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Norika Nienstedt zeigt in der aktuellen Ausstellung ihre neusten Arbeiten. Die locker gehängte Präsentation vereint nun zum ersten Mal ihre Zeichnungen und Aquarelle mit den jüngst entstandenen großformatigen Acrylbildern.

Die Künstlerin hat ihre Bildnisse, für die ihr Protagonisten aus der Welt der Stofftiere Portrait gesessen haben, um eine weitere großformatige Facette erweitert. Nach wie vor bilden diese farbenfrohen Wesen das Hauptsujet ihrer künstlerischen Arbeit. In ihren Bildern werden sie zu lebendigen und unternehmungslustigen Akteuren. In einer „natürlichen“ Umgebung, in der Pilze sprießen und Flechten wuchern, erscheinen sie durch ihre selbst referentielle und Glück verheißende Präsenz als Helden aus dem phantas-tischen Reich der Kindheit. Die sich aufdrängenden Projektionen von Glück, das ihre strahlenden Augen und freundlich lächelnden Münder verheißen, schöpfen ihre positive Energie aus der ungestümen Wissbegier und Abenteuerlust, die im spielerischen Geschehen die Welt zu erobern vermag. Beispielhaft sei hierfür die Darstellung der vier übermütigen „Pilzfreunde“ genannt, die sich im ausgelassenen Spiel auf den seltsam riesig erscheinenden Pilzen tummeln. Es ist der befreite und uneingegrenzte Geist der Kindheit, der wie ein Lebenselixier den unermesslichen Reichtum des Da-seins auszuschöpfen versteht.

Im Gegensatz zu den Acrylbildern schwingt in den Zeichnungen eine schlummernde Sehnsucht nach einer verlorenen Welt mit, nach der wir uns von Kindesbeinen an sehnen. Es ist die Erkenntnis der Trennung, der un-wiederbringlich verlorengegangenen Einheit und der Sehnsucht nach dem Ort, der möglicherweise noch als vorbewusstes Wissen oder als Ahnung weiter existiert. In diesem Be-wusstsein legt Norika Nienstedt dem in einem Baumbett ruhenden und lebensmüden Mädchen einen Hasen in den Schoß. Der aufgelösten jungen Frau, für deren Verletzung möglicherweise ein “Böses Reh“ verantwortlich sein könnte, zeichnet sie ein Pflaster auf die Nase und gibt dem einsamen pubertierenden Jüngling ein Stofftier in den Arm.

Die Zeichnungen werden zu Spiegelbildern intimer Befindlichkeiten und den dargestellten Personen haftet zum Teil etwas wehrloses an, was einer entwaffnenden Komik nicht entbehrt. Das Stofftier wird hier zum erweiterten Ego und die scheinbare Dualität entpuppt sich als Projektion, die zwischen empfundener Hingabe und Selbstironie schwingt. Ihre Zeichnungen sind die geträumten, erdachten, gefundenen und weitergesponnenen Momentaufnahmen menschlicher Konstellationen.

Etwas abgründiger gestaltet sich die Aquarellserie „the seven sisters of sleep“, die der Ausstellung ihren Titel gab. Die schönen Schwestern mit ihren Tieröhrchen im Haar scheinen eine Metamorphose mit dem Tierischen eingegangen zu sein. Herausfordernd schauen sie den Betrachter an, ohne den leisesten Wunsch zu hegen, etwas von ihrem Geheimnis preiszugeben.

Stofftiere sind vorallem Identifikationsobjekte und Lebensgefährten, die mit ihren eigentümlichen Cha-rakteren zum Dialog anregen, wie zum Beispiel der beliebte Fernsehmoderator Herr Weisch. Dieser sitzt ebenso gerne für die Künstlerin Portrait, wie er in den gemeinsam produzierten Videoarbeiten von Norika Nienstedt und Michael Jonas auftritt, um respektvoll mit nahmhaften Gästen aus Kultur und Politik zu diskutieren. An dieser Stelle wird das eigenwillige Dasein dieser Gesellen um das geistige Potenzial der Erwachsenenwelt erweitert. Gleiches führen auch Norika Nienstedts Bilder vor, wenn zum Beispiel ein gehäkelter Hund mit hängenden Perlenaugen das existenziell tiefgründige Buch „Hunger“ von Knut Hamsun zu lesen scheint.

In diesem Sinne sind auch die in künstlerischer Zusammenarbeit mit Michael Jonas entstandenen Videoarbeiten und Installationen mit Stoff-tieren programmatisches Konzept mit dem elementaren Anspruch auf eine sich zum Besseren wandelnden Welt, welche die Stofftiere mit klaren Statements einfordern. Stofftiere gelten nur in der Kindheit als probates Mittel der Selbstinszenierung. Norika Nienstedt rettet sie für die Erwachsenenwelt und verleiht ihnen künstlerische Ausdruckskraft.

Claudia Simon