetigen Optimierung, stets zurückkehrend zu den gleichen Schauplätzen, um die nächsten Stufen eines ausgedehnten Prozesses zu dokumentieren. In der europäischen Mythologie ist Ultima Thule ein entfernter, nordischer Ort, der in keiner Karte verzeichnet ist, unberührt von aller Zivilisation. Lembkes Photographie hat sich die Aufgabe gestellt, es zu finden, ein Prozess, der kein Ende haben kann, wie er selbst erklärt: “Immer wenn ich glaube, es gefunden zu haben, stelle ich fest, dass schon Menschen vor mir da waren.”

Ort: Galerie Loris Gartenstr. 114, 10115 Berlin

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Nina Röder + Alexander Lembke
Kuratoren: Monique Förster und Dirk Teschner
Ort: Galerie Loris, Berlin