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Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich 2005 zum 60. Mal. Der Kunstverein Wolfsburg nimmt dies zum Anlass, sich mit einer Gruppenausstellung, Vorträgen und Diskussionen, mit der relativen Trennlinie zwischen Krieg und Frieden und dem Verhältnis von Mensch und Maschine in militärischen Konflikten auseinander zu setzen.

Die Kriege in Jugoslawien und gegen Afghanistan und Irak haben das Verständnis von Politik verändert. Ihre Folgen für die Weltordnung, die Wirtschaft und Umwelt sind weitreichend, aber in ihrer ganzen Dimension noch nicht abzusehen. Massendemonstrationen in verschiedenen Ländern zeigen, mit welchem Engagement sich die Menschen dagegen zu Wehr setzen. Auch die Kriegsberichterstattung hat sich geändert. Den Reporter an der Front gibt es schon lange nicht mehr. Statt dessen sorgen militärisch inszenierte Live-Berichte von „embedded journalists“ und simulierte Angriffssituationen am Computer für die totale Mediatisierung des Kriegsgeschehens. Politische und religiöse Gründe treten dabei in den Hintergrund oder dienen nur noch als Vorwand für ökonomische Interessen. Krieg ist längst zu einem schwer durchschaubaren abstrakten Machtspiel verschiedener Allianzen geworden.

In der Ausstellung „Kriegsende“ des Kunstverein Wolfsburg wird es weniger um eine Beschäftigung mit aktuellen oder spezifischen Kampfhandlungen gehen, sondern um eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Krieg als politisches Mittel, seinen Motivationen, seinen Mechanismen und seinen Wirkungen auf symbolischer Ebene. Dabei sollen aber auch lokale Faktoren Beachtung finden, wie z.B. die Konstituierung Wolfsburgs nach Anforderungen der Kriegsökonomie. Auf zwei spezielle Aspekte wird ein besonderes Augenmerk gelenkt werden. Einerseits möchten wir dem Jahresthema entsprechend das Verhältnis von Mensch und Maschine im Status des Krieges beleuchten, andererseits dessen Endpunkt hinterfragen, d.h. die Übergangsphase von Krieg zu Frieden.

Der Zusammenhang zwischen Krieg und Maschinen ist evident: Denn als beste Soldaten gelten jene, die wie Maschinen handeln. Die soldatische Disziplin könnte als Verfahren beschrieben werden, Menschen in Maschinen zu verwandeln, als Weg, menschliche Fehler so weit als möglich zu eliminieren. Durch die hierarchische Befehlstruktur werden komplexe. Handlungsabläufe voraussagbar. Die einzelnen Soldaten funktionieren wie Teilchen im Getriebe. Diese Form der Disziplinierung geht über die Arbeitsdisziplin von Fließbandarbeitern weit hinaus, deren Handlungsspektrum vergleichsweise eindimensional erscheint. Soldaten werden in der militärischen Ausbildung für den Krieg vorbereitet. Nur in Kriegszeiten können sie ihre besondere Fähigkeiten zum Einsatz bringen. Töten im Frieden ist für sie in der Regel nicht erlaubt.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Grenze zwischen Krieg und Frieden. Stets ist zu fragen: wer hat die Definitionsmacht, einen Krieg als beendet zu erklären. Bisweilen werden eigentliche Sieger und Kriegsziele hinter humanistischer Rhetorik und Scheininstitutionen verborgen. Zudem ist das offizielle Kriegsende nicht immer mit der Beendigung kriegerischer Handlungen identisch. Wie die Situation im Irak in den letzten Monaten zeigte, können Aufständische einen fragwürdigen Frieden durch eine Kontinuität von Anschlägen in Frage stellen. So sind nach dem Kriegsende mehr amerikanische Soldaten gefallen als während der militärischen Auseinandersetzungen. Ein anderer Aspekt ist, zu verfolgen, in wie weit ein Kriegsende einen Anfang, einen Nullpunkt markiert, oder ob Entwicklungen kontinuierlich weiterlaufen, als wenn es keinen großen Neuanfang gegeben hätte. Foucault sprach in Abwandlung eines bekannten Zitats in diesem Zusammenhang vom Frieden als Krieg mit anderen Mitteln. Zur Ausstellung findet eine Vortragsreihe statt (Dr. Siegfried, Stadtmuseum Wolfsburg; Jochen Becker, b-books Berlin, u.a.).

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Non-Stop
Ein Projekt zur Ambivalenz von Krieg und Frieden

mit Nevin Aladag, Willie Doherty, Linda Iannacone / Papertiger Television, Rolf Pilarsky, Volker Veit, u.a.